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Palais F*luxx

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Frauen, die aufs Wasser starren

Buchverlage sind um keinen irren Trend verlegen. Constanze Kleis über die neueste Covermode, das weibliche Waterwatching

Wird ein Schiff kommen? Wird er den einen bringen? Oder steigt einfach der Meeresspiegel und morgen ist der schöne Strand verschwunden? Folgt man den Buchverlagen, gibt es am Wasser für Frauen viel zu gucken
Bildmontage: Simone Glöckler


Sie sind so etwas wie ein stetig nachwachsender Rohstoff. Denn wann immer man dachte, ihre Zeit sei endlich vorbei, taucht im Buchhandel eine weitere Variante eines erstaunlichen Phänomens auf: dass Frauen auf Covern von Büchern, die Frauen kaufen sollen, aufs Wasser starren müssen.

Dabei handelt es sich sozusagen um die pinke Handyhülle des Verlagswesens. Als wüssten wir sonst nicht, für wen diese Lektüre eigentlich gedacht ist: Pflanze? Tier? Planet? Mann? Frau? Allein bei Elena Ferrantes wird von „Meine geniale Freundin“ bis hin zu „Das lügenhafte Leben der Erwachsenen“  (Suhrkamp) gleich fünfmal gestarrt. Das ist nicht einfallslos. Das gilt als Erfolgsrezept. Deshalb springen frei nach der guten alten Amazon-Devise „wenn Ihnen dieses Buch gefällt, gefällt Ihnen sicher auch…..“ unablässig  stets weitere auf den Zug, respektive auf den Meerblick auf:  Wunderlich mit „Kranichland“ von Anja Baumheier,  Luchterhand mit „Eine Liebe, in Gedanken“ von Kristine Bilkau oder „Frau Einstein“ von Marie Benedict bei Kiwi und aktuell Fischer mit „Daheim“ von Judith Hermann.

Obacht! Frauen fühlen maximal – beim Blick aufs Meer

Man könnte auch sagen: die Iphonisierung des Frauenromancovers schreitet munter voran. Denn wie beim jeweils neuen Modell des Apple-Verkaufsschlagers muss man auch hier einfach fest daran glauben, dass das, was von außen immer ziemlich gleich aussieht, innen dann doch ausreichend Gründe für die Anschaffungskosten liefert. Klar, wo vermeintlich schon mal der Nachweis erfolgreichen Starrens erbracht wurde, kann man auf einen gewissen Trainingseffekt bei den Greifreflexen vertrauen. So wird nicht nur aufs Wasser, sondern auch gern in die Landschaft und/oder auf Schlösser und Burgen gestarrt. Immerhin gehen nach Schätzungen bis zu 75 Prozent der Käuferinnen – denn es sind meist Frauen, die Bücher kaufen – nach dem Cover. Und das hat im Schnitt acht Sekunden Zeit, Aufmerksamkeit zu wecken. Nicht nur mit einem Déjà-vu, sondern auch mit einer Botschaft, die gewissermaßen mit dem Megafon vorgetragen wird. Sie lautet: Achtung! Achtung! Alle mal hergucken! Hier empfindet eine Frau, und zwar maximal. Quasi ozeanisch tief, weit und endlos und auf jeden Fall typisch weiblich. Ja, Frauen haben Gefühle. Möglich, dass das jemand noch nicht wusste. Sicher, dass das über einen Roman so wenig sagt wie die Schuhgröße seiner Autorin. Deshalb starren Frauen nicht bloß aufs Wasser, sondern auch auf einen ziemlich flachen Teller, in dem das dünne Süppchen der Rollenklischees schwimmt. Hat die Frauenliteratur das nötig? Braucht sie Sätze wie den einer Rezensentin der Süddeutschen, die Männern einmal empfahl, Ferrantes Bücher TROTZDEM zu lesen?  Müssen die Verlage dem immer noch mehr Futter geben?

Verlage, muss das wirklich sein? Nein!

Die amerikanische Bestsellerautorin Meg Wolitzer hat sich schon vor einiger Zeit einige Male über all die sekundären Geschlechtsmerkmale von Frauenroman-Cover geäußert. Über ‚Wäsche auf einer Leine. Ein kleines Mädchen auf einer Blumenwiese. Ein Paar Schuhe am Strand. Ein leerer Schaukelstuhl auf der Veranda eines alten gelben Hauses und auch über das Frau-guckt-auf-Wasser-Motiv. Für sie stehe es für eine „gewisse Art von verführerischer Verträumtheit“ und für „effektive Diskriminierung“. Die Titelseiten, meint sie, stünden in einem direkten Zusammenhang dafür, dass die überwiegende Mehrzahl der in den renommierten Zeitungen besprochenen Romane solche sind, die wie übrigens auch die Wolitzer-Romane  „Die Ehefrau“, „Die Interessanten“, „Die Stellung“,  ganz ohne Bildchen auskommen. Die souverän mit Schriftlösungen arbeiten, statt mit den Methoden der Konsumgüterindustrie (pinke Akkuschrauber!) – Pavlovsche Reflexe bei den Käuferinnen auslösen zu können.

Gut, man kann sich jetzt vorstellen, dass diese ätherischen Frauenfiguren, die man immer bloß von hinten sieht, übermütig, glamourös, unkonventionell und über und über tätowiert sind. Dass sie ein Statement-Shirt mit dem Slogan „Feministin“ tragen und dem nächsten einfach eine knallen, der in einer Cover-Besprechung vorschlägt, man könne doch eine Frau aufs Wasser starren lassen, so als Symbol für all die weibliche Gefühlstiefe. Schließlich geht es hier um von Frauen verfasste Literatur und da ist längst wirklich alles möglich. Auch, dass die Bücher einfach hinreißend klug, sehr interessant, wahnsinnig schön und total verschieden sind. Wäre nur schön, man würde das alles ENDLICH auch auf den Covern würdigen.

Constanze Kleis

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