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Palais F*luxx

Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre

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Na fein!

Sylvia Heinleins Wochenjournal über die Stürme im Wasserglas des Alltags. Diesmal: Auf der Suche nach Gesellschaft

Ach, die jungen Dinger! 30 Sekunden reichen vollkommen

Mein neuer Hula Hoop Reifen und ich hatten unsere ausgelassenen 30 Sekunden, aber irgendwann muss jeder Spaß sein Ende haben. Ich brauche aktuell in erster Linie tröstliche Gesellschaft. Deshalb an dieser Stelle ein letztes Mal einige Worte zum Aufenthalt in kalten Teichen und anderen Wassern. Man muss nur suchen, dann findet man auf Instagram reichlich badende Menschen in grandioser Landschaft. Die meisten Badenden gibt es in England und Schottland, sie sind bei Nebel und Regen in rauer See und den idyllischen Flüsschen der Highlands zugange. Es sind zumeist Frauen, sie tragen lustige Pudelmützen und sind insgesamt unprätentiös wie Eisbären. Die Toughsten von ihnen nennen sich „Scilly Bluetits“. Die blauen Titten der Scilly Inseln, also, das ist schon leidenschaftlich.

Bootsstege voller Entenpup

Ich selber steige von Entenpup eingedeckten Bootsstegen ins Wasser, sie sind das Einzige, was bei mir um die Ecke zu haben ist. Ich wusste vorher nicht, wie unglaublich groß Entenpup ist, ein reiner Wahnsinn. Manchmal poste auch ich etwas auf Instagram, mich im Kanal unter grauem Himmel eben. Die englischen Schwimmer*innen honorieren es dennoch, Zuspruch kommt auch aus Skandinavien, es ist eine verstreute, überaus freundliche Gemeinschaft. Jede*r kümmert sich in seinem Gewässer ums eigene Wohlergehen, alle freuen sich über das der anderen. Das hat natürlich auch etwas Hedonistisches, dachte ich neulich, und dass ich mich mehr fürs Gemeinwohl engagieren sollte.

Ich möchte Suppe mit Fleischklößchen bringen

Also habe ich mich etwas in die Befindlichkeit junger Feministinnen eingegroovt. Ich möchte sogar sagen: blutjunger Feministinnen. Sie sind, erfahre ich aus ihren Postings, oft sehr erschöpft; es hakt in der Gemeinschaft, die Kampflinien sind wirr und wenig geschlossen. Beim Lesen muss ich „Terfs“*, „Intersektionalität“** und „Ableismus“*** googeln und fühle mich reichlich hinterm Mond. Aber so gehört sich das bei ordentlichen Manifesten. Ich möchte jedenfalls stärkende Suppe mit Fleischklößchen und Käsekuchen bringen. Dann möchte ich noch sagen, wie es laufen muss, wenn man gewinnen will: „Fly like a butterfly, sting like a bee.“ Das ist von Muhammed Ali. Ich vermute aber, dass die Jungen das nicht hören wollen, Fleischklößchen wollen sie wahrscheinlich auch nicht.

Eine gemeinsame Zukunft von mir und meiner Kleidung ist ungewiss

Ansonsten stehe ich manchmal in Nachthemd und Fellpuschen vor meiner Kleiderstange und staune, was da so hängt. „Ja, ja, ihr Hasen“, sage ich, „hängt mal schön weiter ab, vielleicht trifft man sich mal wieder, vielleicht auch nicht, die Zukunft ist ungewiss.“ Später gehe ich in die Speisekammer und frage mich, was genau ich da wollte. Wahrscheinlich nur etwas Gesellschaft.

*TERF:  Trans-Exclusionary Radical Feminism („Trans-ausschließender radikaler Feminismus“). Bezeichnung für Feministinnen, die transgeschlechtliche Personen, insbesondere Transfrauen, ausschließen

**Intersektionalität: Mehrere diskriminierende Kategorien, wie z.B. Gender, Rasse und Klasse, überlagern sich.

***Ableismus: die Beurteilung von Menschen anhand ihrer körperlichen und / oder geistigen Fähigkeiten 



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