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Palais F*luxx

Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre

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F*luxx Galerie I Maria Gilges Familiensache

Die Familie, in die wir geboren wurden, lässt uns nicht los. Da können wir hingehen, wohin wir wollen. Wir können Tausende Kilometer zwischen uns bringen, Kontinente, Ozeane, Achttausender. Maria Gilges hat das gar nicht erst versucht. Im Gegenteil: Sie hat sich ihre Familie sozusagen auf den Tisch gelegt und sie minutiös bearbeitet. Die übermalten Fotografien der Künstlerin aus Düsseldorf haben Humor, sind fantasievoll und genussvoll unheimlich.


Eine Auswahl



Wie spürst Du im Prozess des Schaffens, dass Du mit einer Arbeit richtig liegst?
Wenn ich innere Fragen habe, mich etwas beschäftigt und ich keine Antwort darauf finde. Das ist dann wie eine Übertragung in die Malerei. Ich bin innerlich aufgeregt, umso mehr, je näher ich einer Lösung komme. Ich bin gespannt und auf Spurensuche. Das treibt mich an.

Wenn sich nicht das einstellt, was Dir vorschwebt, was machst Du dann?
Wenn ich nicht vorankomme, kann es passieren, dass ich eine Leinwand radikal übermale, also das Werk zerstöre. Heute arbeite ich mehr mit Fotografien, mache Collagen und Zeichnungen, da bin ich vorsichtiger. Ein einmal eingeschlagener Weg lässt sich schwerer korrigieren. Die Zeichnung oder Collage wandert dann erstmal in die Schublade für eine Zeit …abwarten und Zeit vergehen lassen.

Manche Künstler*innen sagen, ihre Arbeit sei körperlich anstrengend. Wie ist das bei Dir?
Bei mir ist es genau umgekehrt! Wenn ich aufgrund irgendwelcher Umstände nicht arbeiten kann, ist das wie negativer Stress, der sich körperlich bei mir auswirkt. Ich werde zunehmend ungenießbar, wenn ich zu lange nicht in mein Atelier komme. Deshalb ist meine Arbeit für mich sehr entspannend.

Du hast früher Fotos Deiner Herkunftsfamilie auf Leinwand übertragen und dann verfremdet. Jetzt übermalst Du Familienfotos, die Du zum Beispiel auf Flohmärkten finden. Warum?
An meiner Herkunftsfamilie habe ich mich abgearbeitet, das ist vorbei. Aber das Thema Familie reizt mich immer noch. Ich möchte die Situationen verändern. Dieses Starre, das in manchen Familienszenen steckt. Erst später ist mir aufgefallen, dass vor allem die Männer auf den Fotos dran glauben mussten. Die habe ich oft sehr stark übermalt.

In Deinen Fotoübermalungen zeigen sich oft Formen und Figuren, die an Insekten erinnern. Zufall? 
Seit ich Kind war, liebe ich Insekten. Käfer, Schmetterlinge, das sind schöne Tiere. Manche Menschen sehen das anders. Ihnen machen die spindeldürren Beine, die langen Fühler oder das Puppenhafte Angst. Vielleicht steht das Insektenhafte in meinen Zeichnungen für das Unheimliche. 

Es ist aber so: Wenn ich mit dem Zeichnen beginne, frage ich mich nicht, was entstehen soll. Ich mache einfach. Dann entsteht etwas, das mich überrascht und erst dann frage ich vielleicht: Warum taucht diese Form, diese Farbe jetzt auf? Gehe ich damit weiter? Oder nehme ich eine andere Ecke auf dem Foto vor? Das ist wie ein Spiel für mich.

Ich spiele mit dem Unheimlichen. Ich finde das spannend. Und es macht mir Spaß in die Welten einzutauchen, die vor mir entstehen. Es ist wie Meditieren.

Du hattest früher ein großes Atelier, jetzt arbeitest Du in der Wohnung, weil Du Dich um Deinen Mann kümmerst, der an Parkinson erkrankt ist. Wie hat sich Deine Arbeit verändert?
Eigentlich hat sich nicht nur meine Arbeit, sondern auch mein gesamtes Arbeiten verändert. Aufgrund des kleineren Raums konzentriert sich mein Schaffen auf das Übermalen von Fotos. Ich brauche also auch weniger Material und kaufe weniger ein. Alles also intimer und außerdem klimafreundlicher.

Gibt es in Bezug auf Deine Arbeit ein Versäumnis, das Du vielleicht bereust?
Ja, nicht früh genug mit meiner Kunst begonnen und manches nicht ausprobiert zu haben.

Hast Du eine Lieblingskünstlerin oder ein Lieblingswerk?
Nein, es gibt unendlich viele und immer wieder neue tolle Ausdrucksformen. Ich bin sehr neugierig.

Welche Künstlerin würdest Du gern treffen? Und worüber würdest Du mit ihr sprechen? 
Als ich anfing, Kunst zu machen, faszinierten mich zum Beispiel Paula Modersohn und Marlene Dumas. Bei Paula Modersohn beeindruckt mich, dass sie überhaupt gemalt hat.   Für eine bürgerliche Tochter war es in ihrer Zeit nicht vorgesehen, dass sie ihr Ding macht. Ihre kraftvollen, einfachen, elementaren Menschenbildnisse faszinieren mich bis heute.

Wenn ich sie träfe, würde ich mir von ihr ihr Atelier zeigen lassen und mit ihr arbeiten. Ein Gespräch entstünde von selbst.

Wenn Du keine Künstlerin wärst, was wärst Du dann?
In meiner Jugend wollte ich Töpferin werden, es gab aber keine Ausbildungsplätze. Vielleicht wäre ich Kostümschneiderin am Theater. Ich arbeite gern mit schönen Stoffen und habe mir als junge alleinerziehende Frau mit wenig Geld viel selbst genäht.

Welche Frage haben wir nicht gestellt, die Du aber wichtig findest?
Wie war Dein Weg zur Kunst?

Wie lautet Deine Antwort?
Steinig. Ich musste mich emanzipieren und innere und äußere Blockaden abräumen. Vielleicht aber ist das genau die Aufgabe der Kunst.

Maria Gilges – Website, Instagram, Ausstellungen
Maria Gilges lebt in Düsseldorf. Weitere Fotoübermalungen, Zeichnungen, Collagen und Objekte findet ihr auf Marias Webseite oder auf Instagram.
Vom 10. März bis 14. April 2024 sind ihre Arbeiten im Kulturforum Alte Post / Städtische Galerie in Neuss zu sehen. Und im August 2024 folgt eine Ausstellung im Kunst im Hafen Düsseldorf-Reisholz.

Kuratorin unserer Palast-Galerie ist Anette Frisch, sie hat auch das Interview geführt

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