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Palais F*luxx

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Lesen oder lassen?

Buchvorstellung: „Vivian“

Ein Buch über eine Frau, die die Geschichte der Fotografie hätte mitschreiben können. Wenn sie ihre Arbeiten veröffentlicht hätte.

Christina Hesselholdt »Vivian«

Worum geht es?
Erzählt wird die – wahre, aber doch fiktive – Geschichte der Vivian Maier, geboren 1926, Kinderfrau in New York.
In den frühen 2000er Jahren wurde der Nachlass Maiers bei einer Auktion versteigert, Tausende unentwickelter Filmrollen und Schwarz-Weiß-Abzüge. Die Bilder dokumentieren Jahrzehnte des Stadtlebens Chicagos und New Yorks – von meisterhafter Qualität. Ihre Schöpferin ist die französischstämmige Kinderfrau, die Zeit ihres Lebens fotografierte, ohne die Aufnahmen je zu veröffentlichen oder zu zeigen. Die Qualität ihrer Arbeiten, ihr Blick, ihre Fähigkeit, in Alltagsszenen, ebenso wie im Spiel des Lichts Großes zu entdecken, stellen Maier auf eine Stufe mit den großen Chronisten der Zeit wie Henri Cartier-Bressons und Robert Franks.
Christina Hesselholdt gibt dieser Frau eine Geschichte. Sie vereint die wenigen Fakten, die über Vivian Maier vorliegen, und spinnt ein erzählerisches Lebensgeflecht.

Was kann es?
Wer sich mit Vivian Maier befasst und beschäftigt hat, dem wird „Vivian“ wohl nicht viel Neues erzählen. Nur den Eindruck vertiefen, es mit einer extrem schwierigen und auch in großen Teilen unsympathischen Frau zu tun zu haben.
Wer noch nicht, oder nur am Rande von Vivian Maier gehört hat, wird das Buch neugierig machen, sich intensiver mit ihr zu beschäftigen, bzw. auf jeden Fall ihre Bilder sehen zu wollen.
Vor dem Hintergrund, dass Maier wohl keine besonders angenehme und umgängliche Frau war, die Autorin gleichzeitig ein Gespinst möglicher Handlung erzeugt, ist es schwierig, sich in der Tiefe einzulassen. Immer schwingt die Frage mit, ob die Beschreibungen Vivian Maier gerecht werden. Man fühlt sich schlicht nicht wohl beim Lesen. Auf die Möglichkeit hin, dass das Buch Maier gerecht wird, entsteht eine Antipathie, die dazu führt, dass man mit ihr nichts zu tun haben möchte. Gleichzeitig macht die Abwehrhaltung selbst ein ungutes Gefühl, besteht doch die Möglichkeit, dass Christina Hesselholdt mit ihrer Schilderung der Frau Unrecht tut.

Warum sollte mich das interessieren?
Weil es interessant ist! Weil die Geschichte ein Knaller ist! Weil es unglaublich ist, dass eine Frau so unglaublich talentiert ist, und von diesem Talent nichts hat. Keine Ehre, keine Anerkennung, kein Geld. Weil es so ungemein schade ist, dass diese Frau nicht ihren Platz zwischen den Großen der Straßenfotografie eingenommen hat, und die Geschichte der Fotografie mitgeschrieben hat.  

Wie ist es geschrieben?
Unterschiedliche Erzählstimmen, unter anderem, die der Autorin, machen es nicht geschmeidiger, das Buch zu lesen. Es ist ein (kleiner) Chor von Stimmen, die zwar ein Ganzes ergeben, nicht aber harmonisch kommunizieren. Es bleibt atonal und entsprechend sperrig.

Kostprobe 
„Viv
Waren Sie jemals verheiratet?, fragte er. Nein, und ich bin immer noch unberührt, antwortete ich. Dafür wechsle ich meine Familien wie andere Leute die Unterwäsche, jedenfalls heutzutage, hätte ich hinzufügen können. Ich bringe mein ganzes Leben mit, und mein Leben ist in Kisten verpackt, sagte ich, kein Problem, wir haben eine große Garage, erwiderte sie., aber mit 200 Kisten hatten sie dann doch nicht gerechnet. Als ich dann ausgedient hatte und weiterziehen musste, mietete ich ein paar Lagerräume und sorgte dafür, dass alles dorthin transportiert wurde. Es versteht sich von selbst, dass ich keine Ahnung habe, was sich wo befindet.“

Christina Hesselholdt: „Vivian“, aus dem Dänischen von Ursel Allenstein, Hanser Berlin, 210 Seiten, 21 Euro
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Rezension: Silke Burmester

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