Sehr geehrte Damen und Herren des ZDF,
vielen Dank für die Antwortschreiben Ihrer Zuschauerredaktion an die verschiedenen Mailschreiber*innen, die sich bei Ihnen gemeldet hatten, weil ihnen sowohl die Präsenz als auch die Variabilität in den Geschichten mit Protagonistinnen über 47 Jahre in Ihrem Programm fehlen.
Ihre Antworten vermitteln den Eindruck, dass Sie das ZDF-Programm mit der Auflistung von sieben beispielhaften Produktionen, „die mit weiblichen Darstellern der angesprochenen Altersgruppe in den verschiedensten Berufen besetzt sind“, gegen die Zuschriften verteidigen wollen.
Allerdings hatten die an Sie geschickten Briefe und Mails gar nicht die Absicht, Sie zu Verteidigungen oder Rechtfertigungen zu animieren. Die Zuschauer*innen wollten Sie lediglich auf den oben erwähnten Mangel in Ihren Programmen aufmerksam machen und hatten die Hoffnung, dass Sie diese Hinweise zum Anlass nehmen würden, Ihre Produktionen entsprechend kritisch zu begutachten.
Es steht außer Frage, dass die Darstellung von Frauen über 47 nur sehr eingeschränkt stattfindet. Sowohl quantitativ wie qualitativ. Und selbst wenn die „ältere Frau“ gezeigt wird, so ist das Bild dieser Frauen jenseits ihrer fruchtbaren Jahre seinerseits überaltert (sic!). Zeitgemäßere Rollenbilder und deutlich mehr Vielfalt in der Darstellung von Frauenfiguren jenseits der 47 sind längst überfällig – insbesondere, wenn man sie mit denen der männlichen Pendants vergleicht.
Die von Ihnen als beispielhaft angeführten Produktionen, mit denen Sie die Zuschauer*innen zu beruhigen versuchen, dass das ZDF durchaus die geforderten Rollenbilder erfüllt, sind leider kaum überzeugend. Zwar sind einige der Filme oder Reihen/Serien mit Schauspielerinnen jenseits der 47 in den Hauptrollen besetzt („Marie Brand“, „Familie Bundschuh“, „Mord in Genua“), doch das Rollenbild ist nicht allzu differenziert.
In „Marie Brand“ ist die Protagonistin ebenso wie in den Co- bzw. Kaufproduktionen „Mord in Genua“ oder „Modus – Der Mörder in dir“ Angehörige der Polizei, was im Fernsehen eines der wenigen Sujets eigenwilliger Frauen ist.
In „Familie Bundschuh“ sehen wir Andrea Sawatzki als (Haus- und Ehe-)Frau und Mutter, die ihre drei Kinder versorgt, die kocht, backt und putzt und die versucht, ihre Kernfamilie und auch die weitere Verwandtschaft zusammenzuhalten. Immerhin hat man der Figur der Gundula Bundschuh zugestanden, dass sie noch an erotischem Austausch interessiert ist, was bei „Marie Brand“ offenbar ausschließlich Sache des jüngeren männlichen Assistenten zu sein scheint.
Was die schwedische Serie „Modus – Der Mörder in uns“ betrifft, fällt diese aufgrund des Alters der Hauptfigur bzw. ihrer Darstellerin ohnehin aus der Auflistung heraus, denn Melinda Kinnaman war sogar bei Ende der Erstausstrahlung erst 45 Jahre alt.
„Ella Schön“, die Anwältin mit Asperger-Syndrom, die von Annette Frier gespielt wurde, wurde eingestellt, als Annette Frier 48 Jahre alt war. Zu Beginn der Reihe war sie 44.
Ihre Produktion „Nächste Ausfahrt Glück“ ist ein auf andere Weise typischer Fall. Zwar ist die Hauptdarstellerin Valerie Niehaus heute 48 Jahre alt (bei Ausstrahlung der ersten Folge war sie 46), doch geht damit eine Problematik einher, die sich auch in anderen Produktionen finden lässt und auf die wir kurz eingehen möchten:
Die ganze Geschichte baut auf einer dramatischen Backstory auf, die beiden einander liebenden Hauptfiguren Katharina (Niehaus) und Juri (Dirk Borchardt) versuchten im Sommer 1989 von Eisenach aus über Prag in die BRD zu fliehen, doch sie verloren sich quasi am Zaun der Prager Botschaft der BRD: Juri kletterte darüber und ging in den Westen, Katharina blieb zurück und kehrte nach Eisenach zurück.
Dort heiratete Katharina offenbar sehr zügig, da sie ihrem Gatten Georg (Max Hopp) jenen Sohn, mit dem sie von Juri schwanger war, als dessen eigenen unterschieben konnte.
Der Haken an der Vorgeschichte: Legt man das Alter von Valerie Niehaus zugrunde, wäre Katharina damals gerade einmal 14 Jahre alt gewesen. Und damit 15, als sie ihren Sohn zur Welt brachte. Doch von einer Teenagerschwangerschaft ist in dieser Reihe nie die Rede.
Nicht falsch verstehen bitte, denn wir alle lieben oder mögen zumindest Valerie Niehaus. Aber es ist schwer vorstellbar, dass es weit und breit keine Schauspielerin deutscher Sprache gab, die man zwecks Glaubwürdigkeit für die Geschichte hätte besetzen können? Da liegt der Verdacht leider nahe, dass die Figur der Katharina mit einer altersentsprechenden Verkörperung dann eben doch „zu alt“ für das von Ihnen gewünschte Publikum sein könnte.
Bei „Bad Banks“ liegt der Fall anders, denn die weibliche Hauptfigur Jana Liekam wird von Paula Beer gespielt, die damals, 2018, was übrigens inzwischen auch schon 5 Jahre her ist, gerade mal 22 Jahre alt war.
Natürlich zielen Sie bei „Bad Banks“ auf die Nebenfigur der Christelle Leblanc, die in der Serie 49 Jahre alt ist und von der damals immerhin bereits 52-jährigen Désirée Nosbusch gespielt wurde. Ein starker Charakter, eine spannende, machtvolle Figur – aber wieder mal eine Frau, die kühl und distanziert ist und ohne soziales Gefüge gezeigt wird. Eine weitere klischeehafte Darstellung machtvoller Frauen.
Es fällt schon auf, dass in den von Ihnen angeführten Beispielproduktionen, die das von den Briefeschreiber*innen geforderte Alters- und Rollenprofil erfüllen sollten, letztlich nur die Protagonistinnen in „Marie Brand“, „Mord in Genua“ und „Familie Bundschuh“ alleine die Altersvoraussetzung besitzen. „Ella Schön“ ist inzwischen abgesetzt und ebenso wie „Bad Banks“ (und „Modus – Der Mörder in uns“, was Sie zwar aufgelistet hatten, was aber gar nicht hätte aufgelistet werden dürfen, s.o.) nur noch in der Mediathek zu bestaunen.
Doch es geht uns nicht um Auf- oder Gegenrechnen.
Wir würden es als äußerst hilfreich ansehen, wenn Sie die Appelle, die derzeit durch die Kampagne „Let’s change the picture“ öffentlich geworden sind, nicht als Angriff auf Ihr Programm interpretieren würden. Die eigentliche Absicht ist, ein Schlaglicht auf ein trauriges Phänomen zu richten, das im deutschen Kino und Fernsehen nicht zu leugnen ist: Das Verschwinden der älteren Frauen und die unzeitgemäße Darstellung dieser Bevölkerungsgruppe, die in unserer deutschen Gesellschaft aus sage und schreibe 21 Millionen Mitgliederinnen mit unterschiedlichen Lebensgeschichten, erotischen Bedürfnissen, Träumen, Berufen, Schicksalen, Hoffnungen, Erlebnissen und Erfahrungswerten besteht.
Lassen Sie uns also nicht das machen, was unsere heutige Gesellschaft leider so oft tut und was das Zusammenleben immer weiter verkompliziert: das elendige Differenzieren in das „Wir hier und die anderen dort“.
Die Kampagne soll ein großes „Wir“ sein, das alle mit einbeziehen möchte, die an diesem Zustand etwas ändern können. „Let’s change the picture“ ist ein Appell, dass wir uns miteinander verbinden, um gemeinsam einen Missstand in unserer Gesellschaft zu beheben, denn die größere Sichtbarkeit und Vielfalt von Frauenfiguren über 47 schafft im besten Falle jene Vorbilder, die junge Frauen und Mädchen benötigen, um ihnen zu zeigen, was in unserer, der demokratisch geprägten Welt, möglich ist. Und dass man eben keine Angst vor dem Alter(n), vor dem Verlust von Attraktivität – die sich beim weiblichen Geschlecht fast ausschließlich über Jugendlichkeit definiert – oder vor der angeblichen Funktionslosigkeit haben muss. Sondern dass das Frausein jenseits der 47 auch Freude bereiten und Lust machen kann; Lust auf die Entdeckungen eines Lebens jenseits von Kindern und der nervig-stressigen Vereinbarung von Beruf und Familie.
Frauen dieses Alters fahren nicht nur Fahrrad mit Blumen im Lenkerkorb, sie sind nicht nur die Ehefrauen, die von ihren erfolgreichen (und überrepräsentierten!) Männern gegen jüngere Geliebte eingetauscht werden. Sie sind auch keine einzelgängerischen Kriminalermittlerinnen, die jüngerer männlicher Kollegen bedürfen, damit ihnen Witz und Menschlichkeit in all ihrer Vereinzelung nicht gänzlich abhandenkommen. Auch sind sie nicht nur die lieben Omas, die die Enkelkinder betreuen, sobald Not an der Frau ist. Es geht auch nicht um die immer gut gelaunte Superheldin des eigenen Lebens, die erfolgreich durch die Hormonhölle geht, die selbstoptimierend „noch immer heiß ist – doch es kommt nun in Wellen“ (einen Buchtitel paraphrasierend).
Es ist kein Trend und auch keine Mode, der wir hinterherlaufen.
Es ist der Wunsch, Frauen über 47 adäquat abgebildet zu sehen. Qualitativ und quantitativ.
Deshalb unser Vorschlag: Nehmen Sie unseren Ball auf und lassen Sie uns gemeinsam ein neues, ein zeitgemäßes, vielfältiges und spannendes Frauenbild jenseits der 47 im ZDF entwickeln, in welchem sich die meisten der 21 Millionen Frauen wiederfinden und in dem die jungen Frauen und Mädchen neue Vorbilder entdecken können.
„Let’s change the picture“ – lassen Sie uns gemeinsam das Bild verändern!
Mit hoffnungsvollen Grüßen
Ihr Palais-F*luxx Team
So sah die Antwort des ZDF an diejenigen aus, die dem Sender geschrieben hatten:
„Sehr geehrte Frau…,
vielen Dank für Ihre E-Mail.
Ihre Rückmeldung haben wir in unsere tagesaktuelle Auswertung der Zuschauerreaktionen aufgenommen. Diese wird den verantwortlichen Redaktionen und einem weiten Empfängerkreis in unserem Haus, inklusive der Geschäftsleitung, zur Kenntnisnahme übermittelt und dort in der internen Auseinandersetzung mit dem Programmangebot berücksichtigt.
Gerade in unseren eigenen Produktionen und auch bei Co-Produktionen finden Sie aber eine Vielzahl an Hauptrollen, die mit weiblichen Darstellern der angesprochenen Altersgruppe in den verschiedensten Berufen besetzt sind. Nachfolgend nur einige Beispiele:
– Marie Brand
– Familie Bundschuh
– Ella Schoen
– Mord in Genua – Ein Fall für Petra Delicato
– Modus – Der Mörder in uns
– Nächste Ausfahrt Glück
– Bad Banks
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Zuschauerservice