Julia Karnick hat auf ihrer Facebook-Seite Frauen aufgefordert, das vergangene Jahr mit einem Wort auf den Punkt zu bringen. Sieben der Wörter hat sie ausgewählt, um die Geschichten dahinter zu erzählen. Hier sind sie, jeden Tag eine.
Anja Reefschläger, 51, Dolmetscherin
Eine Sauna im Berliner Hinterhof. Die Idee hatten wir vor sieben Jahren aus Estland mitgebracht, wo beim alljährlichen Folkfestival im Westseestädchen Virnu ein Mann die drolligsten Varianten von Saunen zum Verkauf anbot: holzbefeuert, mit Rädern drunter zum praktischen mobilen Einsatz oder in Fassform.
Als vor einigen Wintern die Frau sich in einem dieser Berliner November mit dem Laptop bäuchlings in eine Decke eingewickelt auf dem Sofa langgestreckt hatte und es nicht danach aussah, als würde sich an dieser eindeutigen Haltung in den nächsten Tagen und Wochen etwas ändern, schnappte sich der Mann Holzleisten, bestellte einen estnischen Netzkessel nebst Steinen und fing an zu bauen. Das Gartenhäuschen dafür gab es schon beim Einzug. Der Goldregen, inzwischen zu einem Baum herangewachsen, wurde Teil der Konstruktion; und schon bald ragte ein glänzender Schornstein durch die Weide. Der Schornsteinfeger nahm das Ganze ab und gab grünes Licht.
Die Sauna wurde alsbald zum Treffpunkt für uns Hausbewohner; manchmal luden sich Freundinnen auch selbst ein, und wir feierten das Leben, sooft wir konnten.
Ein Schreiben vom Bauamt im Briefkasten
Im letzten Jahr begann ein Nachbar auffällig oft den Hals in unsere Richtung zu recken, machte Fotos vom aufsteigenden Rauch, grummelte vor sich hin. Eines Abends, als der Hausherr zwar angeschürt hatte, aber selbst bei der Nachbarin auf ein Weinchen hängengeblieben war, soll der wütende Nachbar schnaubend geklingelt haben, traf aber nur die beiden Heranwachsenden im Hause an und wurde wohl recht schroff von dem Sohne wieder hinweggebrüllt. Erzählt man sich.
Ein Jahr nach Beginn der Beäugung lag im Februar 2020 ein Schreiben des Bauamtes im Briefkasten, mit der Aufforderung, den Sachverhalt aufzuklären. Wie es zum Bau des Gartenhäuschens gekommen sei. Und zu dieser Sauna. Es habe eine Anzeige gegeben. Wir wähnten uns sicher, hatten wir doch den Schornsteinfeger draufschauen lassen. Eines Morgens begegnete mir der Mensch von besagtem Amt, wollte sich die Sache näher anschauen, fand aber nur unsere winzige Sauna in diesem alten Gartenhaus. Freunde klärten uns auf – er habe Bestandsschutz, dieser Bau.
Wir planen einen rollenden Neubau
Es folgten Gesetzeslektüren, Schulfreund Uwe, mein damaliger stiller Verehrer und nun Bauanwalt und Nachbar von Günter Jauch, wurde befragt und musste uns die traurige Lage erklären. Was hieße denn Bestandsschutz? Wer uns so einen Blödsinn erzählt hätte. Das sei hierzulande alles auf den Zentimeter genau geregelt. Die Sauna musste weg, und das Häuschen auch. Bestandsschutz – von wegen. Eine Welt brach für uns zusammen. Der geliebte Gartenbereich liegt nun seit Eingang des Amtsschreibens brach und harrt dem nahenden Abriss.
Und wir bauen uns jetzt wohl bald Modell B – eine Sauna auf Rädern.