Sylvia Heinleins Wochenjournal über die Stürme im Wasserglas des Alltags.
Diesmal: WOW!

Hier eine neue Bewegung, die ich sofort ausprobiert habe. Wobei „neu“ und „sofort“ es nicht hundertprozentig treffen, aber ich lebe zeitweise unter einem Stein und kann nicht alles sofort mitbekommen. „The Quantified Self“, also: die Anhänger*innen dieser Bewegung vermessen mit Apps und Sensoren ihr Sein und Tun (Bewegung, Ernährung, Blutdruck, Schlaf etc.), werten es aus und optimieren sich dann. Sehr uninteressant. Manche Self-Tracker allerdings führen ein Logbuch, in dem sie penibel sämtliche Geschehnisse ihrer Tage notieren. Das Ganze dient der Selbsterkenntnis und Reflexion. Da möchte ich dabei sein. Hier mein 17. Mai:
13.30 Frühstück im Garten und Zeitung gelesen, mich empört, beschlossen, das Abo zu kündigen, potenzielle Kolumnen-Themen notiert
15.00 120 laue Sit-ups gemacht, mich gewaschen und ein frisches, tagestaugliches Nachthemdchen angezogen
15.30 an den Laptop gesetzt, um mit der Arbeit zu beginnen
15.40 bisschen Wäsche erledigt
16.00 Telefonat mit der Schwägerin wegen des kranken Schwiegervaters
17.00 Telefonat mit der Freundin, Gratulation zum Geburtstag
17.15 WhatsApp-Nachrichten geschrieben
17.45 mit der Redaktion telefoniert
18.00 auf Instagram gedaddelt
18.30 gearbeitet (dabei etwa 10-mal Bubbles gespielt)
22.00 Abendbrot bereitet, auf dem Sofa gegessen und „The woman in the window“ und „Halston“ geguckt
01.00 Geschirrspülmaschine ausgeräumt, Postkartensammlung angesehen
02.00 schlafen gegangen
Wow! Und ich sage ausdrücklich noch einmal: Wow! Natürlich hätte ich auch ein Hochbeet anlegen können, das hätte in den Augen mancher Menschen etwas mehr hergemacht. Hochbeete sind der neue Hype, jedermann um mich herum bastelt sich ein Hochbeet. Auf einem Hochbeet wächst alles schneller und schöner. Meine Nachbarinnen lassen zudem den pH-Wert ihres Bodens messen und ergreifen dann Maßnahmen. Das würde ich auch gerne einmal tun, es steht seit etwa 20 Jahren auf meiner To-do-Liste. Aber dann gehe ich vor die Tür und sehe den Waldmeister blühen. So eine tapfere kleine Pflanze, sie schert sich nicht um Bodenwerte.
Zurück zum 17. Mai: Wow also, ich habe eine Menge Emotionen durchlebt, ich darf künftiger etwas weniger streng mit mir sein und Ihr, meine Luder, dürft das unbedingt auch. Lasst Euch nicht klauen und meldet Euch, wenn Ihr zuhause seid.