Rollenspiele
Rollenspiele
Dass Sylt in den Sechziger- und Siebzigerjahren mal eine wilde Insel für Fans der sexuellen Freizügigkeit war, ist nichts Neues. Es gibt aber anscheinend auch heute noch ein paar Freigeister. Zumindest stieß ich vor ein paar Tagen bei einem Spaziergang durch Hörnum auf eine interessante Figur in einem Vorgarten einer unscheinbaren Straße. Zunächst sah ich nur einen Stierkopf, der über die Hecke ragte, als ich weiterging, entdeckte ich dazu einen nackten Männerkörper. Ein prächtiges Mischwesen aus Holz, das mich allerdings weniger an die griechische Mythologie erinnerte, sondern an einige kinky Partys mit außergewöhnlichen Rollenspielen.
Erlaubt ist, was Spaß macht und keinem schadet
Auch wenn einige jetzt mit dem Kopf schütteln mögen: Petplays, Genderplays und Ageplays sind verbreiteter, als man zunächst denken mag. Und zwar nicht nur in der BDSM-Szene (Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism). Bei Petplays schlüpft eine*r der Spieler*innen in eine Tierrolle. Hunde sind ziemlich beliebt, oft tragen die Player entsprechende Masken und lassen sich von ihrem Herrchen oder Frauchen erziehen. Eine Bekannte schleppte ihren Freund mit Hundemaske gerne durch den benachbarten Park. Mitunter musste er auch auf allen Vieren kriechen. Ok, sie ernteten befremdliche Blicke, aber für sie beide war es ein aufregendes Spiel. Beim Genderplay wechseln die Spieler*innen auch mal das Geschlecht. Verbreiteter ist das sogenannte Ageplay, nur dass viele den Begriff gar nicht kennen. Dabei geht es darum, ein Fantasiealter anzunehmen, das ein ganz anderes ist als das biologische Alter. Etwa Schülerin und Lehrer oder umgekehrt. Oder Au-pair und Gastvater. Natürlich gibt es auch die oft tabuisierten Rollenspiele, die sich in einer Fantasiefamilie abspielen. Warum eigentlich nicht?
Die Fantasie ist frei
Fantasien sind frei und sollten es bleiben. Und solange man keiner Person damit schadet und alles in bestem Einvernehmen geschieht, sollte die Lust freien Lauf haben. Denn nichts ist langweiliger als Routine beim Sex. Und jedes Paar kann sich ihre Fantasie so zurechtschneidern, wie es für beide stimmig ist. Softer oder härter. Hauptsache, es macht Spaß.
Was mich zu meiner Erinnerung an einen „Stier-Menschen“ zurückbringt. In meiner Rolle als Erotikautorin bekomme ich mitunter außergewöhnliche Einladungen zu Sexpartys. Eine davon fand auf einem Schloss in Nordhessen statt und vereinte eine lustvolle Schar von Petplayern. Alle trugen Masken, sodass auch die Anonymität gewahrt war. Ich selbst hatte eine eher lustige als ernstgemeinte Katzenmaske mit Plüschohren auf. Die Frauen trugen zu ihren Masken hübsche Dessous, die Männer Anzüge. Als ich an der Bar rumlungerte, näherte sich ein Mann mit Stiermaske. Da er schon auf den Spielflächen gewesen war, war er nackt. Ich war selbst überrascht, dass ich diese seltsame Mensch-Tier-Mischung irgendwie heiß fand. Später folgte ich ihm in eines der Zimmer und beobachtete, wie er einige Frauen und Männer beglückte. Als ich später in der Taxischlange stand, stellte sich ein Mann hinter mich. Er hatte eine Stiermaske in der Hand und wirkte sehr jung und unscheinbar. Auch darum geht es beim Petplay: Mit der Maske auf dem Kopf konnte er sein, wer immer er sein wollte. Im Zweifelsfall ein heißer Stier für eine Nacht.
Jedenfalls inspirierte mich diese Party später zu einer neuen Geschichte, bei denen Männer Pferdemasken trugen. Ich fand diese Fantasie so geil, dass ich eine Pferdemaske für meinen Lover bestellte, der sie sich auch einmal tapfer auf den Kopf setzte. Sie war nur so schwer und stickig, dass er zwar seinen Kopf mit Mühe hochhalten konnte, aber zu mehr war der Körper nicht in der Lage. Insofern machten wir nur ein Foto, über das wir heute noch gerne lachen, und legten die Maske zur Seite. Geschadet hat es der Nacht nicht. Im Gegenteil. Ich habe gelernt, dass manche Rollenspiele vielleicht doch besser im Reich der Fantasie bleiben sollten.
Suzette Oh ist im besten Alter, um die richtige in Theorie und Praxis erfahrene Sexpertin für uns zu sein. Tatsächlich hört sie außerhalb der gedämmten Wände auf einen anderen Namen, möchte aber auch weiterhin die Bestellung für ihre Schwarzwälderkirschtorte zum Geburtstag aufgeben, ohne dass die Verkäuferin kreischt: „Ich kenn Sie! Sie sind die tolle Sex-Kolumnistin!“
Wer jetzt schnell mehr von ihr lesen möchte, klickt auf die Links. Suzette Oh hat nämlich bereits aussagekräftige Bücher veröffentlicht, als da wären ihr „Pussy Diary“ und ihre erotische Phantasien in Bezug auf das Erben eines Hauses. Bzw. ein Hotel der Lust.
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Illustration: Katharina Gschwendtner