Jeden zweiten Mittwoch stellen wir Euch eine Frau vor, die ihr Leben umkrempelt
oder sonst etwas tut, auf das sie gerade Lust hat
Heute: Babette Schröder
Auf Filmbällen mit Champagner-Glas rumstehen und nerviges Socializing betreiben? Sie weiß was Besseres: Babette Schröder. Foto: Anne Oschatz
Friseurin oder Germanistin? Babette Schröder aus Hamburg entschied sich nach dem Abi für Letzteres, ohne zu wissen, wohin das führt. Mühsam arbeitete sie sich zur Filmproduzentin hoch, um auf dem Zenit ihres Erfolges festzustellen, dass sie eigentlich keine Lust auf Stress und Strapazen hat. Also hat sie umgeswitcht und arbeitet heute von überall auf der Welt; am liebsten mit Blick aufs Meer …
Name: Babette Schröder
Alter: 55
Beruf: Literaturübersetzerin
Wohnt in: Hamburg
Motto: Alles hat seine Zeit.
Was beschäftigt Dich zurzeit am meisten?
Die Veränderung durch Digitalisierung und KI. Ich finde es zum Teil beunruhigend, aber auch spannend, wie sich auch meine Arbeit als Übersetzerin und überhaupt die Buchbranche dadurch verändert. Dass der Bereich Self-Publishing beispielsweise immer weiterwächst, finde ich interessant. Ich habe inzwischen schon einige Bücher von und für englischsprachige Autorinnen übersetzt, die mich direkt beauftragt haben, ohne dass ein Verlag dazwischengeschaltet war. Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten.
Welchen Beruf wolltest Du als Kind ergreifen?
Ich wollte Friseurin werden. Wenn mir als Kind die Haare geschnitten werden sollten, habe ich zwar so geschrien, dass man mir kurzerhand im Keller des Salons eine Frisur verpasste. Aber Toupieren, Hochstecken, all das bei anderen zu tun, fand ich toll – meinen Puppen habe ich auch die Haare geschnitten. Am liebsten habe ich aber am lebenden Objekt gearbeitet, zum Beispiel an den Freundinnen meiner älteren Brüder. Da musste ich mich leider aufs Toupieren beschränken.
Dein tatsächlicher beruflicher Werdegang?
Ich habe Germanistik studiert, wollte aber eigentlich immer wissen, wie Filme entstehen. Die Produktion hat mich interessiert – Drehbücher zu entwickeln, das Casting, die ganze Organisation. Nach dem Studium arbeitete ich mich dann über Praktika zur Produktionsassistentin und zur Producerin hoch. Schließlich habe ich mich mit einer Kollegin selbstständig gemacht und Spielfilme produziert. Mit viel Leidenschaft und Herzblut. Das war eine wunderbare Zeit, aber auch anstrengend. Irgendwann hatten wir das Gefühl, es könnte vielleicht noch etwas anderes im Leben geben als Filme. Schließlich haben wir uns entschieden, beide noch mal was anderes zu machen. Man könnte sagen, dass wir damals gerade den Durchbruch geschafft und Erfolg hatten. Darum stieß unsere Entscheidung hie und da auf Unverständnis, aber ich habe es bis heute nicht bereut.
Wie sah Dein Job-Neuanfang aus?
Nachdem wir die Firma haben ruhen lassen, musste ich noch einmal komplett neu anfangen. Das hat mich damals ziemlich gestresst. Ich wusste zunächst gar nicht, was ich machen könnte. Nach der Unsicherheit als Selbstständige träumte ich von einer Festanstellung. Wochenlang studierte ich die Stellenanzeigen auf der Website von Gruner & Jahr, weil ich mir irgendwie einbildete, dort zu arbeiten müsse paradiesisch sein. Daran musste ich letztes Jahr noch mal denken, als dort der große Kahlschlag stattfand. Zum Glück habe ich damals ein Coaching gemacht. Dort entstand die Idee, mich mit Leuten zu treffen, die beruflich etwas machten, was mich interessierte. So kam ich schließlich über einen Freund zum Übersetzen. Außerdem habe ich noch eine Ausbildung zum Systemischen Coach gemacht. Einige Jahre habe ich übersetzt und parallel dazu als Coach gearbeitet. Da das Übersetzen mich aber sehr erfüllt und gut läuft, ist das Coaching in letzter Zeit in den Hintergrund getreten. Wer weiß, vielleicht dreht sich das ja auch noch mal wieder um, sollte die KI uns Übersetzer*innen irgendwann überflüssig machen. Wer weiß?
Dein schlimmster Misserfolg?
Ich bin ein sehr positiv denkender Mensch. Von daher deute ich auch Sachen, die schiefgelaufen sind, hinterher so, dass ich sie eigentlich nicht als Misserfolg bezeichnen würde. Für irgendwas war auch ein Riesenflop immer gut und dadurch ist es dann in meinen Augen schon kein echter Flop mehr.
Wie empfindest Du Deine derzeitige Lebensphase?
Als sehr schön. Ich habe das Gefühl, insgesamt entspannter zu sein. Ich weiß besser als früher, was ich will und was ich nicht will, und ich handele auch danach. Meine Arbeit ermöglicht mir den großen Luxus, dass ich arbeiten kann, wo ich will. Das habe ich bislang kaum genutzt. Doch jetzt habe ich mir schon zum zweiten Mal für vier Wochen eine kleine Wohnung in Südfrankreich gemietet, um dort zu arbeiten. Das war eine wunderbare Erfahrung.
Wie oder womit tankst Du am besten auf?
Beim Laufen. Ich habe vor 15 Jahren damit angefangen und mich von „eine Minute laufen, eine Minute gehen“ zu einer Alsterrunde und schließlich zum ersten Halbmarathon hochgearbeitet. Über Jahre bin ich immer nur um die Alster gelaufen. 2019 habe ich dann zum ersten Mal den Marathon in Hamburg mitgemacht. Ich hatte mich in Hamburg mit einer Gruppe vom Laufwerk vorbereitet, was super war. So war der Marathon eine tolle Erfahrung und seitdem hat es mich richtig gepackt. Laufen ist inzwischen meine Leidenschaft und ganz wichtig für meine Seele. Jetzt laufe ich überall in der Stadt und wenn ich woanders bin, mache ich es auch da. Vor kurzem war ich ein Wochenende in Paris und bin dort einen Morgen durch die Tuilerien zum Triumphbogen gelaufen. Herrlich! Nach einem langen Lauf am Sonntag bin ich einfach rundum glücklich.
Hast Du Vorbilder?
Annemarie Dose, die Gründerin der Tafel. Sie hat gesehen: Da fehlt was, da ist was zu viel – da muss man doch was machen. Und das hat sie dann getan. Das finde ich sehr beeindruckend. Ich versuche, eher privat Menschen zu unterstützen, wenn ich kann. Aber so eine Idee zu haben und das dann durchzuziehen – das muss toll sein.
Wenn Du eine Superkraft wählen könntest; welche wäre das?
Ich würde mich zu gern beamen können. Eine enge Freundin von mir lebt in Stockholm. Wie schön wäre es, sich für einen Nachmittag dorthin beamen zu können, mit ihr einen Kaffee zu trinken und abends wieder zu Hause zu sein. Oder ich würde mich für einen Tag in die Dolomiten beamen und dort eine Wanderung machen. Den anderen Tag dann nach Südfrankreich ans Meer und, und, und …
Vielen Dank!
Das Interview führte Gerlind Hector, die im Gespräch gleich mehrere Gemeinsamkeiten mit Babette entdecken durfte: Sie läuft ebenfalls gern, weil‘s der Seele guttut, und würde sich auch irre gern nach Südfrankreich beamen können. Und Traumberuf Friseurin? Na, hallo! Gerlinds Puppen und Barbies haben in den 1970ern alle ein und denselben Haarschnitt verpasst bekommen: die Mary-Roos-Frise. Wer erinnert sich bitte nicht an diesen herrlich kurzen Stufenschnitt mit seitlich geföhntem Pony!? Ich sage nur „Grand Prix d’Eurovision de la Chanson 1972”: „Nur die Liebe lässt uns leben …”
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