Sylvia Heinleins Wochenjournal über die Stürme im Wasserglas des Alltags. Diesmal: Hübsch Putz machen
Wäre ich zu einem Osterbrunch eingeladen, würde eventuell ein „ulkiges“ Hasenpaar aus Keramik „lässig über den gedeckten Tisch hoppeln“. So bietet es das Hamburger Abendblatt exklusiv seinen Leser*innen an, aus den Äuglein der Tierchen kommen niedlicherweise Salz und Pfeffer. Bin ich der einzige Mensch auf Gottes Erdboden, der das gruslig findet? Ich habe sofort „Ostern“ und „niedlich“ gegoogelt, um zu sehen, was da sonst noch abgeht. Zehn Millionen Treffer: niedlichen Hasen-Türstopper kaufen, niedliche Eier-Mützchen nähen, niedliche Sockenblumen zwirbeln, insgesamt großes Entzücken. In die Mitte der Sockenblume kommt übrigens ein fröhlicher Knopf, wunderbar, alte Socken und Knöpfe habe ich massenweise im Haus, also hoppel hoppel, los geht’s.
Leider sieht es bei vielen Frauen im Geschirrtuchschrank unordentlich aus
Ohnehin zeigt sich jetzt wieder das erstaunlichste Getier im Internet. Den Winter über hat es stillgehalten und sich in seinen blitzeblanken Wohnungen eingemuckelt, aber nun kommt es aufgeregt hervor. Es sind Frauen – ja, nur Frauen, leider, da beißt die Maus keinen Faden ab –, die jetzt mit zitternden Pfötchen nach Putzeimer und Schwämmchen greifen. Es geht um die ganz großen Fragen: Was tun gegen Verklebungen hinter den Seitengittern des Backofens? Wo beginnen, bei der Badreinigung? Und wohin mit den Geschirrtüchern? Ich darf zitieren: „Bisher liegen sie in drei Stapeln nebeneinander im Schrank und sehen unordentlich aus, weil ich sie nicht bügle. Ich habe sie schon nach Sorte/Serie sortiert, aber irgendwie sieht das nicht ordentlich aus, weil sie trotz Gleichartigkeit und gleicher Faltung unterschiedlich groß sind (evtl. vom Trockner).“ Tragisch.
Ich bekomme Glücksgefühle ohne Putzen
Meine Oma hatte jedenfalls Besseres zu tun. Ich muss acht Jahre alt gewesen sein, als sie vor Ostern die Sprungfederrahmen des Ehebetts vor dem Haus in die Sonne stellte. Dann staubten Oma und ich mit kleinen Pinselchen die Sprungfedern ab und plauderten und sangen dabei und das Ganze erweckte in mir ein wunderbares Gefühl. Frühjahrsputz macht Spaß, dachte ich, wenn ich groß bin, werde ich jedes Frühjahr putzen, alles, alles, auch die geheimsten Ecken! Nun bin ich groß und habe auch ohne Putzen Glücksgefühle, ich lasse sie so durch mich hindurchfließen. Fast wie Nena, die auf Instagram gerade „die Informationen und die Panikmache, die von außen auf uns einströmen, in alle Einzelteile zerlegt“ und sich „nicht hypnotisiert von Angst in die Dunkelheit ziehen“ lässt. „Lasst uns ins Licht gehen. Ich Neu Du Neu Wir Neu ALLES NEU #liebe #licht #freiheit.“ Genau, Nena, Du alte Gurke, wir treffen uns irgendwann im Licht und dann gibt’s eine geschallert, okay?