Alkohol? Unbedingt. Und das gut bebrillt. Silke Burmester lernt das stilvolle Trinken
Grüße von den Kellys
Was macht eigentlich Gene Kelly? Ich nehme an, er ist schon vor längerer Zeit in einem Golfmobil in Richtung ewiger Jagdgründe vom Hof seines Alterssitzes gezuckelt. Anders mein innerer Gene Kelly. Immer mal wieder wirft der sein Staubschutzlaken ab, stellt sich mit ausladender Geste ins Nichts und fängt an zu singen. Der Frühling zum Beispiel ist so eine Gene-Kelly-Zeit. Wenn die Versprechen in der Luft flirren und unklar ist, ob sie sich setzen werden oder einfach entschwinden, wie eine Meise, die davon flattert. In dieser Zeit gibt es zwei Möglichkeiten: in einem Wald dem Klang der Vögelchen lauschend am Wegesrand Vergissmeinnicht zu pflücken oder sich für den Straßenrand einer Stadt der großen Gefühle zu entscheiden und mit einem kleinen, freundlichen Drink die inneren und äußeren Kriege zu vertreiben und das Treiben noch ein wenig bunter erscheinen zu lassen.
Mit dem Entschluss für Letzteres lässt sich fast jede Stadt schön und bedeutsam trinken, Kiel, Erfurt, Lissabon, aber es ist Krieg in Europa und so gibt es dieser schwierigen Tage keinen besseren Ort als die Stadt, in der wie in kaum einer anderen das Versprechen und die Hoffnung, die Zerstörung und die Sehnsucht so nah beieinander liegen wie in Paris.
In Ballerinas übers Trottoir getänzelt
Mit Paris kenne ich mich aus. Für die Dauer von zwei Jahren hatte ich einst Quartier im Kopf von Carla Bruni bezogen und wohnte quasi dort. Nicht, dass ich Französisch spreche, nach meinem 19. Lebensjahr noch einmal dort war oder jenseits von Champagner eine Affinität zur französischen Kultur habe – aber egal, um aus dem „geheimen Tagebuch“ der First Lady Frankreichs zu berichten, hat es gereicht. Zwei Jahre lang bin ich quasi in Ballerinas über das Trottoir getänzelt, habe wie ein Pariser Spatz gegessen und meinem Mann, den ich zärtlich „meinen kleinen Pygmäen“ nannte, am Abend aufmunternd über das schwarze Haar gestrichen. So ein Leben sitzt, bleibt und prägt, ich weiß also genau, was es heißt, auf einem Pariser Boulevard im Café zu sitzen und das Leben vorbeiziehen zu lassen.
Es geht darum, zwei Dinge gleichzeitig zu tun. Erstens, den Eindruck zu vermeiden, man hoffe, dass jemand vorbeikommt, den man kennt und der die Einsamkeit vertreibt, zweitens, die Enttäuschung zu überspielen, dass niemand vorbeikommt. Das ist der Grund, warum tout Paris mit einer Sonnenbrille im Café sitzt. Auch nachts und bei Regen – es ist eine Art getarntes Beobachten.
Adler statt Schmetterling
Wir wären nicht in Paris, ginge so etwas Profanes wie getarntes Beobachten nicht mit Stil und Klasse einher und so ist es der Gene Kelly in mir, der mir zuflüstert, dass es doch unglaublich charmant wäre, quasi als Réminiscence an seinen Filmklassiker „Ein Amerikaner in Paris“ von 1951, die 50er-Jahre wieder zum Leben zu erwecken.
Ich also zu Karin Stehr in ihren Laden mit dem passenden Namen „Bellevue“ geradelt und mein Begehr nach einer Schmetterlingssonnenbrille kundgetan. Ich bin, ehrlich gesagt, nicht voller Hoffnung, denn mein Kopf ist breit wie die Schwingen eines Adlers, da will in der Regel kein Schmetterling Platz finden. Aber Karin wäre nicht Karin, wenn nicht schon das Passende in ihrer Auslage bereitliegen würde. Und ich schwöre, ich schwöre bei der Schönheit aller Pariser Frauen, sie hat keine Ahnung von meinen Gene-Kelly-Gedenktagen, als sie sagt: „Hier, die ist perfekt für Dich, die Kelly!“ Und dann beginnt sie zu schwärmen, von diesem herrlichen Modell, das das Brillen-Label Jacques Marie Mage – des in L.A. lebenden Franzosen (!) Jerome Mage – als Hommage an die Eleganz von Grace Kelly herausgebracht hat. Gerade mal 350 Stück hat man von einer exquisiten Brillenmanufaktur in Japan klöppeln lassen und eine davon hält Karin Stehr in den Händen. Beziehungsweise ich trage sie im Gesicht.
Holunderlikör oder als Männer noch Nelken warfen
Fehlt nur noch das adäquate Getränk, um in Paris eine gute Figur zu machen und als Frau von Welt, Weitsicht und Kelly-Esprit erkannt zu werden. „Was soll ich“, frage ich Betty Kupsa, Barfrau meines Vertrauens, „in Paris bestellen? Wenn ich formvollendet im Straßencafé an etwas Köstlichem nippen möchte, das mich als en vouge, très chic und Liebhaberin einer Zeit erkennen lässt, als Männer noch singend über die Dächer sprangen, ohne dafür verhaftet zu werden?“
Bettys Vorschlag lässt nicht lange auf sich warten. Ein kleines Hineinhören hinter den Pony ihres frankophilen Pagenkopfes und der Champagner-Cocktail „St. Germain 51“ ist geboren – denn natürlich gibt es kaum eine passendere Gegend für Herumgesitze à la Grace Kelly als das Viertel St. Germain. Obendrein ist es der Name eines liebreizenden Holunderlikörs, womit wir die Trendblüte der Gegenwart ins Glas geholt hätten – und als Dreingabe den klebrig-süßlichen Geist der frühen 50er-Jahre, als Gene Kelly in seiner Matrosenuniform Frauen wie mir im Vorbeigehen eine Nelke auf das Bistro-Tischchen warf. Aber natürlich ist das Beste am Getränk der Champagner, dieses herrlich prickelnde, fein herbe Lebenselixier. Wobei festzustellen ist, dass es die zurückhaltende Note des von vornehmer Noblesse geprägten französischen Gins ist, der Bettys Kreation aus den flachen Wassern eines Wir-gießen-mal-nen-Likör-mit-Champagner-auf in die Sphären eines Champagner-Cocktails hebt.
Um es kurz zu machen: Paris war ein voller Erfolg. Ich saß, trank und sang. Je später der Nachmittag wurde, desto lauter.
So mischt die Betty
St. Germain 51
3 cl Citadelle London Dry Gin
2 cl St. Germain Holunderblütenlikör
1cl Zitrone
Champagner
(es kann problemlos auch Crémant, Cava oder Winzersekt verwendet werden)
Die Zutaten ohne den Champagner im Shaker sehr kalt shaken und in ein Champagnerglas abseihen.
Vorsichtig mit dem Champagner/Cava/Sekt auffüllen
The Chug Club heißt die Bar von Betty Kupsa. Betty wurde mit und ohne Bar ausgezeichnet, mit Lorbeer behängt und über den grünen Klee gelobt. Für uns und die Frage, „Welcher Drink passt zur Brille?“, ist Betty ein Geschenk, denn sie hat eine irre Gabe: Sie schmeckt quasi im Kopf vor und schüttet dann zusammen, was bis dahin getrennt war. Jetzt hat sie mit „Lupita“ ihre eigene Margarita-Linie kreiert, die natürlich alsbald im Palais-F*luxx-Shop erhältlich ist.
www.thechugclub.bar
Bellevue Dort, wo Hamburgs Innenstadt am Schicksten ist, hat Karin Stehr ihr Geschäft für exklusive Brillenmanufakturen. Eine Brille ist hier nicht das Gestell, das die notwendigen Gläser hält, sondern ein Designobjekt, über dessen Entstehung, Hintergrund und Material die Mitarbeiter*innen ALLES wissen. Vor allem aber haben sie einen Faible für Gewagtes, da sind wir gerade richtig!
Pia Norberg ist eine Maskenbildnerin für die große Bühne. Ob die Ruhrtriennale, Musikvideos oder das Maskenkonzept für große Shows wie der der Aida-Kreuzfahrtschiffe – von der Stirnlocke bis zum Ziegenbart, vom Lidstrich bis zum blauen Auge kreiert Pia Erscheinungswelten. Ja, und jetzt auch Silkes Erscheinungswelt.
Und für alle, die jetzt neugierig geworden sind, was es mit Silkes „Das geheime Tagebuch der Carla Bruni“ auf sich hat, hier die Infos