Sex nach Stundenplan
Neulich klagte eine Freundin, dass sie und ihr Lover einfach keine Zeit für Sex finden würden. Wie bitte? Wer stundenlang mit Freundinnen telefonieren kann, ganze Abende irgendwelche roten Kleider auf Zalando stalkt oder bis zum Umfallen netflixt, will mir ernsthaft erzählen, sie hätte keine Zeit für die schönste Nebensache der Welt?!
Dennoch habe ich das schon öfter in meinem Freundinnenkreis gehört. Mitunter will sich im busy, durchgeplanten Alltag die Lust einfach nicht einstellen, die spontane Erotik initiiert. So wie am Anfang einer Beziehung oder Affäre, wo nichts wichtiger ist, als so schnell wie möglich aus den Klamotten rauszukommen. In jeder Verbindung gibt es irgendwann Abnutzung, auch beim Sex ist das nicht anders. In meiner letzten langen Beziehung ging es mir ähnlich. Ich dachte schon, das war’s jetzt mit der Erotik, als mir eine befreundete Sexualtherapeutin einen Supertipp gab: Sex nach Stundenplan.
Die Lust kommt beim Machen
Ja, ja, ich weiß. Klingt super abtörnend. Aber raten uns nicht auch irgendwelche Achtsamkeits-Coaches, für uns selbst Termine im Kalender einzutragen, an den wir uns nur um die eigenen Bedürfnisse kümmern? Wir machen uns Termine, um Freundinnen zu sehen, für den Pilateskurs und fürs Waxing. Termine für erotische Spiele einzutragen, hat die gleiche Funktion. Wenn wir so vom Alltag überwältigt werden, dass vieles von dem, was uns guttut, einfach hinten runterfällt, hilft Planung ungemein. Jedenfalls erzählte ich das auch meiner Freundin, die zunächst das Gesicht verzog.
Ein paar Wochen später trafen wir uns zum Lunch und kaum hatten wir bestellt, als sie schon lossprudelte. Ihr Lover und sie hatten den Freitagabend zu ihrem Sex-Date auserkoren. Die ersten Male fühlte es sich wohl noch etwas seltsam an, aber als sie sich erst mal darauf eingelassen hatten, fanden sie ihre Lust wieder. Meine Freundin zelebriert den Abend regelrecht, badet, zieht sich sexy Dessous und tolle Kleider an. Auch ihr Lover kommt frisch gestriegelt und im Anzug. Sie trinken Champagner, essen Austern, stimmen sich ein. Und durch den Termin haben sie auch wieder mehr Lust, sich ungeplant zwischendurch in den Federn zu wälzen.
Das Ding ist: Die Lust kommt beim Machen. So einfach ist das. Mit einem Date im Kalender springt das Kopfkino wieder an, die Lust, sich füreinander schönzumachen und die Freude aufeinander kommen zurück. Es ist auch gut, wenn man sich Zeit lässt und nicht nur einen Quickie zur Lunch-Hour in den Kalender einträgt. Als Ausnahme kann das ganz heiß sein, aber um überhaupt erst mal das erotische Feuer zu entfachen, braucht es ein bisschen Zeit.
Ausgiebig küssen kann so heiß sein
Als ich das damals bei meinem Freund einführte, verbrachten wir die ersten beiden Termine nur damit, uns wieder ausgiebig zu küssen. Gott, war das hot. Der Rest entwickelte sich ganz natürlich und egal, wie müde oder genervt vom Tag wir waren, unser Date hielt allem stand. Es ist ja dabei auch völlig ok, sich nur zu streicheln oder versaute Sachen ins Ohr zu flüstern. Sex hat ja viele Gesichter und nicht nur „wham bam thank you ma’am“, auch das vergessen wir mitunter. Regelmäßige Dates im Kalender bringen nämlich auch die Experimentierfreude zurück.
Letzte Woche rief mich meine Freundin an und erzählte mir, sie sei auf ihrer allerersten kinky Party gewesen und fand es toll. Bei einem ihrer Sex-Dates hatten sie und ihr Freund sich ihre geheimen Wünsche erzählt. Endlich hatte also auch die Kommunikation über Erotik ihren festen Platz. Denn die verstummt in den allermeisten Fällen in Beziehungen ziemlich schnell. Aber das ist noch mal ein anderes Thema.
Ich habe diese Woche gleich mal einen Termin im Kalender für den Liebhaber freigeräumt. Denn auch ich hatte zwischendurch vergessen, wie geil Sex nach Stundenplan sein kann.
Suzette Oh ist im besten Alter, um die richtige in Theorie und Praxis erfahrene Sexpertin für uns zu sein. Tatsächlich hört sie außerhalb der gedämmten Wände auf einen anderen Namen, möchte aber auch weiterhin die Bestellung für ihre Schwarzwälderkirschtorte zum Geburtstag aufgeben, ohne dass die Verkäuferin kreischt: „Ich kenn Sie! Sie sind die tolle Sex-Kolumnistin!“
Wer jetzt schnell mehr von ihr lesen möchte, klickt auf die Links. Suzette Oh hat nämlich bereits aussagekräftige Bücher veröffentlicht, als da wären ihr „Pussy Diary“ und ihre erotische Phantasien in Bezug auf das Erben eines Hauses. Bzw. ein Hotel der Lust.
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Illustration: Katharina Gschwendtner