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Palais F*luxx

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Vom Glück, eine Frau zu lieben

Kaum spielt der Kampf der Geschlechter keine Rolle, klappt es mit der Beziehung

Foto: Ayana Wyse/unsplash



Ich kann nicht sagen, dass ich lesbisch bin. Dabei bin ich seit acht Jahren mit einer Frau zusammen. Ich bin Ende 40. Bis Friederike und ich zusammenkamen, war ich mit Männern liiert, ich habe ein Kind. Und trotzdem: Als Lesbe fühle ich mich nicht. Ich fühle mich aber auch nicht hetero- oder bisexuell. Ich fühle mich als ich. Und seit ich mit Friederike zusammen bin, fühle ich mich umso besser, denn zum ersten Mal in meinem Leben klappt das mit der Beziehung. Zum ersten Mal habe ich das Gefühl: Diese Beziehung ist so, wie eine Beziehung sein soll. Kein Gerangel, keine Machtkämpfe, keine Positionsgefechte. Zusammengehörigkeit. Liebe. Miteinander. Einfach so.

Friederike ist nicht die erste Frau, in die ich mich verliebt habe, aber die erste, mit der ich zusammen bin. Ich hatte es schon zwei Mal erlebt, dass ich mich in eine Freundin verliebt habe, wenn die Verbindung sehr intensiv wurde. Intensive Begegnungen – das kenne ich auch mit Männern. Ich bin mit ihnen befreundet, wir kennen und verstehen uns gut und dann wird es auf einmal sehr dicht, sehr nah. Und weil das irgendwie eigenartig ist, ungewohnt, ich und mein Gegenüber nicht wissen, wie wir damit umgehen sollen, gibt es den Impuls, die Situation „zu lösen“. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten. Zu streiten oder miteinander ins Bett zu gehen. Ich kenne beides. Und habe die Erfahrung gemacht, dass auch der Sex dazu führen kann, dass sich die Freundschaft auflöst.

Weil es aber keine übliche Option ist, mit Freundinnen, die einem nah sind, ins Bett zu gehen, entwickelt sich die Freundschaft an diesem Punkt anders weiter: Es entsteht eine neue und vor allem sehr vertraute Form der Nähe und des Miteinanders. Eine Intimität der Freundschaft, wie sie wohl nur Frauen kennen. Ein Punkt, an dem einem nichts mehr peinlich ist, an dem man sich komplett angenommen fühlt und der oft auch mit einer großen körperlichen Nähe einhergeht.
Für mich der Punkt, an dem ich mich verliebe. An dem ich den Wunsch verspüre, diese Nähe in die Intimität der Liebe zu überführen. Also zu berühren, zu küssen, Gefühle durch Worte kundzutun.

Kein Kampf mehr, wessen Arbeit mehr wert ist

Bis zu Friederike blieb dies Verlieben im Bereich von still und heimlich. Wenn auch quälend unterdrückt, weil ich mich nicht traute, mein Verliebtsein zu offenbaren. Mit Friederike war das anders. Als ich mich in sie verliebte, war die Beziehung zu dem Vater des Kindes gescheitert, ein Liebhaber meinte, mit mir Katz und Maus spielen zu wollen und ich dachte, dass ich mir vielleicht etwas vormache, wenn ich immer wieder versuchte, mit Männern zusammen sein zu wollen. Und es doch immer wieder schiefging. Und da mir klar war, dass ich mir mehr als eine Abfuhr nicht einholen könne, nahm ich meinen Mut zusammen und sagte ihr, dass ich mich in sie verliebt hätte. Seither sind wir ein Paar. Und das, obschon auch sie bis dahin nur mit Männern liiert war.

Mein Leben hat sich seither verändert. Ich habe das Gefühl, zu wissen, was eine funktionierende Beziehung ausmacht. Oder besser gesagt, ich lebe zum ersten Mal in einer Beziehung, die wohl so ist, wie das Optimum einer Partnerschaft sein kann. Voll Freude und Respekt auf- und voreinander, voll partnerschaftlichem Miteinander, voll Gleichberechtigung. Und vor allem: frei von Dingen, die nicht gut sind. All dem Gezänk, den Kämpfen. Den ewigen Positionsbestimmungen.

Wenn ich meine Freundinnen anschaue, in ihren Heterobeziehungen, dann sehe ich da all das, das ich so gut von früher kenne und von dem ich so froh bin, dass ich es los bin: die ständigen Kämpfe. Um alles. Um den Alltag, um Aufgabenverteilung und Anerkennung. Um die Rolle in der Partnerschaft. Um Gleichberechtigung. Darum, denselben Wert zu haben und es nicht hinnehmen zu wollen, dass seine Arbeit mehr wert sein soll und dass das Kümmern um die Kinder immer an ihr hängenbleibt. Darum, dass sein Geld nicht toller ist als ihres. Nur meist mehr.

Wie kann es sein, dass Männer so in unserer Vulva rumwühlen?

Ich erinnere mich noch genau unsere erste Nacht. Mein erstes Mal mit einer Frau. Und ich erinnere zwei Dinge sehr genau. Gedacht zu haben: So fühlt sich das an!!!, als ich das erste Mal eine Vulva berührte, die nicht meine ist. Und ganz kurz danach gedacht zu haben: Wenn es sich so anfühlt, wenn es so ein großartiges und wunderbares Gefühl ist, wie kann es dann sein, dass die (gemeint waren die Männer) so mit uns umgehen?!? Wie kann es sein, dass die so grobmotorisch, so ohne Achtung und Respekt in uns rumwühlen?

Ich habe immer gern mit Männern geschlafen. Ich fand es immer gut, angefasst zu werden, und auch einen Penis in mir zu haben, hat mir gefallen. Aber die Scheide an meiner Hand zu fühlen, zu merken, wie empfindsam und empfänglich sie ist, hat mich staunend gemacht und vor allem ehrfurchtsvoll. So ehrfurchtsvoll, dass es mir völlig unerklärlich wurde, wie Männer so harsch, so wild und so respektlos damit umgehen. Was nicht heißen soll, dass alle Männer so sind, aber viele. Ich weiß das, ich habe mit vielen geschlafen.

Natürlich ist auch unsere Beziehung nicht frei von Streit. Aber wir streiten extrem wenig. Und wenn, dann meist sehr sachlich. Wir schleppen nicht einen sonst woher rührenden, grundsätzlichen Ärger mit uns und hauen uns ein Kuddelmuddel aus: „Du verstehst mich nicht!“, und „Warum muss ich wieder an das Geschenk für deine Mutter denken?!“ um die Ohren. Wir streiten wie aus dem Anleitungsbuch und sagen Sätze wie: „Es ärgert mich, wenn du immer deine Sachen auf dem Küchentisch ablegst, nachdem ich ihn grad aufgeräumt habe, weil es mir das Gefühl gibt, dass meine Bemühung, hier Ordnung zu halten, nicht gesehen wird.“ Dann stellt sich raus, dass es Friederike tatsächlich nicht auffällt, dass ich im Gegensatz zu ihr den Tisch säubere und dass sie auch nicht bemerkt, dass sie ihn immer vollstellt. Worauf sie Anleitungsbuch-gemäß antwortet: „Oh, das tut mir leid. Ich werde versuchen, das nicht mehr zu machen.“ Läuft es nicht ganz so geschmeidig, dann hält sie mir im Gegenzug auch etwas vor, bei dem ich mich blöd verhalte, worauf wir am Ende beide unsere Absicht beteuern, rücksichtsvoller zu sein. So habe ich das mit Männern nie hinbekommen. Da waren die Fässer immer groß, ihr Inhalt grundsätzlich und nicht pragmatisch schnell zu lösen.

PMS als Schlüsselmoment

Ich glaube, dass wir so gut miteinander auskommen, dass es so harmonisch ist, liegt daran, dass wir uns tatsächlich verstehen. Im Sinne von: Unsere Art zu denken und zu empfinden, ist nicht so unterschiedlich wie die zwischen Frauen und Männern. Wir sind keine zwei fremden, mit unterschiedlichen Rollenzuschreibungen sozialisierten, Menschen.

Ein Moment, der verdeutlichte, worin die Andersartigkeit der Verbindung gegenüber der mit Männern liegt, war der, als Friederike – wir waren noch nicht lang zusammen – auf einmal unausstehlich war. Sie war zickig, und egal, was ich sagte, es war falsch. Am zweiten Tag ihres ungerechten Verhaltens kam sie und sagte: „Es tut mir leid, dass ich so blöd bin. Ich weiß auch nicht, was los ist, aber ich glaube, ich bekomme meine Tage.“
Damit war alles gesagt. Ich wusste, wie sie sich fühlt und auch, dass ich ihr Verhalten nicht persönlich und nicht ernst nehmen muss. Und, dass sie in spätestens zwei Tagen wieder „normal“ sein würde. Diese Situation war wie ein Schlüsselmoment. Ich habe verstanden: Ich bin auf eine Art mit mir selbst zusammen. Nicht mit dem haarigen, fremden Wesen Mann, sondern mit jemandem, der so ist wie ich. Das macht das Auskommen, logischerweise, einfacher.

Natürlich sind wir nicht gleich. Tatsächlich sind Friederike und ich in unseren Persönlichkeiten grundverschieden. Wie Schwarz und Weiß. Und doch unterscheidet unsere Beziehung etwas von den heterosexuellen Partnerschaften, von dem ich glaube, dass es maßgeblich ist, warum es mit einer Frau für uns beide so viel besser klappt als zuvor mit Männern: Es ist das Moment der Gleichberechtigung. Keine von uns ist durch die gesellschaftliche Wahrnehmung, durch Tradition und Stellung mehr wert als die andere. Keine muss sich gegenüber der anderen behaupten, keine ist in ihrer Rollenzuschreibung oder durch ihr Geschlecht untergeordnet oder minderwertig. Die Ergebnisse des gesellschaftlichen Konstrukts von Mann und Frau, von Macht und Unterordnung, die Ungleichheit und die Ungerechtigkeiten, die die Gesellschaft bestimmen, spielen in unserem Miteinander keine Rolle. Bei uns ist nicht eine Person fürs Lampenanbringen zuständig und die andere dafür, dass die Wäsche im Schrank landet.

Ich habe den Kampf in die Beziehung geholt

Waren meine Männerbeziehungen zu Ende, habe ich gedacht, so ist das eben. Irgendwann ist Schluss. Ich habe nicht gesehen, dass ich maßgeblich für dieses Ende verantwortlich war, denn ich habe unbewusst die ganze Zeit mein Gegenüber bekämpft. Ich war schon als Kind so, dass ich es nicht hinnehmen wollte, dass ich als Mädchen weniger durfte. Nicht aus der Flasche trinken. Nicht rülpsen. Dass für mich keine Carrera-Bahn vorgesehen war. Dass ich weniger wert sein sollte. Dagegen habe ich mich als Fünfjährige gewehrt und das habe ich als Erwachsene in meinen Beziehungen getan. Und so war dieses Miteinander ein von Kampf und Anstrengung geprägtes Gegeneinander, es war davon gezeichnet, dass ich meinen Kampf gegen die gesellschaftlichen Umstände mit meinem Partner geführt habe.

Als ich vor acht Jahren meinem Umfeld mitteilte, dass ich nun mit einer Frau zusammen wäre, hat es mich überrascht, wie viele Frauen nicht nur sagten: „Ach, das ist bestimmt gut!“, sondern wie viele erzählten, dass auch sie schon mal mit einer Frau zusammen waren oder „was hatten“.
Aktuell überrascht mich, dass ich immer häufiger von Frauen, bei denen sich mit Ende 40, Anfang 50 die langjährige Beziehung löst, höre: „Vielleicht sollte ich mir auch lieber eine Frau suchen. Das scheint ja irgendwie besser zu klappen.“
Natürlich ist das nicht generell der Fall. Natürlich gibt es genug gleichgeschlechtliche Beziehungen, in denen die Fetzen fliegen, genauso, wie es viele Frauen gibt, die sich eine lesbische Partnerschaft nicht vorstellen können, weil sie dieses Andere, das Unbekannte und Fremde brauchen.

Für mich war es interessant, festzustellen, dass ich mit einer Frau zusammen bin und sich gar nicht viel in meinem Leben ändert. Bis auf zwei Personen in meinem Umfeld war die neue Varianz kein Problem, sogar meine Ex-Schwiegermutter hatte mit ihren damals 72 Jahren keine Schwierigkeiten damit. Auch sie war eine von denen, die sagte: „Ach, das kann ich mir gut vorstellen!“ Auch das Kind hat es locker genommen und so bin ich vielleicht umhingekommen, von einer vermeintlichen Schublade in die nächste zu rutschen. So wenig wie ich zuvor die das Patriarchat akzeptierende Partnerin war, so wenig hat sich mein soziales und aktives Umfeld Richtung „lesbisch“ verschoben. Es geht schlicht nicht um Festlegungen wie „lesbisch“ oder „heterosexuell“. Es geht darum, dass ich das gefunden habe, was für mich das Richtige ist. Ich bin dieselbe geblieben, die ich war. Ich finde Männer noch immer attraktiv. Auch sexuell. Aber ich kann mir momentan nicht vorstellen, noch mal mit einem zusammen zu sein. Ich glaube, das ist mir schlicht zu anstrengend.

Silke Burmester


Dieser Text ist ursprünglich unter Pseudonym in der Brigitte Woman erschienen. Silke hat schon länger überlegt, ihn hier erneut zu veröffentlichen, der 15. Jahrestag ihres Zusammenkommens mit Friederike, die im wahren Leben anders heißt, ist ein guter Anlass. Obschon der Text sieben Jahre alt ist und die Beziehung so lange währt, hat sich im Kern wenig geändert. Noch immer endet ein Streit oft dadurch, dass eine lachen muss.

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