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Lesen oder lassen?

Buchbesprechung: „Geradegerückt – wie Biografien prominenter Frauen verzerrt werden“

Worum geht es?

Während Männer noch mit dem schlimmsten Fehlverhalten durchkommen, reicht bei Frauen eine kleine Abweichung vom sogenannten Weiblichen, um in Ungnade zu fallen. Sie werden öffentlich gedemütigt, diffamiert und abgewertet. Vor allem bekannte Frauen stehen im Fokus. Pamela Anderson wird jegliche Privatsphäre genommen, Mia Farrow ist die rachsüchtige Ex, Yoko Ono hat die Beatles zerstört, Tic Tac Toe steht für Zickenkrieg und Serena Williams für schwarz und wütend. Frauen bringen das Böse in die Welt, oder? Beate Hausbichler und Noura Maan wechseln in ihrem Buch die Perspektive und rücken das Leben von 28 weiblichen Berühmtheiten ins richtige Licht.

Warum sollte mich das interessieren?

Egal, was wir tun, egal, was die prominenten Frauen tun und getan haben: Es passt niemanndem , ist meistens falsch und immer der schlechten Rede wert. Sexy Hexy, wenn du einen kurzen Rock trägst. Diva, wenn du selbstbewusst bist. Schwierig, wenn du nicht zu allem Ja und Amen sagst. Rabenmutter, wenn du trotz Kind Karriere machen willst. Verbittert, wenn du nicht (mehr) nachgibst. Rachsüchtig, wenn du Gerechtigkeit willst. Solche Urteile und Bewertungen haben wir vermutlich alle schon gehört. Das ist im nahen Umfeld schon nicht schön, doch berühmte Frauen stehen zusätzlich noch im Fokus der ganzen Welt.

Was hat das mit mir zu tun?

Als Teenie habe ich über Klassenkameradinnen mit komischen Klamotten gelästert, als Studentin über die braven Streberinnen, die angeblich gut mit dem Herrn Professor konnten. Und auch heute flackern meine Gossip Girl-Attitüden manchmal auf und ich lästere mit Freundinnen über andere Frauen.

„Geradegerückt“ ist ein wichtiges Buch für mich, weil ich meine eigenen Klischees und Vorurteile wiedererkannt habe. Es hat mich sensibilisiert und (hoffentlich) Zurückhaltung gelehrt: bei der Beurteilung anderer Menschen im Allgemeinen und von Frauen und Mädchen im Besonderen.

Aber das Buch hat mich auch wütend gemacht: Weil die Medienwelt (prominente) Frauen immer noch so abwertend betrachtet und beschreibt. Weil Politik und Gesellschaft so wenig gegen die Viktimisierung von Frauen tun. Weil Frauen immer noch argwöhnisch betrachtet werden und gleichzeitig zu Opfern und Schuldigen gemacht werden.

Was hakt?

Trotz allem bleibt nach den 200 Seiten eine gewisse Ratlosigkeit. Etwas stört mich, ohne dass ich es wirklich benennen kann: Ist es zu sachlich? Zu wenig empathisch? Ich bin irritiert, dass die Autorinnen ÜBER die betroffenen Frauen schreiben, aber nicht MIT ihnen geredet haben. Deren Zitate stammen aus wenigen Zweit- oder Drittquellen.

Warum sollte ich das lesen?

Weil es lehrreich ist. Weil es den Blick auf die aktuelle Berichterstattung über (prominente) Frauen schärft. Weil es die eigene Doppelmoral und Frauenfeindlichkeit erkennen lässt – und einlädt, daran zu arbeiten.

Über die Autorinnen

16 Redakteurinnen haben Texte beigetragen, zu denen auch die beiden Herausgeberinnen gehören. Sie sind zwischen 27 und 56 Jahre alt, fast alle arbeiten – in unterschiedlichen Positionen – in den Redaktionen bei der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“.

Kostprobe:

„Die Bewunderung für ihre außergewöhnliche Stimme wich der Enttäuschung, dass sie mit Mitte 40 nicht mehr gleich klang wie mit 20. Ob ein männlicher Popstar genauso kritisiert worden wäre, ist fraglich.“ (Über Whitney Houston)

„Man könnte sie bewundern für ihr Selbstbewusstsein und ihre Stärke. Stattdessen trifft sie erst auf Verwunderung, dann Frust, dann fehlgeleitete Wut.“ (Über Natascha Kampusch)

„[Ihre] Geschichte ist eines der Beispiele für einen Trial by media. So nennt man es, wenn Medien eine Person als schuldig oder unschuldig darstellen, bevor ein Gericht geurteilt hat. In dem Trial by media, den Knox erfuhr, galt für sie nie die Unschuldsvermutung.“ (Über Amanda Knox)

„Heute hat man Worte für das, was ihr nach dem Skandal passierte: Slutshaming, Cyberbullying und Online-Belästigung. Und heute würde man den Fall wohl auch dahingehend reflektieren, wie Männer ihre Machtposition gegenüber untergebenen Frauen ausnutzen.“ (Über Monica Lewinsky)

„Süffisant und als Hinweis darauf, dass [sie] modern, lebensfroh und ein bisschen wild sei, betonten Medien ihr Tribal-Tattoo auf dem Oberarm … Schließlich wurden erfundene Gerüchte einer Vergangenheit […] im Rotlichtmilieu verbreitet.“ (Über Bettina Wulff)

Beate Hausbichler, Noura Maan (Hrsg.): GERADE gerückt. Vorverurteilt, skandalisiert, verleumdet: Wie Biografien prominenter Frauen verzerrt werden. Mit Illustrationen von Ūla Šveikauskaitė, Verlag Kremayr & Scheriau, 220 Seiten. 24 €. Hier bestellen

Rezension: Katrin Schwahlen

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