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Palais F*luxx

Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre

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Grüße aus der Welt

… von Andrea Eimke aus L’Ametlla

L’Ametlla
©Andrea Eimke

Angekommen

Seit 2015 lebe ich in Spanien, genau genommen in Katalonien. Ich hatte die Wohnung in Terrassa mit dem Gedanken an meinen Mann und auf seine besonderen Lebensumstände gesucht. Wir wollten unseren Lebensabend in Spanien verbringen. Da er kein Spanisch sprach, war es gut für ihn, in die Heimatstadt meiner Deutsch sprechenden Freunde zu ziehen, die seit meinem achten Lebensjahr meine „spanische Familie” für mich sind. Mein Mann war bereits sterbenskrank und starb kurz vor dem Umzug nach Spanien. Instinktiv wusste ich beim Einzug, dass diese kalte Erdgeschosswohnung, deren Fenster nach Norden zeigten, nur eine Zwischenstation sein würde.

Ich fand neue Freunde in Terrassa. Ich lernte, nicht zuletzt dank ihnen, diese Stadt in der Nähe von Barcelona zu lieben. Vor allem liebte ich meine neue Unabhängigkeit und wollte sie nicht mehr hergeben. Ich fand und liebte bald auch einen neuen Lebenspartner. Aber nach fast einem Jahr der Zweisamkeit durch den Lockdown in seiner Heimatstadt Tortosa fand ich es doof, dreieinhalb Stunden mit dem Zug hin- und herzupendeln. Plötzlich fielen mir die Gitter vor den Fenstern meiner Wohnung auf und dass ihr die Sonne fehlte. Ich hätte natürlich zu ihm nach Tortosa ziehen können. Ihm hätte das sehr gefallen. Doch ich wollte ein eigenes Zuhause behalten, denn manchmal brauche ich die „Sweet solitude”.

Eines Morgens wachte ich auf und begriff, dass ich frei war, mir eine andere Wohnung zu suchen. Ich wollte wieder am Meer leben, so wie in den 31 Jahren vor meinem Umzug nach Spanien. So schön die Landschaft im Inneren des Landes auch ist mit Blick auf Berge und Täler, mir fehlte das Wasser.
Mein Freund half mir suchen. Wir fuhren zusammen die Goldküste Spaniens entlang. Bald hatte mich ein Fischerdorf bezaubert, das nur 30 Minuten von Tortosa entfernt liegt. L’Ametlla de Mar oder, wie der Name früher einmal lautete, Cala de l’Ametlla, die mandelförmige)Bucht. Es ist eines der wenigen Küstendörfer im Süden Kataloniens, das noch nicht ganz dem Tourismus zum Opfer gefallen ist. Es lebt vom Fischfang. Hier gibt es noch Fischer, die täglich mit ihren kleinen Booten aufs Meer hinausfahren.

Bei der Wohnungssuche stach mir eine Anzeige besonders ins Auge. Ich wollte sie zunächst gar nicht genau lesen, da ich annahm, dass ich mir diese Wohnung eh nicht leisten könne. Aber meine Neugier war stärker, und ich hatte richtig vermutet. Die Wohnung war genau das, was ich mir erträumt habe. Sie lag zwar preislich an meiner Schmerzgrenze, aber egal wie, ich wollte sie einfach haben. Sie liegt auf einem Felsen über der Bucht, in dem sich der Fischerhafen befindet. Aus jedem ihrer Fenster sieht man auf das Dorf, den Hafen und das Meer.

Heute werde ich vom Sonnenaufgang über dem Meer und vom Summen der auslaufenden Fischerboote geweckt. In drei Minuten bin ich in der Nachbarbucht an einem kleinen Strand. In zwei Minuten erreiche ich ein Weinlokal, in dem ich bereits viele neue Freunde gefunden habe. Da das Dorf vor 200 Jahren auf Felsen erbaut wurde, geht es in maximal sieben Minuten treppauf und treppab zum Bäcker, Metzger, Fischer oder zum Lebensmittelgeschäft. Wenn ich mehr Bewegung als den täglichen Einkauf brauche, spaziere ich entlang des „Camino de Ronda”, einem beliebten Wanderweg, der sich in beiden Richtungen entlang der Küste erstreckt. Nur 30 Minuten Fahrzeit verbinden meinen Lebenspartner und mich.

Meine Freunde in Terrassa sind Freunde geblieben. Wie vor Corona essen wir dienstags zusammen zu Abend. Aber eben nicht in einem Lokal um denselben Tisch, sondern per Zoom, jeder in seinem Zuhause, mit seinem selbstgekochten Gericht und einem Glas Wein. Das Erleben verlagerte sich in das Erlebte nach innen, wir lernten uns nochmal ganz anders kennen. Trotz ihrer anfänglichen Enttäuschung über meinen Wegzug freuen sie sich jetzt, mich in meinem neuen Zuhause am Meer besuchen zu kommen.

Für mich steht eines fest: Hier bin ich endlich angekommen.


Andrea Eimke ist 71 Jahre alt. Die diplomierte Übersetzerin und in Deutschland ausgebildete Sticker-Gesellin mit MA in Kunst und Design der Technischen Universität Auckland (Neuseeland) arbeitete in Saudi Arabien und Nigeria. Danach verbrachte sie ein halbes Leben in Polynesien, bevor sie nach Spanien zog. In L’Ametlla de Mar ist sie seit Mitte September 2021 glücklich. 


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