Sologamie – echt jetzt?
Euch kann ich es ja verraten: Selbst ich kleine Schlampe lerne immer nochmal was in Sachen Erotik dazu. In den letzten Tagen blickte mich aus so ziemlich jeder Zeitung – plus Glotze – ein brasilianisches Model an, das von sich behauptete, autoerotisch zu sein. What? Im Grunde bedeutet es nichts anderes als ultimativen Narzissmus auszuleben. Denn Autoerotiker:innen sind quasi in sich selbst verknallt. Auch körperlich berauschen sie sich an sich selbst, was natürlich zu Solosex und letztlich zu einem Leben nur mit sich selbst führt. Das zugegebenermaßen hotte lateinamerikanische Babe, das nach meiner Meinung einfach nur ganz herrlich die PR-Klaviatur spielte, verursachte jedenfalls ein erhebliches Medienbeben.
Gleichzeitig erzählte mir jedoch eine Freundin vom neuesten Kink auf Pornhub. Dort sind gerade Videos en vogue, auf denen Frauen sich in der Öffentlichkeit exhibitionistisch verhalten. Mal mehr und mal weniger offensiv. Gemeinsam ist den Filmchen, dass es nicht darum geht, Kerle aufzuheizen, sondern die Protagonistinnen das Vergnügen daraus ziehen, von jemandem dabei erwischt zu werden, wie sie sich selbst berühren. Dabei sind die meisten Frauen weder besonders aufreizend angezogen noch folgen sie üblichen Pornmustern, was ihr Aussehen angeht. Sie könnten auch die Nachbarin von gegenüber sein, was die ganze Angelegenheit natürlich schon wieder sehr heiß macht.
Sex wird vor allem durch Austausch spannend
Also dachte ich nochmal über die Autoerotik-Welle nach. Vielleicht ist Sologamie ja ebenso ein Akt der Selbstermächtigung wie die Entscheidung zum Exhibitionismus. Praktisch ist es auf jeden Fall, wenn man auch sexuell niemanden braucht außer sich selbst. Besonders in Corona-Zeiten. Aber ist es auf die Dauer spannend?
Mir würde erotisch eindeutig was fehlen. Wie viele Spielmöglichkeiten ergeben sich durch den Austausch mit einer anderen Person. Sehr, sehr viele. Ich hatte mal einen Liebhaber, der auch einen Hang dazu hatte, sich exhibitionistisch zu verhalten. Im Job oberkorrekter Zahlenverwalter im Konzern, in der Freizeit gerne auf anderen Pfaden unterwegs. Sein Kick bestand aber neben der heimlichen Entblößung vor allem darin, dass ich ihm noch dabei zuschaute. Doppeltes sich zur Schau stellen sozusagen.
Voyeurismus und Exhibitionismus sind beliebte Varianten in der hedonistischen Szene. Ohne die beiden Aspekte wäre die Szene vermutlich nur halb so groß. Und nur halb so spannend.
Am Ende geht es aber immer darum, das zu tun, worauf man Lust hat. Wenn es halt Autoerotik ist – go for it. Wenn es Exhibitionismus ist – auch gut. Natürlich nur in Erwachsenenkreisen und dort, wo niemand zu Schaden kommt. Einmal mehr möchte ich dafür plädieren, dass Frauen sich in ihrer Sexualität generell mehr trauen sollten. Weniger besorgt sein sollten, was andere denken oder mitkriegen könnten. Je mehr von uns freier leben, desto stärker wird sich das Bild einer sexuell aktiven Frau in der Gesellschaft wandeln. Zum Positiven. Bis dahin mögen mich andere Schlampe nennen. Ich habe den Begriff längst für mich selbst gekapert. Als Zeichen einer sexuell befreiten Frau. Und das ist in jedem Fall auch autoerotisch.
Suzette Oh ist im besten Alter, um die richtige in Theorie und Praxis erfahrene Sexpertin für uns zu sein. Tatsächlich hört sie außerhalb der gedämmten Wände auf einen anderen Namen, möchte aber auch weiterhin die Bestellung für ihre Schwarzwälderkirschtorte zum Geburtstag aufgeben, ohne dass die Verkäuferin kreischt: „Ich kenn Sie! Sie sind die tolle Sex-Kolumnistin!“
Wer jetzt schnell mehr von ihr lesen möchte, klickt auf die Links. Suzette Oh hat nämlich bereits aussagekräftige Bücher veröffentlicht, als da wären ihr „Pussy Diary“ und ihre erotische Phantasien in Bezug auf das Erben eines Hauses. Bzw. ein Hotel der Lust.
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Illustration: Katharina Gschwendtner