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Lesen oder lassen?

Buchbesprechung: „Geld“

Sie ist reich. Richtig reich. Und sie wird auch dann noch reich sein, wenn sie 90 Prozent ihres Vermögens verschenkt. Marlene Engelhorn ist Millionenerbin und will ihr Geld mit anderen teilen.

Worum geht es?

Um Geld, Macht, Beziehungen, Demokratie und Gerechtigkeit. Was aber wie ein großer Rundumschlag klingt, dröselt Marlene Engelhorn an konkreten Beispielen und aus unterschiedlichen Perspektiven auf. Sie plädiert für mehr Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft, in finanzieller Hinsicht ebenso wie im sozialen Bereich. Ihr Appell an uns alle ist dabei nicht von oben herab, sondern der Versuch, die unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten zu erkennen und zu berücksichtigen. Engelhorn lässt uns teilhaben an ihrer Suche zu mehr Verständnis.

Was kann es?

Engelhorn stellt viele Fragen, sich selbst und uns. Fragen, die sie zum Teil ihrer Familie gestellt hat. Fragen, auf die sie nicht immer eine Antwort hat. Fragen, die bewegen und hoffentlich auch das eigene Nachdenken über Geld und Gerechtigkeit anschubsen.

Warum ist das gut?

Geld ist Macht. Macht bedeutet Ungleichheit und oft auch Ungerechtigkeit. Geld und Macht teilen die Gesellschaft in Klassen auf und können zu Diskriminierung führen. Dafür muss man nicht reich sein, um diese Ungerechtigkeit zu spüren und zu fördern. Deswegen kann das Buch ein wichtiger Denkanstoß sein, um das eigene Geldverhalten zu reflektieren.

Was hat das mit mir zu tun?

Viele von euch kennen bestimmt das Gefühl, als Jugendliche wenig Geld gehabt zu haben. Und vielleicht eine Freundin aus reicherem Elternhaus. Die eigenen Eltern hatten zwar ein gutes Auskommen, aber statt in den Ferien eine Sprachreise nach Cornwall zu machen, ging es mit dem Schwimmverein an die Ostsee. Statt Nike, Lacoste und Zweitwagen waren Jeans von C&A, T-Shirts von H&M und der VW Käfer für die ganze Familie angesagt. In beiden Familien gab es unausgesprochene Regeln für den Umgang mit Geld. „Geld stinkt“, „Geld allein macht auch nicht glücklich“, „Geld ist nicht alles“, „Über Geld spricht man nicht“, „Geld muss man sich verdienen“. „Geld verdirbt den Charakter“. Und wer sich genügend anstrengt, könne reich werden. Klar, und die Erde ist eine Scheibe. Doch die Glaubenssätze rund ums Geld wirken oft bis heute fort.

Wie ist es geschrieben?

Engelhorn teilt in ihrem Buch ihren Entwicklungsprozess in sieben Kapitel. Sie schreibt über Aufwachsen im Reichtum, die gewollte Sprachlosigkeit über das Thema Geld und ihre Schwierigkeiten, die richtigen Worte für ihr Geldverständnis zu finden.

Ja, das ist sehr spannend zu lesen – und beim Lesen mit dem eigenen Verhalten zu vergleichen, den eigenen Glaubenssätzen und Wertvorstellungen. Engelhorn geht es um mehr Gerechtigkeit. Sie lässt beim Lesen spüren, wie sie das Thema umtreibt, wie „unsensibel, ungeduldig und unbeholfen“ sie trotzdem ist. Immer wieder versucht sie, die unterschiedlichen Wirs zusammenzubringen. Um eine Antwort zu finden auf die grundsätzliche Frage dahinter: Wollen wir Geld und Macht teilen oder die Gesellschaft spalten?

Auch wenn das Buch keine Neuerscheinung ist, ist es im Frühjahr 2024 hochaktuell: In Deutschland wird über Bürgergeld und Flüchtlingspolitik gestritten, jede Berufsgruppe versucht durch Streiks ihre finanziellen Schäfchen ins Trockene zu bringen, Frauen verdienen durchschnittlich immer noch weniger als Männer. Die Gesellschaft scheint immer weiter auseinanderzudriften, statt gegen antidemokratische Bewegungen zusammenzustehen. Und immer wieder ist es eine Frage des Geldes und der Macht. Deswegen ist „Geld“ von Marlene Engelhorn zeitlos.

Über die Autorin

Marlene Engelhorn stammt aus einer extrem reichen Familie und hat einen zweistelligen Millionenbetrag geerbt. Seit Jahren kämpft die heute 32-Jährige für eine höhere Besteuerung von reichen Menschen und damit für Steuer- und Verteilungsgerechtigkeit. Sie ist Mitgründerin der Initiative taxmenow und hat im Januar 2024 publik gemacht, dass sie 90 Prozent ihres Vermögens, circa 25 Millionen Euro, an die Gesellschaft „zurückgeben“ will. An wen, soll ein unabhängiges Gremium entscheiden.

Kostprobe

„Das Ziel unserer Bemühungen sollte eine Gesellschaft sein, in der alle politisch mitwirken und ein gerechtes System erschaffen können, das niemanden bevorzugt. Mit Geld ein gutes Leben haben. Das geht nur in einem Staat, der das gute Leben sichert. Genauso, wie er Geld sichert. Wenn das nicht der Fall ist, wenn die Politik korrupt und das Zusammenleben instabil sind, dann gib t es keinen Wohlstand. Dann braucht es plötzlich andere Mittel, um die eigene Sicherheit und Freiheit zu gewährleisten. Es braucht Geld dann nicht als Zahlungs-, sondern als Machtmittel. Dafür muss man genug Geld haben. Man muss so viel davon haben, dass man sich um Rechnungen keine Sorgen machen muss. Man bezahlt dann nicht mehr mit Geld, sondern mit Vermögen, also mit Versprechen. Ohne Gesellschaftspolitik und sozialen Frieden, der auf sozialer Gerechtigkeit beruht, gibt es kein gutes Leben für alle. Dafür braucht es Geld, ja. Aber nicht endlos mehr Geld in den Händen weniger, sondern eine andere Verteilung.“

Warum sollte ich das lesen?

Für mich war es wichtig zu lesen, um über meinen eigenen finanziellen Tellerrand zu gucken. Und dabei nicht nur über die eigenen Glaubenssätze zu Geld nachzudenken, sondern über das größere Ganze. Über gutes Leben für mich und für alle. Um nachzudenken über die Frage, was ich dazu beitragen kann, eine gerechte(re) Gesellschaft zu schaffen. Gerade in Zeiten, in denen rechtsextreme Parteien und ihre konservativen Nachahmer*innen die Gesellschaft immer weiter spalten (wollen), ist es umso wichtiger, Demokratie und Gerechtigkeit für alle zu verteidigen.

Das Buch von Marlene Engelhorn ist für mich eine gute Basis / Aufforderung, über mein finanzielles Handeln nachzudenken und es weiterzuentwickeln.

Marlene Engelhorn: „Geld“, Verlag Kremayr & Scheriau, 175 Seiten (gebunden), 20 Euro
Hier bestellen

Rezension: Katrin Schwahlen

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