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„Icon of French Cinema“ – An oder Aus?

Schauspielerin Judith Godrèche kehrt aus Hollywood nach Paris zurück. Sie will einen Neustart wagen. Doch mächtige Männer aus ihrer Vergangenheit legen ihr Steine in den Weg. Ist das gut? Eva Häberle hat sich die ARTE-Serie angesehen

Szene aus der Arte-Serie „Icon of French Cinema“: Judith (Judith Godrèche, re.) mit ihrer Agentin Kristin (Liz Kingsman, li.) im Restaurant (Foto: © David Koskas/Arte F)

Die Handlung
Die Schauspielerin Judith Godrèche spielt in der sechsteiligen Arte-Serie „Icon of French Cinema“ sich selbst und setzt sich auf selbstironische und humorvolle Weise mit den Höhen und Tiefen ihres eigenen Lebens auseinander.

Nach zehn Jahren in Hollywood kehrt die Schauspielerin nach Paris zurück. Sie beabsichtigt, mit einem neuen Filmprojekt ihre Karriere wieder in Schwung zu bringen. Allerdings ist dieser Neustart sehr holprig, auch deshalb, weil mächtige Männer aus ihrer Vergangenheit ihr Steine in den Weg legen.

Judith Godrèche hatte im echten Leben bereits mit 16 Jahren ihren cineastischen Durchbruch in „Eine Frau mit 15″ (1989) von Jacques Doillon. Sie spielte in Filmen von Benoît Jacquot, darunter „Die Entzauberte“, wofür sie 1990 für den César nominiert wurde. Benoît Jacquot war nicht nur ihr Regisseur, sondern auch sechs Jahre lang ihr Lebensgefährte. Zu Beginn war sie 15 Jahre alt, er 40. Mehr als drei Jahrzehnte später hat sie ihn nun wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen verklagt und damit in Frankreich die Moi aussi-Debatte losgetreten, eine französische Version der MeToo-Bewegung.

Die teil-fiktive Serie pendelt zwischen Vergangenheit und Gegenwart, wobei auch die Teenager-Tochter eine Rolle spielt, denn sie spiegelt Judiths eigene Jugend. Eine Konstante in der Serie ist Godrèches Sehnsucht nach ihrer Jugendliebe, einem Phantom namens Yann. Zudem spielt eine asiatische Haushälterin eine wichtige Rolle. Die Handlung, die von Machtmissbrauch und Abhängigkeit erzählt, ist marmoriert mit groteskem, feinem Humor, so dass die Erzählung eine delikate Balance zwischen Ernst und Ironie hält.

Warum ist das gut?
Judith Godrèche gelingt eine typisch französische Serie, die immer dann, wenn sie droht, in mühseliges Redekino abzudriften, eine unerwartete Wendung ins Groteske nimmt. Die Hauptdarstellerin kämpft um ihre Würde, was teilweise sehr lustig ist, beispielsweise wenn sie aus Geldnot in einer französischen Version von „The Masked Singer“ auftritt. Mehr soll nicht verraten werden. Kurzum: Die Serie ist klug und unterhaltsam. Gleichzeitig ist sie relevant und mutig. Sie lenkt den Blick auf eine typisch französische Ausprägung männlichen Machtmissbrauchs im Filmgewerbe. Kein Land hat so viele Lolita-ähnliche Filmfiguren hervorgebracht wie Frankreich. Oder um es mit Godrèche zu sagen: Das französische Post-Nouvelle-Vague-Kino hat die Jugend als solche stark sexualisiert. Nun bewegt sich etwas in Frankreich, das sich schwergetan hat, das Thema anzugehen, und in dem auch Frauen wie Catherine Deneuve die „Kultur“ des Missbrauchs verteidigen. Die Handlung erinnert an die Situation Nastassja Kinskis, die Anfang des Jahres gefordert hat, die Nacktszenen in dem Tatort „Reifezeugnis“ nicht mehr zu zeigen. Sie war 15, als der NDR den Tatort „Reifezeugnis“ drehte, ein Film, in dem ein Lehrer eine Beziehung mit seiner Schülerin eingeht.

Was hat das mit mir zu tun?
Mit zunehmendem Alter verändert sich der Blick auf die Jugend. Mit einer elterlich geprägten Perspektive treten die Zumutungen männlicher Machtstrukturen gegenüber jungen Menschen deutlich hervor. Wie die Schauspielerin Godrèche frage ich mich, wie die Gesellschaft ihre Verantwortung gegenüber jungen Frauen – und Männern – so übersehen konnte. Und befremdet schaue ich mir an, was sich Männer die längste Zeit völlig selbstverständlich herausnehmen konnten und dafür noch bewundert und hofiert wurden.

Besprechung: Eva Häberle

Icon of French Cinema ist in der ARTE-Mediathek bis zum 20. Juni 2024 abrufbar.

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