Silke Burmester fällt in ein Loch voller Fragen bezüglich des so glänzend gealterten Protagonisten einer Klo-Werbung
Selten kommt es vor, dass mich Werbung berührt. Dass ich Mitleid mit dem Protagonisten empfinde und mich frage, was da schiefgelaufen sein mag.
Geberit hat dies geschafft. Geberit, die Klofirma. Sie zeigt in ihrer ganzseitigen Annonce in einem Magazin einen Mann vor grünem Hintergrund. Einen smarten Mann. Einen älteren und extrem feschen Mann. Einen für sein Alter selten feschen Mann. Einen Mann, der in seinen Jahren nicht mehr wie ein Modell aussieht, sondern wie ein Kerl, der sehr erfolgreich durchs Leben gekommen ist. Außerhalb des Bildes wird seine Yacht liegen, hier aber zeigt er sein Klo.
Federnd durchs leben gehüpft
Er ist – in einem Alter, in dem sich bei den meisten Herren das Gewicht seit Jahren der Kontrolle entzogen hat – extrem schlank. Gut, teuer und vor allem leger gekleidet. Er trägt eine weiße, enge Hose mit Aufschlag, das weiße Hemd einladend offen, der Kragen aufgestellt über dem braunen Sakko. Wie jetzt so häufig in der Werbung, ist er ohne Socken in seinen Schuhen. Das soll symbolisieren, dass er leichtfüßig durchs Leben kommt, und wer so federnd von Meilenstein zu Meilenstein hüpft, der tut das in Slippern. So auch er. Seine hohe, schöne Stirn liefert dem souverän gewellten, grauen Haar eine perfekte Bühne, sein Bart rahmt die wohlgeformte Kinnpartie. Und dann trägt er natürlich eine dicke Uhr mit blauem Ziffernblatt, wie Männer sie tragen, die sich nicht trauen, ihr Geld in Form von Gold an den Ohren zu befestigen.
Heute wischt er seinen Po nicht mehr
Und nun kommt es. Diese … sagen wir Premium-Ausgabe von Mann und Alter sitzt auf einer mit sechs Strichen gezeichneten Toilette, darüber die Aussage: „Ich wische nur noch am Smartphone.“ Und weil man zunächst vor allem den Mann sieht, fängt man an zu überlegen, wo oder was er denn sonst noch gewischt haben könnte, ahnt Ekliges und denkt: „Iiiiiiiiiiiiiiii!!!!!!!!!!!!!“
Und so ist es auch. Er spricht zu uns darüber, dass er sich nicht den Po wischt. Es aber früher getan habe. Heute wischt er, wahrscheinlich mit derselben Hand, über sein Smartphone. Wobei er „am“ Smartphone wischt, wie er sagt, womit nicht ganz klar ist, was er da tut.
Und das ist noch nicht alles an Überraschungen. Neben dem WC-Beau prangt das irre Versprechen: „1 Upgrade, 3 Vorteile.“ Wobei augenblicklich die Neugier zu wissen verlangt, wie so ein Toiletten Upgrade wohl aussieht. Und was die drei Vorteile sind. Kein Klopapier mehr kaufen zu müssen, könnte einer sein. Aber was sind Nummer zwei und drei? Die Antwort will sich nicht zeigen, einzig heißt es: „WC ersetzen lohnt sich. Jetzt Aktionsprämie sichern.“ Was eigenartig ist, schließlich bedeutet „Upgrade“ nicht Austausch, sondern Verbesserung des Bestands. Bei einer Toilette könnte – gerade in Bezug zu älteren Personen – eine „Lifta“-Funktion gemeint sein. „Lifta – der Toilettenlift“, mit dem man lustig mit dem WC hoch- und runterfährt. Oder Vergoldung.
Er musste nie unter seinem Niveau bumsen
Nun ist es nicht die kryptische Kommunikation, die mir Kopfzerbrechen bereitet. Nein, es ist die Frage, was mit diesem Mann geschehen ist. Ich stelle mir vor, wie ich als Mann von jeher sehr gut aussah. Ich hatte leichtes Spiel im Beruf, man hat mich gern befördert und Konkurrenten sind mit dem Lächeln der Akzeptanz unterlegen, weil Darwin ihnen das Gesetz von biologisch bedingter Überlegenheit und Wettkampf akzeptabel vermittelt hat. Mit den Frauen war es ein Fingerschnipp, unter meinem Niveau musste ich es weder treiben noch heiraten. Im Herrengeschäft hat man mir gern in das Jackett geholfen, weil was an anderen wie ein Ulk aussieht, an mir zu glänzen beginnt. Ich bin einfach ein Zwölfzylinder. Damals und heute.
Und dann? Dann, fern vom Lebensende, zu früh, als dass einem alles egal sein könnte, lasse ich mich fotografieren und ein Klo unter den Hintern zeichnen und sage: „ICH WISCHE NUR NOCH AM SMARTPHONE.“??!!??
Ist er Italiener? Argentinier? Schweizer?!!
Ich habe mir viele Gedanken über diesen Mann gemacht. Ob er Freunde hat, die zu ihm halten. Wie es wohl ist, samstags auf den Wochenmarkt zu gehen. Wie man es aushält, so alt geworden zu sein und dann so schlimme Werbung zu machen. Ich kam zu dem Schluss, dass er Italiener sein wird. Skandinavier oder in Argentinien lebt. An irgendeinem Ort, wo es diese Werbung nicht gibt. Ich suchte nach einer Möglichkeit, sich so zu zeigen, ohne dass es peinlich ist. Und hatte die Idee, er sei vielleicht der Besitzer der Klofirma. Das scheint er nicht zu sein. Geberit ist ein Schweizer Unternehmen, von einem britischen Investor aufgekauft. Auch die Werbung ist in der Schweiz entstanden. Wohlmöglich lebt auch der Mann in dem kleinen Land.
So wird es sein, denke ich und auf einmal klärt sich der Sprühnebel: Schweizer sind nicht nur pünktlich und sehr reinlich, sie handeln auch bedächtig, der Mann wird lange nachgedacht haben über das, was er da tut. Und dann hat er entschieden: Ja, diese Toilette ist die Patek Philippe der WCs, auf der möchte ich bitte auch privat im Anzug sitzen und Freunde zum Käsefondue empfangen. Aus seiner Perspektive: eine rundum schöne Sache, für die sich kein schöner Mann schämen muss.
Und doch, es gibt keine gute Lösung für mein Mitgefühl. Es bleibt das Entsetzen und der Gedanke, dass unser toller neuer Altersbegriff, dieses Gefühl alt und trotzdem nicht oll zu werden, nicht dazu führen soll, dass uns alles egal ist und wir öffentlich dazu Stellung nehmen, ob wir uns den Po wischen. Jedenfalls nicht, solange wir noch selbst wischen können.