In Berlin fand letzte Woche ein bestens besetztes Podium zum Thema „Wechseljahre und Job“ statt. Britta Scholten hat die Veranstaltung besucht
Wenn man das, was man sieht, nicht leiden kann, kann man eine von zwei Möglichkeiten wählen. Palais Fluxx ist gerade fleißig dabei, Pinsel zu verteilen, um das Altersbild von Frauen in Film und Fernsehen zu ändern. Besins Healthcare Germany, laut Homepage „einer der führenden Hersteller moderner Hormonpräparate“, ruft dagegen zum Blickwechsel auf und startet eine Initiative für berufstätige Frauen in den Wechseljahren. Der Pharmazeut will einen „offenen, wertschätzenden Dialog starten und Tabus brechen“. Kommt mir bekannt vor. Ähnliches sage auch ich, wenn ich unser Programm „Hidden Champions“ vorstelle, mit dem wir Unternehmen zeigen, wie sie zum Traumarbeitgeber für Frauen in den Wechseljahren werden. Wobei für uns die Lösung am Ende nicht darin liegt, dass Frauen Hormone nehmen… In jedem Fall war ich neugierig genug, der Einladung zu folgen, die Besins Healthcare Germany anlässlich des Starts ihrer Initiative „BlickWechsel“ ausgesprochen hatte.
Auf dem Podium versammelte sich eine illustre Runde von Expertinnen – manche auch als Gäste im Palast bekannt. Anke Sinnigen, Gründerin von Wexxeljahre.de, erzählte gerade bei „Macht doch, was ihr wollt“, wie sie auf die Idee für ihr Online-Portal mit Informationen und Beratung über die Wechseljahre kam. Bettina Billerbeck, Geschäftsführerin von Beautiful Minds Media/Looping Group, kennen wir aus dem letzten Sommer. Da hatten wir zwischen dem Newsletter MAISON MADAME der Zeitschrift Madame, den sie verantwortet, und unserem Palast einen Texttausch arrangiert. Sie bringen einen Text von uns, wir einen von ihnen. Was bald wiederholt werden soll. Ergänzt wurde die Runde durch Katja Burkard, die als eine der wenigen Fernsehfrauen offen zu ihren Wechseljahren steht, Dr. med. Anneliese Schwenkhagen, die als Hormonspezialistin nicht nur in ihrer eigenen Praxis berät, sondern auch Vorstandsmitglied der DMG (Deutsche Menopause Gesellschaft) ist, und die gereizte Frau, Miriam Stein, die es nach ihrem Bestseller geschafft hat, die Wechseljahre in den Bundestag zu bringen – Simone berichtete darüber.
1.000 Frauen können nicht lügen
Jedenfalls nicht, wenn Forsa sie befragt. In einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der Initiative BlickWechsel, die von Besins Healthcare initiiert wurde, wurden 1.000 Frauen zwischen 45 und 60 zum Thema „Wechseljahre im Beruf“ befragt. 85 Prozent von ihnen gaben an, dass sie belastende Symptome haben. Auf Basis der Aufschrift von Miriams T-Shirt „Wir sind 9 Millionen“ kann man das hochrechnen: 85 Prozent von neun Millionen heißt: 7.650.000 Frauen haben im Job mit Symptomen der Wechseljahre zu tun. Kein Wunder, dass Miriam Stein sagte: „Es ist schlicht betriebs- und volkswirtschaftlich dumm, das Problem nicht zu erkennen.“
Schlafstörungen, Gelenkschmerzen, gereizte Stimmung – diese und andere Symptome können viele Ursachen haben. Katja Burkard dachte an psychologische Probleme, als sie immer aggressiver wurde. Sogar einen Gehirntumor schloss sie nicht aus. Dass das kein Einzelfall ist, kennt Dr. med. Anneliese Schwenkhagen aus ihrer Praxis: „Viele Frauen wissen gar nicht, dass ihre Probleme etwas mit den Wechseljahren zu tun haben.“ Noch immer gilt die Gleichung: Wechseljahre = alt und nicht mehr sexy. Frauen schieben es häufig weit von sich: „Ich und Wechseljahre? Ich bin doch erst 50!“
Wenn man den Arzt lieber nicht fragen soll
Doch selbst, wenn eine Frau einen Zusammenhang zwischen ihren Symptomen und den Wechseljahren ahnt, ist sie damit nicht unbedingt schlauer. Woher bekommt sie Informationen? An wen soll sie sich wenden? Im Medizingrundstudium kommen die Wechseljahre bis heute nicht vor. Beim Hausarzt oder der Orthopädin finden Frauen daher selten kompetente Beratung. Aber selbst in der gynäkologischen Praxis muss das nicht besser sein. Dr. med. Anneliese Schwenkhagen gab einen erschreckenden Einblick in die Ausbildung der Fachärzt:innen: „In der klinischen Ausbildung lernt man Geburt und Operationen.“ Erst in der eigenen Praxis stolpern die Frauenärzt:innen über Beratungsthemen wie Verhütung oder eben Wechseljahre. Wie gut sie sich da einarbeiten, hängt von ihrer eigenen Motivation ab. Und bei manchen fehlt(e) die. Das führt dann zu „Beratungen“, die verunsichern, z. B. „Sie wollen Hormone nehmen? Ja, wollen Sie denn Brustkrebs bekommen?“
Wirtschaftsflaute durch die Wechseljahre?
Ein weiteres Resultat der Forsa-Studie: 33 Prozent der befragten Frauen wollen ihre Arbeitszeit oder
-bedingungen ändern – bis hin zum Ausstieg. Eine Zahl, die in jeder Personalabteilung und bei allen Führungskräften angesichts des Fachkräftemangels zu Schnappatmung führen müsste. Bettina Billerbeck sagte deutlich: Führungskräfte haben Nachholbedarf – sie wissen zu wenig über die Wechseljahre und wie sie mit ihren Mitarbeiterinnen darüber sprechen können. Sie warnte aber auch: „Ich würde keiner Führungskraft empfehlen, Mitarbeiterinnen direkt zu fragen: Bist Du in den Wechseljahren?“
Dabei sollten wir mehr sprechen. In den Medien, in den Arztpraxen und in den Unternehmen. Mit Betroffenen und mit Menschen, denen die Wechseljahre (noch) ganz fern sind. Anke Sinnigen erzählte, dass sie in der Regel in Unternehmen auf Initiative betroffener Frauen eingeladen wird. Erst in weiteren Runden trauen sich auch Männer und Personalverantwortliche hinzu. Das deckt sich mit den Erfahrungen, die wir mit unserem Programm „Hidden Champions“ machen. Noch sind es häufig Gesundheitswochen oder Frauenbeauftragte, die uns anfragen und die sich das Budget selbst für einen kurzen Vortrag noch erkämpfen müssen.
Henne oder Ei
Das Podium machte deutlich: Wir haben viele Baustellen und noch viel zu tun. Aber in welcher Reihenfolge? Reden wir freier über die Wechseljahre und ihre Begleiterscheinungen, wenn wir als Gesellschaft gelernt haben, offen mit dem Thema umzugehen? Oder müssen wir, um zu lernen, offen mit den Wechseljahren umzugehen, frei darüber reden? Es scheint also eine klassische Henne-oder-Ei-Frage zu sein. Miriam Stein brachte es auf den Punkt: „Wir müssen die Hennen sein und gackern. Wenn wir auf das Ei warten, wird das nie etwas.“
Als Palais Fluxx gackern wir mit Freude weiter. In unserer LinkedIn-Gruppe Hidden Champions, auf unseren Veranstaltungen und demnächst auch in Berlin zusammen mit Miriam Stein (Infos folgen). Und nach den „Endlich Weitsicht“-Brillenputztüchern haben wir jetzt eine neue Idee für den Shop: Palais-Fluxx-Eierbecher mit dem Aufdruck: Sei die Henne!
Text: Britta Scholten
Unser Workshop-Angebot „Hidden Champions“
Das Buch „Die gereizte Frau“ von Miriam Stein und von Katja Burkard „Wechseljahre? Keine Panik!“