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„Sugarlove“ – An oder Aus?

Silke Burmester hängt der ARD einen Hortensienkranz um – endlich ein Film mit einem gelungenen Frauenbild 47+

Bislang ein Wagnis im deutschen Fernsehen: Gleich werden diese beiden Menschen 47+ (Fritz Karl, Barbara Auer in der Rolle von Patrick und Julia) beim Sex zu sehen sein
Foto: SWR/Hager Moss Film / Wolfgang Ennenbach


Gegen 14 Uhr geht es los. Dann öffnen sich mit den Roten Rosen die Unterhaltungsblüten der ARD: Filme und Serien für Frauen. Mit Frauen. Frauen, die gärtnern, Tiere bekümmern oder Pensionsgäste. Frauen, die als Mutter gezeigt werden, als Ehefrau, als Betrogene. Oder als Leiche. Und trotz der vielen Mühe hören Zuschauerinnen und Filmschaffende nicht auf zu meckern. Vor allem Frauen über fünfzig: Sie seien nicht sichtbar genug, ihr Leben würde nicht adäquat abgebildet. Selten würde ein Frauenleben jenseits familiärer Kontexte und in Beziehung zum Mann gezeigt. Und Sex gäbe es für sie schon gar nicht.

Die nörgelnde Alte ist also nicht nur ein Klischeebild aus schlechten Witzen beim Kegelabend, nein, sie beschleunigt auch die Glatzenbildung in den Sendeanstalten: Was wollen die Weiber denn noch?!

Die Antwort ist einfach: Filme wie Sugarlove. Mit dieser Produktion, die von der Ehe eines gut betuchten, wachen Paares erzählt, hat Das Erste alles richtig gemacht. Zwar wird auch hier die Frau, dargestellt von der Anfang 60-jährigen Barbara Auer, im Kontext ihrer Beziehung gezeigt – aber diese Beziehung ist eine auf Augenhöhe. Nicht nur, dass die Psychotherapeutin und der Soziologieprofessor intellektuell gleichauf sind, Fritz Karl ist als Patrick genauso in der Küche zu sehen wie Auer als Julia.

Überhaupt stellt das Drehbuch von Silke Zertz, das von der Regisseurin Isabel Kleefeld unaufgeregt gekonnt umgesetzt wurde, die Eheleute in einer Ausgewogenheit dar, die selten ist. Am Dilemma, in das beide geraten, sind Julia und Patrick gleichermaßen beteiligt, wenn Patrick auch derjenige ist, der dabei die gute Zeit hat – nämlich besten Sex.

Die Geschichte ist eine, wie Millionen Paare sie erleben: Man ist seit Ewigkeiten zusammen, man liebt, man respektiert sich, man ist gern zusammen. Nur im Bett, da läuft es nicht mehr. Er möchte, sie nicht. Die Lösung des Filmpaares: Patrick sucht sich jemanden für den Sex. Bedingung: keine Liebe, kein Hereinbringen der Geliebten in das gemeinsame Sozialleben. Er meldet sich auf der Plattform „Sugarlove“ an und trifft schon bald die Studentin Claire, die sich nicht als Prostituierte versteht, sondern das tut, was sie „am liebsten macht, Menschen glücklich“. Patrick übernimmt dafür ihre Rechnungen. Zum Konflikt kommt es, als er sich nicht an die Abmachungen hält und die Studentin sich in ihn verliebt.

Eine ältere Frau barbusig im Fernsehfilm – und nicht beim Arzt oder in der Gerichtsmedizin!

Mit Barbara Auer als Julia hat der SWR eine gute Wahl getroffen. Auer ist eine Schauspielerin, die noch ein echtes Gesicht hat: Eines, in dem sich Emotionen noch abspielen können, das nicht zu aufgeplustert ist, um sich in Falten legen zu lassen. Und Auer kann nicht nur meisterlich Gefühle abbilden, sie lässt es zu, dass die Kamera das einfängt, was viele reife Frauen nicht mehr haben wollen: ein Gesicht mit Spuren. Eines, das nicht jung ist.

Wir erleben mit der Figur der Julia endlich eine ältere Frau im Fernsehen, die nicht die Betrogene ist, oder die Frau, die in erster Linie an der Seite eines Mannes existiert. Wir erleben eine Frau, die sich mag und mit Freude in einem Leben steht, das nicht aus familiärer Bekümmerung besteht. Die Drehbuchautorin schreibt Julia – holla! holla! – ein Sexleben zu, und man erlebt das Paar in einer herrlichen Szene ehelichen Geschlechtsverkehrs während eines Hotel-Wochenendes, in der Julia Patrick kurz vor seinem Orgasmus fragt, ob er die Tochter daran erinnert habe, „dass die Hortensie bei der Hitze mehr Wasser braucht?“. Und man sieht dabei eine barbusige Barbara Auer. Allein diese Szene ist den Film wert.

Und einen Hortensienkranz für die ARD. Endlich! Eine Frau Anfang 60 wird mit nacktem Oberkörper im Spielfilm gezeigt. Nicht beim Arzt. Nicht in der Gerichtsmedizin. Nein, im Bett. Nach dem Sex. Oft genug können wir Zuschauerinnen schon froh sein, wenn die ältere Frau im Film noch einen Namen hat.

Dem Film gelingt es, eine Frau zu zeigen, die einen anspruchsvollen Beruf hat und doch nicht kratzbürstig ist
Foto: SWR / Hager Moss Film / Bernd Spauke


Der Text ist zuerst in der Süddeutschen Zeitung erschienen

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