Sylvia Heinleins Wochenjournal über die Stürme im Wasserglas des Alltags.
Diesmal: Kurzmeldung aus Berlin

Meine Luder, ich melde mich live aus Berlin und muss mich knapp halten, weil alles so aufregend ist. Ich bin nicht zum ersten Mal in Berlin, ich habe sogar schon versucht, dort zu leben, aber das Ganze war mir zu enorm. Die Altbauten haben fünf Stockwerke, statt vier, wie in gewöhnlichen Großstädten, und das macht schon mal mächtig Eindruck. Die Geländer in den Treppenhäusern liegen ungewöhnlich tief, keine Chance also, sich auf dem Weg nach oben am Handlauf emporzuziehen oder sich hinab festzuklammern, wie es im Rest der Republik üblich ist. In der Hauptstadt schlenkert der Arm leger nach unten, die Hand fällt locker aufs Geländer, ich hab’s ausprobiert, man fühlt sich sofort salopp.
Auf den belebten Straßen sind reichlich eigenwillige Einzelgänger zugange, sie singen oder sprechen laut vor sich hin, meist in Rage. Mein Berliner Begleiter und ich taten es auch, natürlich separat. „Ich bestehe drauf! Das ist jetzt eine Entscheidung, die Sache muss sofort aufgehalten werden!“ – wenn man sich erst einmal entschieden hat, der Öffentlichkeit etwas kundzutun, ist es ganz einfach. Mein Berliner ist ein Zugewanderter, wie so viele kam er in die Stadt, weil in seiner ursprünglichen Heimat kein Platz für Sonderlichkeit war. Am liebsten treibt er sich auf den Empfängen der vielen Botschaften herum, man muss nicht eingeladen sein, es gibt interessante Vorträge, wertige Häppchen und freie Getränke.
Es gäbe noch sehr viel mehr zu berichten, aber ich muss weiter, Ihr versteht, meine Luder, immer weiter, weiterstaunen.