Close

Palais F*luxx

Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre

Close

Es befinden sich keine Produkte im Warenkorb.

Lesen oder Lassen?

Buchbesprechung: Sigri Sandberg „Dunkelheit“


Worum geht es?
Ich bekam das Buch geschickt und dachte, ach je, wie langweilig. Dann warf ich einen Blick auf den Klappentext, dann auf die erste Seite und schwupp, war ich gefangen in der Liebeserklärung an den Nachthimmel. Die übrigens zunächst einmal eher gar nicht nach Liebe aussieht. Denn Sigri Sandberg, eine Journalistin, die beruflich in der Natur unterwegs ist, um darüber zu schreiben, erzählt von ihrer Angst vor der Dunkelheit. Und sie erklärt uns, dass sie trotzdem oder gerade deswegen die echte Dunkelheit erleben will. Ohne Straßenlampen, ohne Handybildschirm, ohne jegliches künstliche Licht. Und deshalb reist sie ganz allein in das Örtchen Finse im norwegischen Hochgebirge.

Was kann das Buch?
Wissen vermitteln, Gesprächsstoff liefern und Gedanken anstoßen. Im Nachwort schreibt die Autorin, dass sie sich wünscht, man käme überall auf der Welt zurück zu mehr Dunkelheit, weil es gesünder ist. Vorher fasst sie kurzweilig und unterhaltsam Studien und wissenschaftliche Erkenntnisse zu Themen wie Astronomie und Schlafgesundheit zusammen, mischt das mit ihren Eindrücken des Alleinseins in der schwarzen Nacht in Finse und der Anleitung ihrer Methode, das Gedankenkarussell am Abend abzustellen („Scheiß doch drauf“ ist ihr Einschlafmantra). Neben ihren eigenen Eindrücken gibt sie uns Auszüge der Aufzeichnungen von Christiane Ritter zu lesen, die 1934 einen ganzen Winter in einer Trapperhütte verbrachte.

Warum sollte mich das interessieren?
Weil es wohl neben dem Wetter kaum ein Thema bei Frauen über 47 gibt, das mehr besprochen wird als der Schlaf. Oder vielmehr, der nicht vorhandene Nachtschlaf. Vielleicht ist das blaue Licht der Ladebuchse dafür verantwortlich? Oder die Straßenlampe vor dem Haus? Natur, Stille und Dunkelheit, wie wichtig das alles für uns und unser Leben ist, all das zeigt dieses Buch auf. Die Journalistin analysiert nicht nur, sie macht Vorschläge, was man gegen Lichtverschmutzung tun kann und welche Länder in dieser Hinsicht bereits gute Vorreiter sind. 

Warum ist die Autorin interessant?
Sigri Sandberg, Jahrgang 1975, ist eine norwegische Journalistin, die über das Leben in den Polarregionen schreibt, aber auch über das Klima und das Leben in der Natur. Unter anderem hat sie mit der Polarforscherin Cecilie Skog zusammen vier ihrer 14 bisherigen Bücher geschrieben.  Auch die Übersetzerin Daniela Syczek muss an dieser Stelle erwähnt werden, für wunderbare Wortschöpfungen und deutsche Worte für manches, was es sicher nur in Norwegen gibt.

Kostprobe:
„Ich überlege, wie viele Zitronenfalter im Frühling überhaupt aus dem Winterschlaf erwachen. Der Mensch hat viele der größten Tierarten bereits ausgerottet, wir beeinflussen die Erde mehr denn je und stehen kurz davor, auch die kleinsten loszuwerden. 
Ich versuche zu schlafen. Ich versuche, auf alles zu scheißen, auch auf die Insekten. Nicht immer gleich einfach … Nur noch ein Blick auf das Telefon. Ich weiß, wie ich mein Handy in den Nachtmodus versetzen kann, damit der Bildschirm weicheres, gelberes, weniger blaues Licht abgibt. Das soll helfen, um nicht vom Leuchten aufzuwachen, doch am besten wäre es, es ganz auszuschalten, das ist mir schon klar. Ich reiße mich also zusammen, drücke den Off-Knopf und gehe aufs WC.

Sigri Sandberg: „Dunkelheit“, btb Verlag, 12 Euro, hier bestellen

Buchbesprechung: Anja Goerz

Close