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Palais F*luxx

Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre

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Na fein!

Sylvia Heinleins Wochenjournal über die Stürme im Wasserglas des Alltags. Diesmal: Die groben Blüten der Langeweile

Männern, denen nicht zu helfen ist, würden auch einen japanischen Hochzeitskimono für einen Haushaltskittel halten.

Was gibt es Langweiligeres als langweilige Menschen? Wenn meine Nachbarin mich im Garten erblickt, hechtet sie zum Zaun, um mir aus ihrem Leben zu berichten. „Hör mal!“, sagt sie, „Peter meint, er will unseren Weg neu machen. So immer eine Platte und dann Kies dazwischen. Kannst Dir das ja mal angucken, wenn‘s fertig ist. Ja, wir trinken jetzt erstmals ‘nen schönen Kaffee, richtig, oder?“ Was kann ich antworten? „Ich selber habe heute auch schon einen sehr schönen Kaffee getrunken. Meinen Gartenweg hingegen werde ich so lassen, wie er ist.“?

Die hohe Schule des Drögen

Kleiner Gedankensprung: Es ist eine gute Zeit, um einem Online-Club beizutreten. Einfach, weil das ein schönes Gefühl gibt, in diesen Zeiten. Wie ich vor Längerem hier schon einmal erwähnte, bin ich Fan des englischen „Dull Clubs“ , nun bin ich offizielles Mitglied geworden. „Dull“ bedeutet alles Mögliche, fade, dröge, langweilig und dergleichen. Der Sinn des Clubs besteht darin, sich gegenseitig mit möglichst unspannenden Fragen und Geschichten zu unterhalten. Kürzlich postete ein Mitglied ein Foto seiner offenen, nicht vollständig mit schmutzigem Geschirr beladenen Spülmaschine und berichtete von seinem Problem: „Ich stehe seit 20 Minuten am Geschirrspüler und frage mich, ob er voll genug ist, um ihn einzuschalten. Kann mich nicht entscheiden, habe das Geschirr bereits zweimal neu arrangiert.“ Das ist natürlich hohe Schule. Neulich habe ich mit Herzklopfen zum ersten Mal selber etwas im Club gepostet: „Gestern Nacht sechs Knäckebrote mit Honig auf Ziegenkäse gegessen. Überlege, heute Nacht das Gleiche mit Frischkäse zu probieren. Zu verrückt?“ Die Reaktionen gingen von „Absolut! Abstand nehmen!“ über „Einen Versuch ist es wert“ bis hin zu „Da sieht man, wohin es führt, Ziegenkäse zu essen“. Als Nächstes überlege ich, den Stand meines Wasserzählers zu posten.
Wer jetzt meint, dass er auf diesem Level nicht mithalten kann, dem möchte ich Mut zusprechen. Einfach mal ein bisschen wagemutig sein, beim nächsten Gespräch mit einer Freundin: „Gestern habe ich überlegt, einen Spaziergang zu machen. Aber dann war mir doch nicht danach und ich habe lieber meine Socken sortiert“ ist ein guter Anfang. Ich selber habe mit „vor einigen Jahren bin ich mal mit einer Kleinbahn durch einen Streichelzoo gefahren“ einiges an Freude schenken können.

Mein Morgenrock ist groß für Michis Horizont

Freude hoffe ich immer auch mit dem Anblick meines Morgenmantels zu bereiten. Als ich heute jedoch vor der Haustür in die Nachmittagssonne blinzelte, spazierte mein Nachbar Michi vorbei und rief „Was hast du denn da für‘n Kittel an?“ zu mir hin. Nun muss man wissen, dass Michi mit seiner steinalten Mutter zusammenlebt, um die er sich rührend kümmert. Die Mutter trägt geblümte Haushaltskittel, weil manch Hausfrau ihrer Generation das eben gerne tut. Mein knielanger, rosenholzfarbener Morgenrock ist ebenfalls geblümt, ansonsten aber ein feines, raffiniert geschnittenes Stöffchen. Ich sprang also sogleich zur Straße, um Michi zu zeigen, wie falsch er lag und ihm den Marsch zu blasen. Aber er blieb stur. „Nee“, sagte er, „nee, nee, das is‘n Kittel, da geh‘ ich nicht von ab.“
Das mag nun eine langweilige Geschichte sein, aber so ist das nun mal, ich habe mir den aktuellen Hype nicht ausgesucht.

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