Jeden Mittwoch stellen wir Euch eine Frau vor, die ihr Leben umgekrempelt oder sonst etwas tut, auf das sie gerade Lust hat
Heute: Angelika Baumann, Gründerin des Stricklabels allihopa und Schweden-Auswanderin
Kann auf Schnickschnack und Smalltalk gut verzichten: Angelika Baumannn Foto: privat
Happy birthday, sweet sixty … Geli Baumann macht sich zum runden Geburtstag ein feines Geschenk und wandert aus. Ab Januar 2025 wandert sie durch Småland, die Schären oder die Straßen Stockholms – Hauptsache, irgendwo in Schweden, wo Freiheit und wilde Natur locken. Was sie abgesehen von einem frisch gegründeten Stricklabel noch so umtreibt, erzählt sie uns im Gespräch …
Name: Angelika Baumann
Alter: 60
Beruf: Gründerin des Strocklabels allihopa
Wohnt: noch in Krefeld, ab 2025 in Schweden
Motto: Geht nicht, gibt’s nicht.
Was beschäftigt Dich zurzeit am meisten?
Mich beschäftigt im Moment sehr mein Umzug nach Schweden nächstes Jahr.
Meinen Raum in Krefeld aufzugeben, meine Kinder und Freunde nicht mehr spontan sehen und genießen zu können, das tut schon weh, auch wenn ich mich auf mein Leben in Schweden freue. Unabhängigkeit und die damit verbundene Freiheit, die ich in Schweden erlebe, sind ein großer Teil von mir. Wenn ich das noch mit meiner großen Liebe zur Natur verbinden kann, wird‘s optimal.
Auf was kannst Du gut verzichten?
Auf Menschenmengen jeglicher Art, auf Smalltalk – auch wenn manchmal notwendig. Arroganz ist völlig unnötig. Intolerante Menschen, meiner Meinung nach der Ursprung vieler Übel. Die Liste könnte lang werden …
Klingt spannend. Was treibt Dich an?
Ich habe ein eigenes kleines Kraftwerk in mir, das mich ständig antreibt, irgendetwas auszuprobieren und zu erschaffen. Meine Freude daran Ideen zu entwickeln und umzusetzen sind mein Motörchen. Sehr gerne auch mit anderen produktiven Menschen, ich bin eine absolute Teamplayerin. Sich gegenseitig zu inspirieren ist so befriedigend.
Was war als Kind Dein Traumberuf?
Mein Vater hatte in den 60ern eine kleine Werbewerkstatt mit Freunden gegründet.
Es gab eine Schreinerei und ein Entwurfsbüro. Heute würde man sagen, eine Werbeagentur, davon war diese Werkstatt allerdings meilenweit entfernt.
Da ich meine frühe Kindheit, statt in einem Kindergarten, dort verbringen durfte und mich immer an sämtlichen Materialien austoben durfte, stand für mich schon früh fest, „… das was Papa macht“. Also studierte ich Grafik-Design.
Wie ging’s weiter?
Ich habe mein Studium durchgezogen. Allerdings fehlte mir das handwerkliche Arbeiten und ich habe zwischendurch Ausschau nach einer Schreinerlehre gehalten. Es scheiterte tatsächlich in den 80er-Jahren daran, dass in den Betrieben keine Frauentoiletten vorhanden waren … unglaublich! Nach dem Studium hatte ich verschiedene Anstellungen in Werbeagenturen. Zwischendurch wurde ich Mutter, hatte aber zum Glück zwei engagierte Omas für das Kind, sodass ich weiter Vollzeit arbeitete. Nach elf Jahren bin ich dann durch Zufall als Lehrerin an einem Berufskolleg in Krefeld gelandet und habe dort im Gestaltungsbereich unterrichtet. Das hat mich eine lange Zeit sehr zufriedengestellt, junge Menschen für die schönen Dinge in der visuellen Wahrnehmung zu begeistern.
Nach abermals 22 Jahren „im Dienst“ wurde ich dann nach einem Burn-out in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Nun konnte ich mich endlich handwerklich austoben. So kam ich vor zwei Jahren auf die Idee, mich mit dem Stricken selbstständig zu machen und gründete mein kleines Label „allihopa“. Das ist schwedisch und bedeutet so viel wie „Alle zusammen“. Ich stricke auf Bestellung Cardigans, Pullover etc. Schaut gerne mal auf Instagram bei mir vorbei ☺.
Da erübrigt sich eigentlich die Frage, ob es Brüche in Deiner Biografie gibt …
Oh ja, es gab einige. Ich empfinde das immer als sehr spannend; das ist doch Leben! Auf neue Herausforderungen neu zu reagieren und zu schauen, was noch alles in einem steckt und sich so neu zu finden oder zu erfinden und zu positionieren.
Die nächste Herausforderung steht schon vor der Tür: mein Leben in Schweden.
Gab es auch eine echte Krise, die Du bewältigt hast?
Nachdem ich in dem Korsett des Schulsystems mit den immer engeren und unkreativeren Regeln und mit Menschen, die immer nur nach Norm funktionieren, nicht mehr klarkam, fiel ich in eine Depression. Ein fieses Gefühl, aus dem ich alleine nicht mehr herausfand. Ich habe mich dann in eine Reha begeben und mit der Hilfe der wunderbaren Menschen dort schaffte ich es, mich wieder zu fokussieren und fand meine Kraft und Begeisterung wieder. Heute bin ich sehr dankbar für diese Erfahrung, so schmerzhaft sie war. Ich habe viel gelernt, über mich und meine Stärken und über das, was mir guttut oder was ich lieber bleiben lasse. So kann ich meine Energie sehr zielgerichtet für das einsetzen, was ich brauche, um glücklich zu sein. Das gelingt zwar nicht immer, aber immer öfter.
Wie geht’s Dir heute?
Ich genieße meine Freiheit, tun und lassen zu können, was ich will. Auch sein zu dürfen, wer ich bin, ist ein wundervolles Gefühl ‚im Alter‘. Je oller, je doller, finde ich klasse. Ich bin wesentlich selbstbewusster als in jungen Jahren und habe (meistens!) die Freiheit, mich nur noch mit den Menschen zu umgeben, die mir guttun.
Dein Rat an Frauen, die gerade mitten im Umbruch stecken?
Vertraut Euch selbst, wie wir Niederrheiner sagen: „Et hätt noch immer jot jejange.“
Findet Euer Potenzial und seid so mutig, es auszuschöpfen.
Was hast Du zuletzt zum ersten Mal gemacht?
Ich war in einem Klettergarten, habe mich mit meinem kleinen Label „allihopa“ selbstständig gemacht, einen Beitrag auf Instagram gepostet (ging leider schief und meine Tochter musste mir helfen) und ein Dach gedeckt sowie eine Veranda gebaut.
Und was steht noch auf Deiner Bucketlist?
Ich möchte unbedingt mein neues Heimatland Schweden erkunden: zu Fuß, mit dem Kanu, auf einsamen Inseln campieren, Nordlichter sehen …
Hoffentlich werde ich bald mal Oma, auf diese neue Herausforderung freue ich mich auch sehr.
Was empfindest Du heute anders als noch vor 20/30 Jahren?
Ich stelle mich nicht mehr so oft in Frage und bin dadurch auch wesentlich selbstbewusster. Ich muss nicht mehr ‚funktionieren‘, um Anerkennung zu bekommen.
Vielen Dank!
Das Interview führte Gerlind Hector, die auch gern Dächer decken und auf einsamen Inseln campieren möchte. Je älter sie wird, desto lieber werkelt sie rum und streift durch die einsame Natur. Top-Entscheidung also von Geli, einfach mal loszuziehen. Merke: Erwiesenermaßen bereut man im Leben weniger die Dinge, die man vermasselt hat, als diejenigen, die man gar nicht erst probiert hat.
Angelika auf Instagram
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