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Palais F*luxx

Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre

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Macht doch, was ihr wollt!

Jeden zweiten Mittwoch stellen wir Euch eine Frau vor, die ihr Leben umgekrempelt hat
oder mittendrin ist in der Veränderung

Heute: Alex und Mascha

Raus aus der Schmuddelecke, rein in die Boutique Erotique: Mascha & Alex
Foto: Timo Kabel


Schon mal von Tante Mitzi oder Daisy Hill gehört? Nein? Dann frag doch Alex und Mascha. Gemeinsam haben die beiden „Frau Blum“ eröffnet, eine Boutique Erotique mitten in Stuttgart, die sexpositive Sinnlichkeit statt Schmuddelkram zelebriert. Heilig’s Blechle? Nö, dafür jede Menge Toys, Workshops und Lesungen für Orgasmic Women – und Men.

Name: Alexandra Steinmann
Alter: 55 Jahre
Beruf: Inhaberin von FRAU BLUM – Boutique Erotique
Wohnt in: Esslingen
Motto: Make love not war!

Name: Mascha Hülsewig
Alter: 56 Jahre
Beruf: Inhaberin von FRAU BLUM – Boutique Erotique
Wohnt in: Esslingen
Motto: Lebe im Hier und Jetzt!

Alexandra und Mascha, Ihr seid die Premieren-Gäste unseres ersten Doppel-Interviews. Denn Euch verbindet eine gemeinsame Geschäftsidee. Worum geht’s?
Mascha: Wir saßen vor gut zehn Jahren bei Alex im Garten, waren beide so Mitte 40 und hatten gutsituierte Jobs (Alex in der Touristik, Mascha am Theater). Wir überlegten, welche Wünsche wir offen hatten und was wir noch gern realisieren wollten. Da uns Sexualität und Erotik schon immer begleitet haben, beschlossen wir, uns diesem Bereich zu widmen. Hinzu kam, dass es in Stuttgart und Umgebung kein einziges sexpositives und einladendes Geschäft gab. Also eine Boutique, in der sich Frauen und Männer gleichermaßen wohl und angesprochen fühlen. Diese Idee hat uns so begeistert, dass wir uns gleich in die Recherche stürzten, Kontakte knüpften, Hersteller besuchten und auf Messen gingen … Wir haben unsere soliden Jobs gekündigt und uns ganz und gar diesem Projekt verschrieben. Damals waren wir Mitte 40, Wechseljahre Hallo! Eine Chance, glauben wir, genau in dieser Zeit das Leben zu überdenken und einen Neustart zu wagen! Im März 2014 war es dann soweit und wir feierten eine rauschende Eröffnungsparty mit Burlesque-Show, Torte und DJ!

Klingt cool. Was unterscheidet Eure Boutique von anderen Sexshops?
Alex: Viele, die zum ersten Mal zu uns kommen, sagen: „Oh, ist es schön bei Euch!“ Ja, es ist hell und freundlich bei uns und auf den ersten Blick sieht man gar nicht, dass FRAU BLUM ein „Sexshop“ ist. Sie könnte auch ein Schmuckladen mit vielen bunten Accessoires sein. Die farbenfrohen Toys sind in beleuchteten Weinkisten arrangiert und können angefasst werden. So macht man sich ein Bild, wie die Haptik ist und wie sie brummen und surren. In unserer Bücherecke stehen zwei Sessel und man kann sich ganz gemütlich niederlassen und schmökern. Zudem bieten wir noch sexuelle Bildung an, wie Vorträge, Workshops und frivole Unterhaltung. Das ist sehr bereichernd, denn guten Sex kann man lernen. Unser Anliegen ist es, Sexualität und Erotik ihren angemessenen Platz zu geben, sie in die Mitte der Gesellschaft zu holen. FRAU BLUM ist wie unser eigenes Wohnzimmer.

Gerade weibliche Sexualität wird immer noch gern tabuisiert. Was muss sich Eurer Meinung nach ändern?
Mascha: Es ist so wichtig, dass gerade wir Frauen uns um unsere Sexualität kümmern und Verantwortung übernehmen. Dass wir wissen, wie wir aussehen, uns ausprobieren und herausfinden, was wir mögen und was nicht. Wir sollten dazu beitragen, unsere Lust zu erobern und sie nicht aus den Händen geben. Kommunikation spielt dabei eine große Rolle. Unsere Partner*innen können nur schwerlich ahnen, was uns Spaß macht. Männer haben es ein wenig einfacher in unserer Gesellschaft; sie können ihre Sexualität freier leben, ohne gleich eine „Schlampe“ zu sein. Ungeheuerlich, wie sich das Schlampen-Thema so hartnäckig bis heute hält.

Wie war Euer tatsächlicher beruflicher Werdegang?
Alex: Nach der Schule habe ich einige Zeit in Griechenland gelebt. Als ich zurückkam, habe ich mich in der Touristik etabliert, war über 20 Jahre lang selbstständige Shop-Leiterin eines großen Reiseunternehmens in der Stuttgarter Innenstadt und am Flughafen. Ich war also meine eigene Chefin, habe gut verdient, hatte jedoch auch viel Stress und wenig Zeit für mich und die Kinder. Ich habe mich nach mehr Lebensqualität gesehnt.
Mascha: Ich habe in Rom an der Kunstakademie studiert. Als ich wieder nach Stuttgart zog, habe ich 18 Jahre lang als Pressesprecherin an einem Stuttgarter Theater gearbeitet. Ein schöner Job, bei dem ich mit so vielen ungewöhnlichen und kreativen Menschen zu tun hatte. Ich war damals alleinerziehend und das feste monatliche Gehalt gab mir Sicherheit. Als mein Sohn groß war, hatte ich den Impuls, nochmal etwas ganz anderes zu machen, nochmal was zu wagen.

Wechseljahre gleich Krisenjahre? Was glaubt Ihr?
Alex: FRAU BLUM ist ja aus einer Art „Krise“ entstanden – im positiven Sinne. Gerade die Zeit der Wechseljahre verstehen wir auch als „Wandeljahre“. Also eine große Chance, Neues zu beginnen, Gewohntes zu hinterfragen und nach sich zu schauen. Was sind denn noch Wünsche, die ich gerne erfüllen würde? Wo sind meine Bedürfnisse die ganzen letzten Jahre geblieben? Kann ich eine Sexualität leben, die mich wirklich nährt, die mich ganz tief berührt, in der ich Innigkeit und Nähe spüre? Das waren unsere Gedanken und wir haben gedacht: Wir machen das einfach! Wir krempeln unsere Leben um und lassen uns von diesem Impuls leiten. Wir stellen auch fest, dass es ganz vielen Frauen in den Wechseljahren so geht …

Sexuelle Bildung – angeboren oder lernbar?
Mascha: Lernbar! Angeboren ist – wie übrigens bei allen Tieren – der Trieb zur Fortpflanzung. Und das ist überhaupt kein Garant für guten Sex. Manche sind darin einfach talentierter und manche weniger. Aber lernen können wir es alle! Es liegt also nahe, sich auch in Sachen Sex weiterzubilden. Das Tolle daran ist, dass wir in diesem Bereich nie auslernen. Sexualität und die Bedürfnisse verändern sich im Laufe eines Lebens. Wenn wir älter werden, sind wir erfahrener, wissen schon mehr über das, was wir mögen und was nicht – ein großer Vorteil. Der Genuss liegt dann vielleicht mehr im Vordergrund und die Erkenntnis, dass wir Anspruch auf mehr Kultur in unserer individuellen Sexualität haben. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt! Hinzu kommt, dass eine neue Zweisamkeit entsteht, wenn die Kinder aus dem Haus gehen. Eine große Chance für die Partnerschaft, sich neu zu erfinden und einen erfüllten Weg gemeinsam zu beschreiten.

Was hat Euch zu dem gemacht, was Ihr seid?
Mascha: Ich denke, es ist die Summe an Erfahrungen, die wir im Leben machen. Letztendlich sind es alles Aufgaben – vor allem die Krisen –, an denen wir wachsen können. Wir entscheiden, ob wir gestärkt und mit neuen Erkenntnissen daraus hervorgehen oder ob wir verbittern und die Schuld bei den anderen suchen. Was uns auch ausmacht, sind unsere Familiengeschichte und das System, in dem wir aufwachsen. So werden wir sozialisiert, lernen schon im frühkindlichen Stadium Verhaltensmuster und Strategien, um mit bestimmten Situationen zurechtzukommen.

Was inspiriert Euch?
Alex:
Wir lernen so viele interessante Menschen über unsere Arbeit kennen und das ist unheimlich bereichernd und inspirierend. Die verschiedenen Referenten, die bei uns Vorträge und Workshops halten, leben eine selbstbestimmte Sexualität, sind achtsam und setzen sich mit ihren eigenen Bedürfnissen auseinander. Und da wird es richtig spannend. Man fühlt sich einfach wohl mit ihnen, wird gesehen und so angenommen, wie man ist. Sexualität reduziert sich nicht nur auf den sexuellen Akt, sondern betrifft unser ganzes Sein. Und wenn wir diesbezüglich wirklich befriedigt sind, werden wir glücklichere Menschen sein, davon sind wir überzeugt! Und nicht nur das, wir sind dann auch weniger aggressiv und gewalttätig. Unsere Arbeit ist also auch ein Stück weit Friedensarbeit.

Wenn Ihr eine Superkraft wählen könntet, welche wäre das?
Mascha: Zwischen den Geschlechtern switchen zu können, das wäre was! Also spüren, wie sich z. B. ein Penis anfühlt, wie es ist, in jemanden einzudringen. Und dann könnte man auch die Toys für Männer ausprobieren, die ganzen Taschenmuschis mit und ohne Motor.
Alex: Wir sind da immer auf die Erfahrungsberichte unserer Testmänner angewiesen. Die Spielsachen für Frauen probieren wir ja selbst aus und diskutieren sie. Das ist immer sehr lustig, denn was der einen gefällt, findet die andere vielleicht nicht so prickelnd.

Vielen Dank!

Das Interview führte Gerlind Hector, die bislang noch keinen Schritt in einen Sex-Shop gesetzt hat. Dass sie bei „FRAU BLUM“ zunächst an Hape Kerkelings Alter Ego als Schlagerdiva dachte, bittet sie zu entschuldigen. Trotzdem schließt sich der Kreis: Denn wer bei Uschi Blums „Sklavin der Liebe” nicht an Bondage-Tapes, Ball Gags und Bambus-Peitschen denkt, ist selbst schuld. Der nächste Trip geht also nach Stuttgart – versprochen!

Hier geht’s zu Frau Blum
fraublum.de



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