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Palais F*luxx

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Macht doch, was ihr wollt!

Jeden zweiten Mittwoch stellen wir Euch eine Frau vor, die ihr Leben umkrempelt
oder sonst etwas tut, auf das sie gerade Lust hat

Heute: Irene Genzmer, Finfluenzerin

Irene Genzmer hat an Orten gelebt, an denen andere auf keinen Fall Urlaub machen möchten. Und ein Thema mit zurück nach Deutschland genommen: Die Notwendigkeit, dass Frauen Geld als Mittel zur Selbstbestimmung begreifen Foto: Reigs Binard


Miss Germany oder Finfluencerin? Irene Genzmer entschied sich zum Glück für Letzteres und zeigt Wege auf, wie Frauen ihre Finanzen sortiert kriegen, um nicht in der Dauerschleife aus geschenkter Care-Arbeit hängen zu bleiben. Nach überstandenen Krisen, die sie zum Teil rund um den Erdball führten, hat sie es endlich geschafft, Beruf mit Berufung zu verbinden.

Name: Irene Genzmer
Alter: 52
Beruf: Genderbeauftragte bei der GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit), finanzielle Feministin & Finfluencerin
Wohnt in: Frankfurt a. M.
Motto: In Bewegung bleiben und auf das Universum vertrauen.

Was beschäftigt Dich zurzeit am meisten?
Die Frage, welchen Einfluss soziale Normen auf das Finanzverhalten von Frauen haben, und welche katastrophalen Folgen das für Frauen und für die Gleichberechtigung hat. Die Frage, wie wir Frauen davon überzeugen können anzuerkennen, dass wir im Kapitalismus leben, und dass nicht mitzuspielen bedeutet, dass die Regeln ohne uns gemacht werden, aber trotzdem für uns gelten. Oder positiv formuliert: Wie wir Frauen dazu bringen können, Geld als Mittel zu Selbstbestimmung und Mitbestimmung zu verstehen und zu nutzen. Genau deswegen habe ich „The Sky Is The Limit“ gegründet; dort gibt’s alles zum Thema Frauen & Finanzen.

Super! Was treibt Dich an?
Ich bin überzeugt, dass wir in einer besseren Welt leben, wenn sie von Frauen und Männern gleichermaßen regiert wird. Ich will, dass Männer und Frauen überall die gleichen Rechte haben und gleichermaßen die Möglichkeit, diese Rechte durchzusetzen. Ich will, dass Frauen mitreden und mitbestimmen. Für sich selbst und für andere.

Gingen Deine Berufspläne als Kind schon in diese Richtung?
Mit zehn Jahren wollte ich Miss Germany werden. Aus heutiger Sicht eine gruselige Vorstellung, dass ich das mal wollte – wobei es im neuesten Format ja sogar um soziales Engagement geht. Als Teenager wollte ich erst Juristin und dann Architektin werden. Das könnte ich mir beides heute auch noch vorstellen. Aber es kam anders.

Erzähl!
Ich hatte nach der Schule keine Vorstellung davon, was aus mir werden sollte. Das wurde nach dem (Germanistik-)Studium nicht besser. Also bin ich in der PR gelandet. Das war nicht verkehrt und hat auch Spaß gemacht, aber irgendwann wollte ich da weg. Über eine Freundin kam ich zur „Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit” (GIZ). Nach ein paar Jahren wollte ich ins Ausland – selbst in der Entwicklungszusammenarbeit anpacken und nicht nur darüber berichten. Dank einer Chefin, die an mich geglaubt hat, wurde ich Beraterin in einem Projekt zu Arbeits- und Sozialstandards im Textilsektor, später habe ich dort auch die Genderkomponente übernommen. Da hat es klick gemacht. Endlich, mit 45 Jahren, wusste ich, was ich wirklich will: mit Frauen arbeiten, Frauen empowern, meinen Beitrag zur Gleichberechtigung leisten.

Du hast Dir also ein Fachgebiet nach dem anderen selbst erarbeitet.
So war es! Ich habe mich dann in den Sudan versetzen lassen, um vor Ort in einem großen Beschäftigungsförderungsprogramm Frauen darin zu unterstützen, ein kleines Business auf- oder auszubauen. Fachlich hatte ich davon keine Ahnung, aber da niemand in den Sudan wollte, habe ich die Stelle bekommen.

Klingt nicht ganz ungefährlich – oder?
Nach einem Militär-Putsch mussten meine Familie und ich das Land aus Sicherheitsgründen tatsächlich verlassen. Das war dann der Auslöser für eine längere Auszeit, in der ich angefangen habe, als Influencerin im Bereich finanzielle Bildung für Frauen zu arbeiten. Ein Herzensthema, denn strukturelle Diskriminierung von Frauen hat unmittelbar mit dem Zugang zu finanziellen Ressourcen zu tun – der Frauen verwehrt bleibt, wenn sie die natürlich unbezahlte Care-Arbeit übernehmen. Darauf aufmerksam zu machen, ist mir ein Anliegen.

Dein größter Erfolg?
Ich würde sagen, jede Dekade in meinem Leben hatte ihre Highlights: Mit Ende 20 habe ich meinen Uniabschluss mit summa cum laude gemacht, mit Anfang 30 bin ich mit meinem Mann zwei Jahre um die Welt gereist, in meinen Vierzigern habe ich den Deutschen PR-Preis für die beste Mitarbeiterzeitung gewonnen; mit meinen Jobs in Asien und Afrika konnte ich zu Women Empowerment beitragen, seit ich Anfang 50 bin, leiste ich als „Financial Feminist“ Aufklärungsarbeit zu struktureller Diskriminierung von Frauen und habe just meinen ersten Buchvertrag beim Econ-Verlag unterzeichnet. Außerdem bin ich seit Kurzem Genderbeauftrage der GIZ.

Worum geht’s in Deinem Buch?
Es wird um Frauen gehen, die Geld geerbt haben. Zum Glück habe ich eine Journalistin an meiner Seite, die genau das erlebt hat und überfordert war. Wir ergänzen uns sehr gut.

Das klingt alles ganz wunderbar; gab’s auch harte Zeiten?
Es gab Zeiten, in denen ich mich beruflich gelangweilt habe oder unglücklich war und nicht weiterwusste. Aber irgendwie ist es dann immer weitergegangen. Nicht zu wissen, was ich beitragen will in dieser Welt, war blöd. Seitdem ich das weiß und auch danach lebe, ist es besser. Auch privat gab es Höhen und Tiefen: Die Geburt unseres Wunschkindes hat unsere Ehe ins Wanken gebracht; das mit der Gleichberechtigung hatte ich mir anders vorgestellt. Aber wir haben es gut überstanden und insgesamt wurde mein Bewusstsein für Diskriminierung, Machtstrukturen und Privilegien dadurch geschärft.

Es gab auch externe Krisen, die mich beeinflusst haben: ein IS-Anschlag in Bangladesch (2016) und der Putsch im Sudan (2021). Beide Male mussten wir das Land verfrüht und unfreiwillig verlassen. Aber am Ende hat sich zumindest für uns als Familie alles gefügt: Beim ersten Mal konnten wir nach Kambodscha umziehen, wo wir vier Jahre gelebt haben und als Familie sehr glücklich waren. Beim zweiten Mal bin ich ins Sabbatical gegangen, um mich als Finfluencerin zu probieren. Ich habe gelernt, dankbar zu sein. Denn für die Menschen in den jeweiligen Ländern gab es diese Möglichkeiten nicht. Auch das prägt.

Wie empfindest Du Deine derzeitige Lebensphase?
Genial – endlich bin ich da, wo ich hinwollte. Wobei es jetzt erst richtig losgeht!

Was hat Dich zu dem gemacht, was Du bist?
Gute Frage. Gene? Das Glück, am richtigen Ende der Welt geboren zu sein? Disziplin war es bestimmt nicht. Eine gute Balance zwischen dem Bedürfnis nach Beständigkeit und Abenteuer; Spaß daran, die Komfortzone zu erweitern, und Mut zur Lücke.

Was ist Dein Rat an Frauen, die sich in der Mitte des Lebens neu aufstellen?

  1. Fangt an zu träumen – wie würdet Ihr wirklich gerne leben? Und dann überlegt, wie Ihr das umsetzen könnt.
  2. Holt Euch Hilfe (von Freund*innen, einem Frauennetzwerk, einer Coachin …)
  3. Füllt einen Fragebogen wie diesen aus – vor allem zu den Highlights in Eurem Leben. Es gibt sie, und es ist aufschlussreich, was Ihr als Highlights empfindet.
  4. Investiert in Euch selbst – immer!
  5. Und dann: in Bewegung bleiben und auf das Universum vertrauen.

Was möchtest Du unbedingt in diesem Leben noch mal tun?
Bei UN Women in New York arbeiten. 


Vielen Dank!

Das Gespräch führte Gerlind Hector, die dringend für ein Schulfach plädiert, das lehrt, wie man mit Geld und Versicherungen umgeht. Sie selbst hat erst vor ein paar Jahren gecheckt, dass sie sich als Freiberuflerin selbst um ihre Rente kümmern muss und Finanzberater gern zu Investments raten, bei denen sie selbst die größte Provision einsacken. Was Gerlind dagegen super kann: Versmaße bestimmen, französische Gedichte von Jean de La Fontaine aufsagen und natürlich lateinische Relativpronomen: qui quae quod – cuius cuius cuius…

Hier geht‘s zu Irene´s Homepage

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