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Palais F*luxx

Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre

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Macken, die ich von meiner Familie habe

Kennt Ihr das? Macken Eurer Mütter, Väter, Großmütter, Tanten…, die Euch früher wahnsinnig gemacht haben? Und jetzt ertappt Ihr Euch dabei, eben jene Marotten auch an den Tag zu legen…


Ein Telefon sollte man haben. Aber nicht nutzen, hat Annett gelernt. Klingelt logisch
Foto: Luke Southern, unsplash


Ich mag nicht telefonieren
Ich habe eine Macke, mit der ich manchmal auf interessante Fassungslosigkeit stoße und die ich sicher von meinem Vater übernommen habe: Ich telefoniere nicht gern. Eigentlich stresst es mich sogar. Ich kann mich auch furchtbar gestört fühlen, wenn dieses blöde Telefon überhaupt schon klingelt. Als ich noch ein kleines Kind war, hatten wir erst gar kein Telefon, als wir dann – ich größeres Kind – eines hatten, durften wir damit natürlich nicht telefonieren. Denn man kann ja auch rüberlaufen zur Freundin, die acht Straßen weiter wohnt, um zu fragen, ob sie morgen mit einem Gummihopse spielen will. Diese Macke in Reinstform erlebte ich am Geburtstag meines Vaters, der meine Mutter – sie hatte es gewagt, an diesem Tag das bimmelnde Telefon abzuheben und damit etwas unsicher vor dem Geburtstagsmenschen zu stehen – dann anraunzte, dass die Leute, die einen auch noch am Geburtstag anrufen, ja wohl so richtig nerven! Verrückt, dass ich irgendwie genau wusste, was er meint – allerdings auch fassungslos die Situation bestaunte. In Freundschaften ist das manchmal schwierig auszuhandeln und auch auszuhalten. Ich erlebe oft, dass es als Voraussetzung gilt, dass man jederzeit angerufen werden darf und stoße mit meiner Verweigerung auf bisweilen schlimme Empörung. Da wird gut und gerne eine Zerreißprobe draus. Am Ende beharre ich in der gleichen Sturheit meines Vaters auf meinem Recht. So weit kommt das noch.
Annett


Bloß nicht umkehren!
Von meiner Oma habe ich diese Angst bzw. diesen Aberglauben geerbt: Wenn du beim Verlassen der Wohnung etwas vergessen hast, kehre niemals zurück, sonst passiert ein Unglück. Deshalb achte ich penibel darauf, dass alle Familienmitglieder alles Nötige dabei haben, bevor sie gehen. Meine Kinder müssen sich drei Mal die Frage gefallen lassen, ob sie die Maske, den Schlüssel, die U-Bahn-Karte, das Telefon etc. dabei haben. Wenn mein Mann zurückgehen muss, zwinge ich ihn, in den Spiegel zu schauen. Das soll laut meiner Oma helfen, das drohende Unglück zu minimieren. Dazu muss man sagen, dass meine Oma als Tatarin eine gläubige Muslimin war und in solchen Fällen nicht nur in den Spiegel schaute, sondern auch „Bismillah-ir-Rahman-ir-Rahim“ wiederholte, also „im Namen Allahs des Allerbarmers des Barmherzigen“. 
Nun ist die Oma schon seit 16 Jahren tot und ich spreche immer noch weder Tatarisch noch Arabisch. Wenn ich aber etwas zu Hause vergessen habe, überlege ich zunächst drei Mal, ob ich es heute wirklich brauche. Ich bin im Zweifelsfall bereit, ohne das Portemonnaie zur Arbeit zu gehen (ich habe mir schon öfters mal zehn Euro fürs Mittagessen leihen müssen). Und wenn es doch etwas ist, das eine Rückkehr unbedingt erfordert, dann schaue ich beim Betreten der Wohnung als erstes in den Spiegel. Gott sei Dank hängt auch einer direkt hinter der Tür (Unterbewusstsein!). Aber weil es mir zur Absicherung nicht reicht, sage ich – wie früher die Oma – „Bismillah-ir-Rahman-ir-Rahim“. Also ich renne durch die Wohnung auf der Suche nach dem vergessenen Gegenstand, wiederhole diese arabische Gebetsformel, die in meinem Leben sonst gar keine Bedeutung hat und die ich auch sonst nie sage, und komme mir wie eine Irre vor. Aber lassen kann ich es nicht. 
Alia 

Liebloser geht es nicht, als eine Blume ohne Blätter zu verschenken, meinte die Mutter von Elke. Sitzt.
Foto: Lucas van-Oort, unsplash


Geschenkt
„Blumen ohne Blatt schenkt man dem, den man nicht lieb hat!“, hat meine Mutter immer zitiert. Ich könnte nie eine Amaryllis oder mehrere Gerbera ohne ein Stückchen Grün verschenken! Über meine Mutter habe ich mich aufgeregt, wenn Geschenkpapier glatt gestrichen, Geschenkbänder gebügelt, im Kästchen aufbewahrt wurden und neue Geschenke verziert haben. Was mache ich: Ich habe einen Kasten in Herzform mit diversen Tüddelbändern, gebügelt, und hebe auch die eine oder andere Geschenktüte auf, die mit Kordel. Besonders viele habe ich für Wein!
Elke


Rumpelstilzchen
Nein, ich habe keine Macken geerbt. Es ist schlimmer. Ich war immer ruhig, überlegt und habe mich selten wirklich aufgeregt, und wenn, dann nur kurz. Ehrlich. 
Und dann, vor ca. zwölf Jahren, habe ich festgestellt: Der Geist meiner verstorbenen Mutter ist in mich gefahren! Jetzt nicht im Ernst, an so was glaube ich nicht. Aber das, was mich früher so an ihr genervt hat, dass sie sich über jeden Scheißdreck furchtbar aufregt und dann auch nicht davon loskommt – das ist jetzt bei mir so. Ich überlege dann zwar irgendwann (aber bis dahin dauert es zu lang): Was genau ist denn jetzt eigentlich? Um dann festzustellen: eigentlich nichts. Nichts Schlimmes. Ein winziges Problem. Jetzt ist aber gut, hau ab, Geist. Lebbe geht weiter, und zwar normal.
Ingrid

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