Orgasmus-Mimimi
Kennt ihr das? Frau ist auf dem Weg zu einem sich überaus vielversprechend anfühlenden Höhepunkt. Doch wenn es dann soweit ist, scheint er sich einfach davonzuschleichen oder in sich zusammenzufallen wie ein misslungenes Baiser. Statt großer Befreiung der aufgestauten Lust sinkt man eher irritiert in die Kissen. Und bei der Nachfrage, ob es denn schön war, müsste die Antwort eigentlich heißen: Ja, aber …
Zum ersten Mal bemerkte ich die Veränderungen meiner Orgasmen mit Ende 40. Da zeigten sich die ersten Zeichen der Wechseljahre. Bei mir eher harmlos und easy zu handeln. Mit Ausnahme – genau – meiner Höhepunkte beim Sex. Mussten mir Partner*innen noch bis dahin fast ein Kissen aufs Gesicht halten, damit ich nicht die Nachbarschaft durch zu laute Erleichterungsgeräusche irritierte, verstummte ich plötzlich trotz heißem Ritt. Das fiel irgendwann dann auch meinen Gespiel*innen auf, die dafür gar nichts konnten. Im Prinzip lief alles top bis auf den Orgasmus. Wir versuchten alles: noch mehr Oralsex, Spucke, selbst Hand anlegen. Doch leider blieb ich weiter mehr oder minder im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Trockenen sitzen. Ich war total frustriert. Meine meist noch deutlich jüngeren Freundinnen schienen das Problem nicht zu haben, als ich nach ihren Erfahrungen fragte. Und die Frauen in meinem Alter wollten entweder nicht darüber sprechen oder hatten eh kaum noch Sex.
Geheimwaffe Gleitgel
Ich hatte aber nun gar keinen Bock darauf, mir meine Höhepunkte vermiesen zu lassen und mich mit der frustrierenden Situation abzufinden. Ich recherchierte, sprach mit meiner Frauenärztin, ohne dass sie einen Rat wusste. Ok, auch sie ist deutlich jünger und kannte das Phänomen offensichtlich noch nicht.
Irgendwann kam ich selbst auf den Trichter, denn ich merkte, dass ich trotz hoher Erregung manchmal nicht feucht genug wurde. Oder die Kondome einfach die wenige Feuchtigkeit wegrubbelten. Doch statt irgendwelche teuren Cremes in der Apotheke zu kaufen, griff ich einfach zu Gleitgel. Zunächst um besser mit den Gummis klarzukommen. Ich stellte aber als netten side effect schnell fest, dass dies die Lösung meines Orgasmus-Mimimi war. Hell yeah!
Dabei gibt es ein paar interessante Erkenntnisse, die ich gerne mit euch teile:
- Viel hilft viel: Je mehr Gleitgel ich nehme und wirklich die ganze Vulva großzügig einschmiere, desto intensiver sind die Höhepunkte. Nehme ich wenig, stottert auch der Orgasmus wieder vor sich hin. Auch wenn es das Personal in der Drogerie stutzig macht, ich kaufe mehr Gleitgel als andere Artikel.
- Oft nutzen: Natürlich kann jede Frau Gel einfach nur beim Sex einsetzen. Meine Empfehlung ist jedoch, auch zu schmieren, wenn ihr nicht akut in der Situation seid. Denn so bleiben die Schleimhäute automatisch feuchter und auch das intensiviert dann im konkreten Moment die Empfindungen. Wem Gleitgele für den täglichen Gebrauch zu schmierig sind, kann dann in der Tat auf Gele oder Cremes aus der Apotheke zurückgreifen. Seit ich täglich Gel benutze, sind meine Schleimhäute nicht mehr so trocken, was auch für die Entstehung der Lust eine nicht unerhebliche Rolle spielt.
- Super hot: Gleitgel ist nicht gleich Gleitgel. Inzwischen gibt es ja viele Varianten für das erotische Spiel. Und ich meine nicht unbedingt die mit Erdbeergeschmack – yuck. Ich bin ein großer Fan von Gleitgelen, die sich beim Auftragen auch noch erwärmen. Was übrigens auch der Lover mitbekommt und ihn mitunter ganz wuschig macht. Feuchtigkeit plus Wärme – und es gibt kein Halten mehr.
Neulich vertraute mir ein Freund auf einer weinseligen Veranstaltung an, dass er nach vielen Ehejahren immer noch scharf auf seine Frau sei, sie ihn aber in jüngster Zeit abwehrte. Sie habe Schmerzen beim Sex. Ich riet ihm dringend, einen großen Vorrat Gleitgel zu kaufen und natürlich anzuwenden. Zwischen den Jahren bekam ich eine SMS: „Dein Tipp war Gold wert, es läuft wieder – auch wenn es ein bisschen blöd klingt – wie geschmiert.“
Tadaa! Manchmal gibt es ganz einfache Lösungen für scheinbar unlösbare Probleme.
Ich bin jedenfalls wieder im Orgasmus-Himmel und habe vor, dort noch sehr lange zu verweilen.
Suzette Oh ist im besten Alter, um die richtige in Theorie und Praxis erfahrene Sexpertin für uns zu sein. Tatsächlich hört sie außerhalb der gedämmten Wände auf einen anderen Namen, möchte aber auch weiterhin die Bestellung für ihre Schwarzwälderkirschtorte zum Geburtstag aufgeben, ohne dass die Verkäuferin kreischt: „Ich kenn Sie! Sie sind die tolle Sex-Kolumnistin!“
Wer jetzt schnell mehr von ihr lesen möchte, klickt auf die Links. Suzette Oh hat nämlich bereits aussagekräftige Bücher veröffentlicht, als da wären ihr „Pussy Diary“ und ihre erotische Phantasien in Bezug auf das Erben eines Hauses. Bzw. ein Hotel der Lust.
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Illustration: Katharina Gschwendtner