ONS – einmaliger Sex oder im Theater-Kontext: eine einmalige Aufführung. Das One Night Stand-Festival – ein Festival zu Alter(n), Sichtbarkeit und Sexualität – das Ende Februar im Schauspiel Köln Premiere feierte, wird kein einmaliges Ereignis bleiben. Noch im April wird es weitere ONS in Ludwigsburg und München geben. Sohra Nadjibi war für uns beim Kölner ONS dabei und stellt die Performances vor.
Zur Eröffnung des One Night Stand-Festivals in Köln im Februar lud Kulturwissenschaftlerin Dr. Miriam Haller zu einem spannenden Podium ein. Mit Almuth Fricke, Leiterin Kompetenzzentrum für Kulturelle Bildung im Alter & inklusive Kultur und Schauspielerin Anja Laïs disktutierte sie über Konstruktionen von Alter, unerwünschter Visibilität und performbaren Unanständigkeiten.
Die nachfolgend beschriebenen Performances sind nur ein Teil des Festivals. Zu den Terminen im April gehören auch die Bewegungs-Workshops, die für alle Besucher:innen offen sind. Außerdem findet abends eine Party, die ihr unbedingt besuchen solltet.
Performance Betrachten von Moving_Spaces
„Born To Be wild“ von Steppenwolf ertönt. Die zwei Frauen und zwei Männer auf der Bühne tanzen wild, freudvoll, ausgelassen, selbstvergessen. Und dann reißen sie sich ihre Kleider vom Körper – ein Teil der Performance „Betrachten“ von und mit „Moving_Spaces“. Vorher bewegten sich die vier Performer:innen – mit ihren iPads auf denen sie selber zu sehen waren – im Foyer inmitten der Besucher:innen.
Andrea Marton und Stephanie Felber bilden das Kollektiv „Moving_Spaces“ und erforschen in ihren Projekten durch Bewegung die Stadt und setzen sich mit Gesellschaftssystemen auseinander. Ihre installative Performance „Betrachten“ mit Menschen über 60 Jahren, die hier in Köln aufgeführt wird, macht alternde Körper sichtbar und decodiert diese. Will irritieren, gesellschaftlichen Erwartungen etwas entgegen setzen. Die Beiden entwicklen choreographisches Material, halten das videografisch fest und inszenieren dazu live. Wie von leichter Hand werfen sie damit Fragen wie „Was wird öffentlich gemacht, was wird verheimlicht?“ in den Raum und: „Was wird im Geheimen dokumentiert, was wird extra in Szene gesetzt?“.
Performance Temptation von OLDSCHOOL und Silke Z.
In einer anderen Performance lehnen an der Rückwand der Bühne Menschen, wie in einen Kokon gehüllt, völlig verpuppt. Sie schälen sich langsam heraus, besetzen und erobern die Bühne. Zwölf Performer:innen des Theaterensembles OLDSCHOOL (Schauspiel Köln) sowie Performer:innen des Ensembles „the diverse body“ von Silke Z. verführen in „Temptation“ mit wilden, dann wieder sanften Tanzbewegungen. Sprachsequenzen in welchen stereotypype Fragen und Aussagen zu Alter und Sexualität, wie „Funktioniert das in ihrem Alter überhaupt noch?“, werden mit persönlichen Statements zur Sexualität im Alter gepaart. Der Kanon: Sehnsucht kennt keine (Alters)Grenze.“
Dann wird wild an Lollis gelutscht. Die Performer:innen – allesamt über 60 – folgen Lockrufen des Verlangens, zeigen Scham, Genuss, Schmerz, Lust und Verlust und flirten: „TEMPTATION begibt sich auf eine lustvolle Reise an stimulierende, verflossene und im Dunklen liegende Orte und widmet sich der Sichtbarkeit von individueller Lust im Alter(n)“, wie es in der Selbstauskunft heißt. Verhandelt werden Fragen wie „Spürst du unser Alter? Schmeckst du unsere Erfahrungen? Begehrst Du unser Wissen? Welchen Körper offenbarst du mir?“.
David Vogel vom Schauspiel Köln und die Choreografin Silke Z. entwickelten die Performance gemeinsam für das Projekt One Night Stand. Beide widmen sich sich in ihrer künstlerischen Arbeit seit einigen Jahren der performativen Zusammenarbeit mit Menschen über 60.
Silke Z. gründete 1999 die Company Silke Z. resistdance . Seit 2017 entwickelt sie verstärkt altersgemischte Produktionen, Vermittlungsformate und Tanzforschung mit Menschen Ü60, initiiert Vermittlungs- und partizipative Angebote, die die Teilhabe an künstlerischen Prozessen in den Fokus nehmen. Silke gründete und leitet die ehrenfeldstudios, eine intergenerative, inklusive Produktions- und Veranstaltungsstätte für den zeitgenössischen Tanz in Köln. David Vogel ist Theaterpädagoge, Regisseur und Performer mit generationsübergreifenden Formaten und künstlerischer Leiter des Ensembles OLDSCHOOL – 25 Kölner Senior:innen zwischen 60 und 90 Jahren.
Performance Pinselstrich vom Tanztheater Zartbitter
In „Pinselstrich“ einer Inszenierung von Zartbitter – das Altentanztheater Ensemble der Tanz- und Theaterwerkstatt in Ludwigsburg – springen einem Spass, Freude, Energie und die ungebremste Lebenslust der Performer:innen unmittelbar ins Gesicht. Choreograf Pascal Sangl und seine sechs Ensemblemitglieder lassen choreografische Bilder zum Thema Berührung und Höhepunkt entstehen. Farben werden auf die Körper gestrichen, verteilt oder gesprüht, spielerisch und ausgelassen getanzt. Während ein Ensemblemitglied einen pinkfarbenen Mini-Pool mit langem Flamingo-Hals aufpumpt. Das Schild, das daran lehnt ist Programm: Träume haben kein Alter!
Das Altentanztheater Ensemble der Tanz- und Theaterwerkstatt Ludwigsburg Zartbitter bewegt und erzählt seit 2010 Geschichten für alle Generationen und setzt sich auch mit zugeschriebenen Rollen oder verdrängten Aspekten von Alter auseinander. Tänzerin, Performerin, Choreografin und Dozentin Lisa Thomas gründete mit TTW als künstlerische Leiterin ZARTBITTER und das Festival VielFalten.
Ihre Arbeit überzeugt. So sagt eine Studentin: „Lebendig tanzend und dabei gelebtes Leben erzählend. Sinnlich, heiter und so schön. Ich bin raus und dachte, wenn ich mich mit siebzig so durchs Leben bewege, dann freue ich mich aufs Altern“ .
One Night Stand-Termine
13. April 2024 One Night Stand in Ludwigsburg: Karten sind hier zu buchen
zartbitterensemble.com
18. April 2024 One Night Stand in München: theater-hochx.de
19. April 2024 Fachtag dance_age_trouble mit u.a. Dr. Miriam Haller: Lecture-Performance, Podiumsgespräche, Workshops im HochX: andrea-marton.de/fachtag-dance-age-trouble