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Palais F*luxx

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„Eine Hochzeit mit Folgen“: an oder aus?

In der schwedischen Mini-Serie wird eine 51-Jährige schwanger. Silke Burmester hat sich das angesehen und meint: „Det går så här“. Was, wenn wir es richtig übersetzt haben, „geht so“ heißt

Da hat der Heilige Geist noch einmal alles gegeben: Mutter (links) und Tochter bei der Taufe
Foto: © Jan Töve, ARTE France


Worum geht es?

Auf der Hochzeit ihrer Tochter Meja verschwindet Grace mit Samuel, dem Vater der zweiten Braut, im Badezimmer. Beide sind in einer Beziehung, beide wahrlich nicht mehr jung, sie vögeln stehend am Waschbecken. Das Intermezzo bleibt unentdeckt, die Bräute düsen in die Flitterwochen und in einer nächsten Szene sehen wir Grace, wie sie Samuel im Wald trifft. Um ihm mitzuteilen, dass sie schwanger ist.
Das Gestammel der beiden erinnert an 17-Jährige. Überforderung auf allen Seiten, Negierung, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

So ist es aber, das Ei hat sich eingenistet, der Embryo wird langsam Mensch und noch bevor die beiden zu einer Entscheidung kommen, wie sie mit der Situation umgehen wollen, wie eine Lösung aussehen könnte, fällt Samuel, der Konzertpianist ist, auf der Bühne tot um.
Nun sind wir dabei, wenn die Schwangerschaft publik wird und alle sich aufregen. Aber nicht im Sinne eines Staunens, dass die 51-Jährige überhaupt noch schwanger werden kann, sondern in einer Art, als habe Grace etwas ganz und gar Unerhörtes getan. Etwas, das in seinem Unerhörten weit über den Moment des Fremdgehens hinausgeht. Obendrein wird es als Affront empfunden, dass sie den Erzeuger ihres Kindes nicht preisgeben will.

Und so werden wir Zeug*innen, wie Grace – zunächst zaudernd und hadernd – sich für das Kind entscheidet, sich damit gegen ihren Ehemann und ihre Mutter stellt und mit dem Konflikt leben muss, nicht erzählen zu können und zu wollen, wer der Vater ist und doch ständig mit Menschen wie Samuels Ex-Partnerin und seiner Tochter zu tun zu haben.
Überraschend und schön ist, mit welcher Idee Grace das Problem löst, alleinerziehend zu sein und für ihre Tochter Daisy keine weitere enge Bezugsperson zu haben.

Was kann die Serie?

Die vier Folgen sind ganz klar auf Unterhaltung ausgelegt. „Eine Hochzeit mit Folgen“ soll witzig sein. Nicht schenkelklopferwitzig, eher abiturient*innenwitzig. Eine Gesellschaftsparodie. Dabei fehlt der Parodie die notwendige kitzelnde Leichtigkeit. Die Produktion bleibt bleischwer in der bürgerlichen Beschränktheit sitzen und erinnert ein wenig an französische Komödien: viel schnelles Gerede und eine „Komik“, die aus der Übergriffigkeit Einzelner und der Überzeichnung der Charaktere resultiert. So sind Graces Mutter unerträglich übergriffig, verschlagen und manipulativ, der Bruder von Grace, Valentin, ein blässlicher, schüchterner Pfarrer mit Alkoholproblem und die glücklichen Bräute permanent etwas zu glücklich, während die hippieske Witwe des Grace-Schwängerers klischeehaft überzeichnet ist.
Soll heißen, die Unterhaltung ist nur bedingt zu empfehlen. Es wird Frauen geben, denen diese Form gefällt, vielen aber wird sie etwas zu flach und konzipiert erscheinen.

Gleichstellung in Schweden: Dort können nicht nur alte Männer kurz vor ihrem Hinscheiden Kinder zeugen, nein, auch Frauen jenseits der 50 werden Mutter, ohne dass das Thema der Risikoschwangerschaft eines ist Foto: ARTE France © Jan Töve



Warum kann man „Eine Hochzeit mit Folgen“ dennoch gucken?

Die vier Folgen tun nicht weh. Es gibt sehr viel Schlechteres im TV und den Streaming-Diensten, und wenn man unbedingt was gucken möchte, dann kann es auch diese Mini-Serie sein.
Denn sie wirft eine interessante Frage auf: Wie alt sollten Gebärende sein? Oder andersrum: Ist eine Frau Anfang/Mitte 50 im passenden Alter?

Das Eigenartige ist, man würde Grace locker auf 54 Jahre schätzen, eher 56. Vielleicht sogar 58. Die Schauspielerin war bei den Dreharbeiten 55 Jahre alt, ihre Filmfigur soll 51 sein.
Diese Unstimmigkeit irritiert, denn man SIEHT keine 51-Jährige, man sieht eine in ihrem Alter sehr fortgeschrittene Frau, fast könnte man sagen: in Oma-Optik, die schwanger ist.
Merkwürdigerweise wird das Thema einer Risikoschwangerschaft und der erhöhten Wahrscheinlichkeit, dass das Kind nicht gesund sein könnte, nicht erwähnt. Als wäre es das Normalste der Welt, ist Grace mit 51 Jahren schwanger und bekommt neun Monate später ihre Tochter Daisy. Dass die Gesundheit des Kindes kein Thema ist, mutet eigenartig und unrealistisch an.

Mehr aber noch ist es das Alter der schwangeren Protagonistin, das eben nur auf der Ebene des Unerhörten thematisiert wird, nicht aber auf der des Ungewohnten. Des Ungewöhnlichen.
Dabei ist es ein eigenartiges und auch ein verstörendes Bild, wenn man erst die schwangere, später die ihr Kind haltende Grace sieht, die für unser gängiges Bild zu alt ist.

Und nun wird es interessant: Ich will kein Age Shaming betreiben. Keine Altersdiskriminierung voranbringen und doch finde ich das nicht nur ungewohnt, ich finde es etwas gruselig. Ich finde, es passt nicht. Was zu der interessanten Frage führt, ob es an der Zeit ist, dieses Bild zu revidieren? Oder ob es bei aller progressiven Veränderung des Altersbildes gerade von Frauen unpassend bleibt? Und als solches empfunden werden darf?
Ist es ein emanzipatorischer Akt, in jedem Lebensalter – auch Mittsechzigerinnen bekommen heute mitunter Kinder – Mutter zu werden? Ein Akt der Ermächtigung und der Selbstbestimmung? Und wenn es einer ist, ist er damit ok? Oder kann man eine so späte Mutterschaft auch in Hinblick auf das Kind, das mit zehn Jahren eine über 60-jährige oder 70-jährige Mutter hat, schwierig finden?

Wir Menschen werden immer älter und das Altersbild und die Möglichkeiten, das Leben zu gestalten, verschieben sich immer mehr in die späteren Jahre hinein. Folgt daraus, dass alles, was nun möglich ist, ok ist, oder darf man ungewohnte Dinge auch (weiterhin) unangenehm finden?
Ich, die ich so sehr für ein neues Altersbild von Frauen kämpfe, weiß es nicht. Und komme zu keinem Schluss.
Immerhin, diese Frage kann „Eine Hochzeit mit Folgen“ aufwerfen. Und das ist auf jeden Fall etwas.

Einfach ein schönes Bild. Da enthalten wir uns mal der Kommentierung. Auch, wenn es juckt ARTE France © Jan Töve

Hier geht´s zur Serie auf arte

Seit Kurzem ist auch die zweite Staffel bei arte verfügbar. Wir haben sie jedoch noch nicht gesehen.

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