Close

Palais F*luxx

Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre

Close

Es befinden sich keine Produkte im Warenkorb.

Macht doch, was ihr wollt!

Jeden zweiten Mittwoch stellen wir Euch eine Frau vor, die ihr Leben umgekrempelt hat oder mittendrin ist in der Veränderung

Heute: Ines Witka

Sie schreibt gern schamlose Texte, beherrscht das „Theater der Lust” und inszeniert sich kurzerhand in der Ausstellung von Tobias Rehberger: Ines Witka
Foto:privat

Schon mal was von Oral Sex Gap gehört? Nur eine von vielen Ungleichheiten zwischen Mann und Frau, die Ines Witka kolossal nerven und die sie in ihren feministisch-erotischen Romanen verarbeitet. Dabei lässt sie ihrer Fantasie freien Lauf, bricht lustvoll Tabus und setzt zu ihren Lesungen gern ein keckes Vulva-Hütchen auf.

Name: Ines Witka
Alter: 62
Beruf: Autorin, Dozentin in der Erwachsenenbildung
Wohnt in: Stuttgart
Motto: Das Leben ist zu kurz für langweiligen Sex.

Was treibt Dich an?
Feminismus und Sexualität sind meine Kernthemen. Damit beschäftige ich mich, seitdem ich zwanzig bin. Das zeigt sich sowohl in meinen Büchern als auch in meinen Kursen an verschiedenen Frauenakademien (ein Frauenstudiengang ohne formale Voraussetzungen innerhalb der VHS) in Baden-Württemberg. Mein Fokus ist dabei auf die Lebenswirklichkeit von Frauen gerichtet.

Klingt interessant. Was sind das für konkrete Inhalte?

In einem Baustein zeige ich Beispiele für sexistische Werbung, in einem anderen stelle ich die historische Frauenbewegung und aktuelle feministische Diskurse vor. Dabei zeige ich geschlechtsspezifische Ungleichheiten auf wirtschaftlicher, rechtlicher und sexueller Ebene auf. Ja, genau: Es gibt nicht nur den Gender Pay Gap, sondern auch den Oral Sex Gap. Frauen empfangen weniger Oralsex als Männer, obwohl sie ihn lieben. Diesem Umstand habe ich eine Szene in meinem Buch „Theater der Lust – Rausch“ gewidmet. So greifen Autorenschaft und Lehrtätigkeit ineinander. Die Recherchen für die Kurse helfen mir bei den Inhalten meiner Bücher und umgekehrt.

Was beschäftigt Dich zurzeit am meisten?

Die Zunahme von konservativen Regierungen an der Macht. Das bedeutet für das Selbstbestimmungsrecht der Frau meist nichts Gutes, siehe Ungarn, Polen und erst neulich das Urteil des Supreme Courts in den USA. Wir Frauen sollten wachsam bleiben und nicht glauben, dass Gleichberechtigung und das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper etwas Selbstverständliches sind.

War dies von Anfang an Deine berufliche Ausrichtung?

Nein, dies hat sich alles erst nach verschiedenen Neustarts herausgebildet. Eigentlich wollte ich schon als Kind Schriftstellerin werden. Doch aus einem nicht akademischen Haushalt stammend, war mir kein Weg bekannt, wie ich das hätte werden können. Also studierte ich Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Verlag. Ein Studium, das mit der Herstellung von Büchern zu tun hat. Danach vermittelte ich in Verlagen die damals brandneue IT-Technologie, um am Computer die Layouts von Broschüren, Büchern und Magazinen zu erstellen.

Wie kam es zum ersten Neustart?

Nach der Geburt meiner zwei Kinder: Ich lehrte nicht mehr das Erstellen von Printprodukten, sondern produzierte sie. Das ließ sich besser mit der Mutterrolle vereinbaren. Ich lebte das Modell „Mann ist Hauptverdiener und Frau arbeitet in Teilzeit”. Als ich um die Vierzig war, trennten wir uns.

Wie ging es für Dich weiter?

Die Werbeagentur, für die ich hauptsächlich arbeitete, gab mir zu verstehen, dass sie zunehmend auf jüngere Freelancer setzen wird. Da war ich schon um die Fünfzig.

Kurzentschlossen bewarb ich mich zum Masterstudium Kreatives und Biografisches Schreiben an der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin.

Seitdem gebe ich Schreibkurse zum erotischen, kreativen und biografischen Schreiben. Es macht mir große Freude, den Texten der Teilnehmer*innen zu lauschen, die nach Schreibimpulsen entstehen. Danach fühle ich mich beschenkt, jedes Mal. Doch so viele Menschen möchten gar nicht das Handwerk des Schreibens lernen. Also erweiterte ich mein Themenspektrum um alles, was mich interessierte, von der wertschätzenden Kommunikation bis zur Geschichte der Frauenbewegung.

Wie bist Du dann doch noch Schriftstellerin geworden?

Wer die Bücher in der Reihe ihrer Veröffentlichung betrachtet, erkennt, wie das eine zum anderen führte. „Stell dir vor, ich bin deine heimliche Geliebte – der Reiz des Escort Service“ war ein Interviewbuch. Über eine der Frauen erfuhr ich von Masken-Partys, auf die sie einen Herrn begleitete. Ich war geschieden, hatte einen neuen Freund und ja klar war es spannend, so eine Party selbst zu besuchen. Darüber musste ich unbedingt ein Buch schreiben. So entstand „Die Nacht der Masken“. Als meine beiden Kinder sich die Frage stellten, welches Partnerschaftsmodell sie wohl später leben werden, wenn sie selbst Eltern würden, schrieb ich für sie und für alle jungen Menschen das Buch „Eine Familie macht Karriere – gleichberechtigt Beruf, Kinder und die Liebe vereinen“.

Nach dem Studium zum Kreativen Schreiben stellte ich fest, dass es keinen Schreibratgeber zum Erotischen Schreiben gab, also habe ich ihn geschrieben: „Dirty Writing – Vom Schreiben schamloser Texte – Ein Übungs- und Inspirationsbuch“.

Parallel dazu veröffentlichte ich erotische Kurzgeschichten, die in verschiedenen Anthologien erschienen. Erst dann wagte ich mich an die lange Form des Romans. Zuletzt erschienen ist die Trilogie „Theater der Lust“ mit den Bänden MUT, RAUSCH und MAGIE.

Wie gehen Deine feministischen Themen mit dem Genre Erotik zusammen?

Ich bezeichne sie frech als feministische erotische Romane. Der Umgang mit Sexualität innerhalb einer Gesellschaft sagt immer etwas über das Verhältnis der Geschlechter zueinander aus. Gesellschaftspolitik und Sex, das gehört zusammen. Somit sind meine Romane eine Auseinandersetzung mit den aktuellen Verhältnissen und wie sie unsere Sexualität bestimmen. Aber es geht in meinen Büchern nicht nur um Feminismus und die Befreiung der weiblichen Sexualität, sondern auch um Erotik. Die Leser*innen können sich einfach von dem Geschehen erregen lassen.

Auf was kannst Du locker verzichten?
Schönheits-Chirurgie im Intimbereich. Ist das nicht absurd? Feministinnen, Künstler*innen und viele andere Gruppen engagieren sich für mehr Sichtbarkeit und Wertschätzung des weiblichen Geschlechts, feiern die Vielfalt und dass jede Frau eine einzigartige Vulva hat. Deshalb trage ich bei meinen Lesungen ein zauberhaftes Vulva-Hütchen. Das ist immer ein Hingucker. Darauf werde ich auch von jungen Frauen angesprochen, sogar spontan umarmt und geküsst. Kaum erblickten die Vulven das Tageslicht, definierte die Schönheits-Chirurgie eine Norm, verspricht in ihren Prospekten ein harmonisches Gesamtbild und verkauft es unter dem Label „Für eine unbeschwerte Sexualität“. Das macht mich ziemlich wütend. 

Wenn Du einen Wunsch frei hättest, welcher wäre das?

Ich wünsche mir, dass Frauen ihre eigene Sexualität erforschen, ausleben und lustvoll genießen, ohne diesen Druck, ständig der gewünschten Norm entsprechen zu müssen. 

Vielen Dank!

Das Interview führte Gerlind Hector, die nach drei Dammschnitten auch schon mal von Chirurgie im weiblichen Intimbereich gehört hat. Aber dass Frauen nun auch untenrum einem normierten Schönheitsideal entsprechen sollen, findet sie unerhört. Denn merke: Der weibliche Körper ist ein Wunderwerk. Also ehret und lobpreiset ihn – und steckt Euch Skalpell und Silikon gern an Euer Vulva- oder Pimmel-Hütchen … wenn Ihr Euch traut.

www.ineswitka.de/
www.instagram.com/ineswitka/
www.facebook.com/Autorin.InesWitka/

Wenn Du auch Lust hast, uns von Deiner Neuaufstellung zu erzählen und ein tolles Foto von Dir hast, schreib eine MAIL

Close