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Palais F*luxx

Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre

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Na Fein!

Sylvia Heinleins Wochenjournal über die Stürme im Wasserglas des Alltags.
Diesmal: Missverständliches

Wir wollten hier einen grumpigen, sein Altwerden nicht verknusen könnenden Autor zeigen, so was wie Martenstein, fanden eine kluge Frau abzubilden, aber die bessere Lösung

Wenn es Euch heute etwas zu trocken hier wird, meine Luder, dann holt einfach Eure Wasserspritzpistolen raus, okay?

Ein Exemplar der ZEIT kostet 5 Euro 90, für mich ist es das absolut wert. Ich finde in jeder Ausgabe einen Satz, manchmal auch nur einen halben oder ein einzelnes Wort, mit dem ich etwas sehr Gutes anfangen kann. Entweder verkaufe ich das Zeug als mein eigenes und verdiene Geld damit; oder ich spreche es privat aus und mache Eindruck. Regelmäßig inspirierte mich dabei auch Harald Martenstein, Kolumnist des ZEIT-Magazins. Dann wurde Martenstein aber irgendwie wunderlich, er hatte mit dem Älterwerden zu kämpfen, wurde wehleidig und auf eine unschöne Art angriffslustig gegenüber Personen und Einstellungen, die ich schätze. Aber man soll jedem seine Zeit geben, sich zu fangen. Ich las ihn einfach nicht mehr, jetzt hat er sich gut erholt und ist wieder in Form. „Das Schreiben“, schrieb er zuletzt, „hat nur Sinn, wenn man bereit ist, sich angreifbar zu machen, das heißt, ehrlich ist und Phrasen vermeidet.“ Das bringt mein Gefühl für meine Arbeit auf den Punkt und auch, dass der alte Fürst der Kolumnist*innen zugibt, wie oft er über seine Fehler und missverständlichen Formulierungen erschrickt. Jetzt zum Kern der Sache:

Vor einiger Zeit berichtete ich hier über junge, wilde Feministinnen und gestand, dass ich mit deren bissigem Elan leider nicht mehr mitkomme. Ich hatte damals den erschöpften Post einer Instagrammerin kommentiert, mich mit Zwinker-Smiley als Cis-Frau geoutet und deshalb wegen meines Lagerdenkens ordentlich eine geschallert bekommen. Okay, wenn es um eine gute Sache geht, lasse ich mich von kleinen Missverständnissen nicht erschüttern, also mischte ich mich neulich erneut ein und plädierte in einer (unter uns Betschwestern: reichlich verspannten) Diskussion für ein Löffelchen mehr Toleranz. Ungeschickterweise erwähnte ich nebenher mein Alter. Ganz (ganzganzganz!!!) doll böser Fehler! Es gäbe, wurde mir geantwortet, glücklicherweise andere Frauen meiner Generation, die auf solch respektlosen, überheblichen Adultismus verzichten würden. Adultismus, oha, das musste ich erstmal nachschlagen. Hier, meine wissbegierigen Luder: Adultismus meint Vorurteile und daraus folgend systematische Diskriminierung jüngerer Menschen, allein aufgrund ihres Alters. Ich hatte den Bogen jedenfalls offensichtlich stark überspannt, komplett ahnungslos und kein bisschen besser als der Kommentator vor mir. Er hatte behauptet, dass nur Männer Penisse haben. Kollege, wir beide sollten es wirklich besser wissen. 

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