Buchbesprechung „Alles ist gut, bis es das dann nicht mehr ist“ von Elke Naters
Das Schrifstellerehepaar Elke Naters und Sven Lager leben ein ungewöhnliches Leben – eingewoben in dem Glauben, dass sie noch lange zusammen sein werden. Doch dann stirbt Sven Lager plötzlich und Elke Naters kann es nicht fassen. Für dieses Unfassbare findet sie eine Sprache, die unsere Rezensentin Anette Frisch sehr berührt hat.
Worum geht’s?
Elke Naters und Sven Lager waren gut 30 Jahre ein Paar. Sie haben zusammen geschrieben, sich gegenseitig ihre Texte zum Redigieren gegeben, gemeinsam an verschiedenen Orten der Welt gelebt, um dem Berliner Winter zu entfliehen, und sie haben zwei Kinder bekommen. Dann erkrankt Sven Lager plötzlich an Krebs und stirbt innerhalb weniger Wochen. Elke Naters schreibt sich die Traurigkeit, Ratlosigkeit, Orientierungslosigkeit und gefühlte Sinnlosigkeit ihres eigenen Lebens, aus dem Herzen. Sie findet dafür das Format eines langen Briefes, und beschreibt in ihm, wie ihr Leben davor war und wie es nach dem Tod weitergeht. Ein bisschen so, wie es Joan Didion in ihrem Buch „Blaue Stunden“ macht, in dem sie über den Tod ihrer Tochter und ihres Mannes schreibt und das ich sehr mag.
Was kann es?
Sehr einfühlsam, ehrlich und offen beschreiben, wie eine Liebe beginnt und enden kann. Sven Lager möchte Zuhause sterben. Also wird er aus dem Krankenhaus zurück in die Berliner Altbauwohnung transportiert. Dort liegt er die letzten Tage seines Lebens. Elke Naters legt sich neben ihn, streichelt ihn, schmiegt sich an ihn, lauscht seinem Atem, bis er verstummt. Liebevoll, weich, manchmal humorvoll und voller Zweifel geht Elke Naters der Trauer nach – vor allem aber ihrem eigenen Selbst. Wer ist sie ohne den anderen? Ohne die Bestätigung, schlau, schön und begehrenswert zu sein? Was passiert, wenn man in der Welt, die man sich gemeinsam ersponnen hat, allein zurückbleibt? Elke Naters schreibt über den Trauerprozess, vor allem aber über ihre Liebe zu Sven Lager mit großer Offenheit. Sie geht in die Vergangenheit, holt Bilder und Erinnerungen hervor, die auch von der Ambivalenz ihrer Partnerschaft erzählen.
Was hat es mit mir zu tun?
Mit dem Älterwerden hat der Tod ein eigenes Zimmer in der Kathedrale meines Hirns bekommen. Das ist eine der tiefgreifendsten Veränderungen, die mich von jüngeren Menschen unterscheidet. Ich habe aufgehört, Sätze zu sagen wie, „das wird schon“, „danach wird es wieder besser“, „wenn du das überstanden hast, geht es weiter“. Diese Sicherheit gibt es für mich nicht mehr. Die Unbekümmertheit dem Leben gegenüber, die mir immer selbstverständlich schien, ist dem Wissen um die Endlichkeit gewichen. Elke Naters schreibt in ihrem Buch, dass sie gern ein Buch wie ihres gelesen hätte, dann hätte sie sich vielleicht besser auf den Tod ihres Mannes vorbereiten können. Das glaube ich nicht. Ich glaube das Gegenteil: Wir werden uns nie auf den Tod eines geliebten Menschen vorbereiten können. Ganz im Sinne ihres Buchtitels „Alles ist gut, bis es das dann nicht mehr ist“.
Warum sollte mich das interessieren?
Elke Naters erzählt nicht nur über den Tod ihres Mannes und von ihren zaghaften Lebensversuchen danach. Es ist auch ein Buch über Individuation. Also darüber, wer wir sind und wer wir werden können. Diese Fragen hören ja mit 60, 70 oder 80 Jahren nicht einfach auf. Zu bezweifeln, wir könnten irgendwann nicht mehr im Werden begriffen sein, ist eine der schlimmsten stereotypen Vorstellungen, die man über (ältere) Menschen und das Leben haben kann.
Wer ist die Autorin?
Elke Naters, Jahrgang 1963, hat erst eine Lehre als Schneiderin gemacht und dann Kunst und Fotografie in Berlin studiert. 1998 erschien ihr erfolgreicher Debütroman „Königinnen“. Mit ihrem Mann Sven Lager hat sie Romane und Sachbücher geschrieben und auf drei verschiedenen Kontinenten ihre beiden Kinder großgezogen. Elke Naters und Sven Lager gründeten die „School of Love Berlin“, wo sie Paare berieten. Seit dem plötzlichen Tod ihres Mannes führt Elke Naters die Paarberatungen allein weiter.
Kostprobe
Wie schaffe ich es, meinen Körper anzunehmen, wenn du mir nicht immer wieder bestätigst, wie schön du ihn immer noch findest? Weil du ihn kennst, als er noch jung war, weil er deine Kinder geboren hat. Es erfordert so viel Vertrauen, sich als nicht mehr junge Menschen voreinander auszuziehen und die nackten schlaffen Körper aneinanderzulegen. Sex gehört der Jugend oder den Paaren, die ihre Körper ein Leben lang aneinandergelegt haben. Es macht einen wesentlichen Unterschied, wenn man zusammen älter wird.
Die Vorstellung, dass ein fremder Mann deinen Platz in meinem Leben einnehmen könnte, ist ohnehin undenkbar. Wie macht man das? Das wäre nicht nur ein fremder, sondern auch noch ein alter Mann. Ein fremder alter Mann in meinem Leben? Noch schwerer vorzustellen.
Elke Naters: „Alles ist gut, bis es das dann nicht mehr ist. Über das Leben, die Liebe und das Sterben“, ullstein Hardcover, 256 Seiten, 22,99 Euro
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Besprechung: Anette Frisch
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