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Palais F*luxx

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Lesen oder lassen?

Buchbesprechung: „Guten Tag, hier spricht Ihre Kapitänin“ von Cordula Pflaum

Cordula Pflaum war eine der ersten Frauen, die bei der Lufthansa eine Ausbildung zur Pilotin gemacht haben. Immerhin ein starkes Stück in den 80er-Jahren. Aber ist ihre Biografie auch ein starkes Beispiel für Emanzipation? Silke Burmester hat da ihre Zweifel.

Worum geht es?
Cordula Pflaum, 1969 geboren, ist eine der ersten Frauen, die bei der Lufthansa eine Ausbildung zur Pilotin gemacht haben.
Seitdem fliegt sie alles, was die zivile Luftfahrt anzubieten hat: Kurzstrecke, Langstrecke, Transport. Und ist außerdem Ausbildungskapitänin.
Mit Unterstützung der Journalistin Heidi Friedrich erzählt sie von ihrem Werdegang, der Verantwortung als Pilotin und ihrem Verständnis von der Welt.


Warum sollte mich das interessieren?
Weil es immer spannend ist, von Frauen zu lesen, die in Männerdomänen einbrechen. Frauen, die die unsichtbare Mauer zum Selbstverständlichen einreißen und die sichtbaren Mauern – etwa durch Klagen und Gerichtsprozesse – für alle Frauen aus dem Weg räumen. Weil es spannend ist, von Pionierinnen zu hören und zu schauen, ob oder wie sich von ihnen lernen lässt.


Ist das gelungen?
Naja.
Cordula Pflaum erzählt chronologisch und – etwa die Stationen ihrer Ausbildung betreffend – detailliert von ihrem Weg zur Flugkapitänin. Schon als Kind war sie fasziniert vom Himmel, den Sternen und wollte bald nur eines: Pilotin werden. Man lernt ein entschiedenes Kind kennen, dem sein Ziel klar ist und dem es egal ist, was die Gesellschaft in den 70er- und 80er-Jahren für ein Mädchen vorsieht und – was nicht.

Aber überraschenderweise spricht Pflaum kaum von dem, was man sich bei einer solchen Erzählung erwartet. Von Ressentiments. Von Widerständen, Abwertung und Vorurteilen. Sie erzählt ihre Geschichte als die einer entschlossenen jungen Frau und lässt die Besonderheit ihrer Situation fast vollständig außer Acht.
Im hinteren Teil des Buches erwähnt sie zwar, dass der ein oder andere Ausbilder sie besonders streng beurteilt habe und schildert die eine oder andere nicht so schöne Begebenheit, aber gerade die Zeit des Auswahlverfahrens und die ersten Jahre der Ausbildung, in denen sie oft die einzige Frau war, manchmal eine von zweien, kommen daher wie ein Spaziergang über eine Blumenwiese. Pflaum benennt die Herausforderungen und Anforderungen der Luftfahrt genau, lässt aber aus, was Frauen vor 20, 30 Jahren an jeder Ecke entgegenschlug, selbst wenn sie nur Tischlerin werden wollten und kein Flugzeug lenken: Missgunst, Häme, Herabsetzung und Misstrauen, wenn sie es wagten, in die Sphären männlicher Dominanz einzudringen.

Ist das das Einzige, das stört?
Nein. Es wird mit mir zu tun haben, aber ich finde Cordula Pflaum unangenehm. Ich rechne ihr hoch an, dass sie ihre Berufstätigkeit durchzieht und diese trotz ihrer drei Kinder nicht aufgegeben oder groß eingeschränkt hat. Ich finde es interessant, dass ihr Mann der erste SEK-Beamte Deutschlands war, der in Elternzeit gegangen ist, und ich zolle ihr Respekt dafür, dass sie FIDA, die Organisation „Frauen in die Aufsichtsräte“, unterstützt. Das alles hilft aber nicht darüber hinweg, dass ich mich beim Lesen ihres Werdegangs wieder wie zwölf Jahre alt fühle und mich an die Klassenkameradinnen erinnere, die ich doof fand, weil sie solche Streberinnen waren. Mädchen, mit denen man nichts anfangen konnte, weil sie furchtbar vernünftig waren, den Lehrer*innen durch gute Noten und „gutes Betragen“ gefallen wollten und nie auf die Idee gekommen wären, ihre Eltern abzulehnen. Mädchen, die schon als Kind erwachsen waren und nur eines wollten: ins System passen.

Das strebsame Kind, das ungemein vernünftige, aber etwas eigenartige Mädchen, das seine Eltern bewundert und alles richtig machen will, ist auch heute noch in Cordula Pflaum erkennbar. Allein die artig chronologische Abfolge der Erzählung, das Berichthafte, das Ausrufezeichen hinter der „wichtigen Lebenserfahrung!“, wenn sie vom Job in einer Schaumstofffabrik erzählt, vermitteln den Eindruck, dass Kontrolle und Anpassung noch immer die entscheidenden Währungen in Pflaums Leben sind. Keine Leichtigkeit, kein Spiel – man fragt sich, was die Rolle der Co-Autorin Heidi Friedrich war, wenn sie Pflaum nicht vor Sätzen wie „Doch auch das Feiern kam in der Zeit sicher nicht zu kurz. Bei meinen Jobs in der Gastronomie kam ich in Kontakt mit Rock ´n´ Roll und vielen coolen Bands“ bewahren wollte.

Immerhin, es ist beruhigend zu lesen, welche Anforderungen an Pilotinnen und Piloten gestellt werden, was diese können und mitbringen müssen. Und wenn mir Cordula Pflaum auch fremd und fern bleibt, ich würde sofort in ein Flugzeug steigen, das von dieser Frau geflogen wird. Wenn Cordula Pflaum die Maschine nicht sicher durch die Luft und wieder auf den Boden bringt, dann schafft es niemand.

Kostprobe
„Nachdem ich meine Enttäuschung verarbeitet hatte und sie loslassen konnte, fragte ich mich, was ich Positives daraus mitnehmen könnte. Konnte ich etwas daraus lernen? Ich musste nicht lange überlegen. So schmerzlich die Erfahrung gewesen war, so knapp vor dem Ziel ausgebremst worden zu sein, es hatte doch auch ganz deutlich etwas Gutes für sich: Grenzen zu spüren – auch die eigenen –, sich nicht „allmächtig“ zu fühlen, hat mich gelehrt, noch demütiger zu sein.

Ich hatte stets den Mut, die Dinge, die ich spannend fand, auszuprobieren. Natürlich hatte ich meine Ziele auch immer mit eigener Kraft verfolgt. Und ich hatte stets ein relativ großes Maß an Resilienz und Selbstwirksamkeit. Alles gute Voraussetzungen, das zu erreichen, was ich mir vorgenommen hatte. Dennoch fragte ich mich oft, ob es doch vielleicht nicht nur Glück gewesen war.“

Cordula Pflaum, Heidi Friedrich: „Guten Tag, hier spricht Ihre Kapitänin“, 224 Seiten, Goldmann, Paperback, 16 Euro
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Besprechung: Silke Burmester

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