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Palais F*luxx

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An oder Aus?

Zwei Frauen ü60 in einem Film? Uijuijui, die ARD traut sich was!
Was es mit dem Film „Ich will mein Glück zurück“ auf sich hat, verrät Silke Burmester

Angela Roy, die die moderne, coole, souveräne Frauenfigur in „Ich will mein Glück zurück!“ verkörpert, wurde in Palais-Fluxx-Lila gekleidet. Auch Ihr Ehemann trägt unsere Farbe. Wir sehen das als Zeichen der Solidarität seitens der Kostümbildner*in. Für Michaela May bleibt leider nur „British Empire“.



Bis vor kurzem war eine 20.15-Uhr-Spielfilm-Produktion im Fernsehen kaum vorstellbar, bei der zwei Frauen über 60 im Fokus stehen. Bei der die Geschichte zweier Frauen erzählt wird, die äußerlich nicht mehr jung sind. Wenn man so Schachtel-Geschichten überhaupt erzähle, so die Schauspielerin Angela Roy, dann sei es üblich, der älteren Frauenfigur eine junge an die Seite zu stellen. Schließlich soll das Zuschauerauge ja was zum Knabbern haben.

Und nun das. „Ich will mein Glück zurück“ stellt zwei Frauen in den Fokus, die seit 50 Jahren befreundet sind. Seit der Barkassenvermieter sein Schiff aus Versehen doppelt vermietet hatte und zwei Paare gleichzeitig ihre Hochzeitsfeier an Bord begingen. Seither sind die Paare befreundet und die Filmgeschichte beginnt mit der Feier der doppelten goldenen Hochzeit, erneut auf einem Kahn. Dieses Mal soll das Ehegelöbnis erneuert werden und während Rita und Robert das fehlerfrei über die Lippen bringen, stottert Paul, der Ehemann von Ulla (Michaela May), sich einen ab. Und löst den ganzen Zinnober auf, in dem er seine Liebe und seine Affäre zu und mit Rita offenbart.

Was nun passiert, ist schnell erzählt. Ulla fällt in ein Loch, weiß nicht, wo oben und unten ist, und will ihr „Glück zurück“. Paul ist ein elender Filou und man denkt sich, sie soll froh sein, den Aufschneider los zu sein, muss aber mit ansehen, wie sie sehr lange Zeit nichts versteht, während Rita gar nicht froh über die Bekanntgabe ihrer Affäre ist. Sie hat sich mit ihrem Mann schon vor langer Zeit arrangiert, die beiden haben sich auf dem Status bester Freunde eingependelt und Rita möchte Freiheit, ab und zu ein wenig Beischlaf, nicht aber den Versicherungsvertreter Paul mitsamt seines Fußballschals als Dauergast in ihrer Wohnung.

Die Dinge nehmen jetzt den Lauf, den sie bei einer solchen Produktion so nehmen müssen: ein großes Hin und Her, feudal inszenierte Wutausbrüche, Männer, die dümmer sind, als man es glauben mag, und eine zerschmetterte Frauenfreundschaft.
Dabei ist die von Michaela May gespielte Ulla als Ehefrau schwer erträglich. Die Münchnerin spielt ganz großartig die Mutter Beimer der Gegenwart und erdrückt alles mit einer weiblich-mütterlichen, alle Boshaftigkeiten ausblendenden Fürsorge, von der man nicht weiß, wann sie endlich ausstirbt. Sie ist die Sorte Frau, die ihrem Mann selbst dann noch das Fleisch auf den Teller legt, wenn er mit seiner neuen Freundin am Tisch sitzt. Man möchte sie verhauen.

Angela Roy wäre auch ohne das Gegenmodell des Muttchens eine coole, moderne Frau, die kurze Röcke so selbstverständlich trägt, wie sie genüsslich raucht. Eine Frau, die sich das Leben nicht nehmen lässt, schon gar nicht von gesellschaftlichen Gepflogenheiten.
Wie in der Zeichnung der Ulla, so wird „Ich will mein Glück zurück“ in großen Teilen die Atemluft durch muffige Klischees genommen. So schafft sich Paul nach der Trennung einen Porsche an, trägt auf einmal Lederblouson, während neben seinem ehemaligen Ehebett die Keramikteller „Igel“ und „Eule“ an der Wand baumeln und in der Küche eine Bärchenuhr die Stunde schlägt. Und während man sich fragt, warum man glauben soll, dass Paul und Ulla seit den 80ern eine Einrichtung nicht mehr erneuert haben, die damals schon altmodisch war, wird der erotische One-Night-Stand zwischen Ulla und Robert in einer ungewohnten Intensität gezeigt, an die man sich – #Altersalarm! – im deutschen Fernsehen erst noch gewöhnen muss.

Trotz der überzogenen Klischees kann der Film etwas. Zeigen nämlich, dass Leben, Liebe, Selbstfindung keine Frage von Jugend sind, sondern dass sie auch bei Menschen 47+ täglich geschehen.
Dass das gelingt, liegt vor allem an dem großen Thema der Altersdiskriminierung, das so ganz nebenher mitverhandelt wird. Auf unterhaltsame, aber auch auf ernste Weise. Etwa, wenn Ulla versucht, in ihren Beruf als Lehrerin zurückzukehren, und ihr das trotz des extremen Lehrer*innenmangels verwehrt wird oder wenn klar wird, dass es für Menschen im Alter der vier Protagonist*innen keinen Kredit mehr gibt.

Dass es gelingt, liegt aber auch an den mitunter wirklich guten Dialogen, die für eine solche Fernseh-Produktion geradezu überraschend kommen. Die lustigen etwa, wenn Ulla zum Beispiel sagt: „Du kannst mich doch nicht für eine Frau verlassen, die so alt ist wie ich! Das macht man nicht, das ist unverschämt!“, und die guten, die klugen, wenn ihr Mann entgegnet: „Leidenschaft ist keine Frage des Alters. Leidenschaft wohnt hier“, er klopft sich aufs Herz, „direkt neben der Jugend!“

 

Nicht im Bild, die Handtasche, in der Ulla den Baseballschläger zum Auto ihres noch-Ehemannes getragen hat. Soll heißen: Handtaschen nie zu klein wählen, immer auch an morgen und dessen Notwendigkeiten denken!
Bild: ARD Degeto/Polyphon Film/Thomas Neumeier“


Der Film nimmt neben aller Vorhersehbarkeit und typischen Erzählsträngen zum Ende eine Wende, die gut ist. Sie ist hart, aber notwendig, um die Frage, was es heißt, sein „Glück“ zurückzubekommen, auf neue Art zu beantworten. So ist dieser Film eine nicht ganz so harm- und hirnlose Unterhaltungsproduktion zum Frauen-47+-TV-Thema „Hilfe, mein Mann hat mich verlassen, wie soll ich nur je wieder ohne Tränen durch den Tag kommen?!“, wie der Titel vermuten lässt.
Dass der Titel trotzdem dämlicher ist, als die Frau von Hirn und Welt erlaubt, hat Michaela May vor kurzem in 3 nach 9 eindrücklich dargelegt.

Wir halten fest: Let´s Change The Picture wirkt, jetzt dürfen schon zwei Frauen Ü60 einen Film füllen, aber was die Titelgestaltung anbelangt, ist noch ein wenig Nachhilfe vonnöten.
Da können wir nur sagen: Wir sind da. Rufen Sie uns an!

Besprechung: Silke Burmester

Der Film von Christina Adler nach dem Drehbuch von Claudia Kratchovil hat bei den Filmtagen Oberschwaben den Preis als bester Fernsehfilm erhalten. Zu sehen in der ARD Mediathek (verfügbar bis 2025)

Michaela Mays herrlicher Furor über die bescheuerten Titel, mit denen die Fernsehfilme verunstaltet werden, ist hier zu betrachten.

Die wunderbare Schauspielerin war zu Gast bei DAS! und dazu hat die Redaktion den Beitrag über #letschangethepicture wieder hervorgeholt! HIER angucken

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