Schaffen wir es, mit unseren Eltern über die Vergänglichkeit zu sprechen? Am besten, solange sie noch gesund und munter sind
Weshalb ist es so sinnvoll, sich mit dem Tod zu beschäftigen? Weil es es uns leichter macht, wenn wir uns peu à peu an eine nicht gewollte, aber unausweichliche Tatsache gewöhnen, als wenn wir das erst tun, wenn es so weit ist. Die wiederholte Beschäftigung mit der eigenen Endlichkeit und der unserer geliebten Menschen verringert die Angst vor unserem und ihrem Sterben. Sich erst als alter, kranker und hilfloser Mensch der Bewältigung dieser Angst auszuliefern, ist töricht. Auf eine Geburt bereiten wir uns auch monatelang vor, damit alles gut werden wird. Nur weil wir nicht wissen, ob und wie es hinter dem Horizont weitergeht und weil wir fürchten, dass die letzte Lebensphase sowieso unerträglich schlimm ist, denken wir, es sei nicht nötig, sich die Zeit des Sterbens klar vor Augen zu führen.
Das Sterben ist der Ausklang eines Menschenlebens und es verdient so offen, klar und warmherzig damit umzugehen wie möglich. Wir tun so, als wäre Sterben eine peinliche Angelegenheit, die in den Hoheitsgebieten der Krankenhäuser passiert, wo wir unsere Liebsten einfachheitshalber der medizinischen Versorgung schicksalsartig anheimgeben. Denn eigentlich möchten wir nichts mit diesem Unbekannten zu tun haben.
Es bedarf einer Annäherung
Das Gegenteil sollte der Fall sein, gerade deshalb ist es unsere Aufgabe, uns mit dem Sterben bekannt zu machen. Unsere gemeinsame mentale und emotionale Vorbereitung ist unser wichtigstes und letztes Geschenk, das wir unseren Eltern oder Freunden geben können. Ein Geschenk, das wir als Abrundung eines Lebens so schön, wie es nur irgend geht, machen wollen. Etwas, das schön und würdig werden soll, muss geplant und vorbereitet werden. Und so sollte das Sterben nicht ein unerwartetes Ereignis sein, in das wir chaotisch und vollkommen unwissend und überfordert hineinstürzen. Hineingestürzt werden. Insgesamt zählt diese Phase um das Wissen des nahenden Todes zu den intensivsten Erfahrungen in unserem Leben. Auch das ist ähnlich wie bei einer Schwangerschaft.
Lasst uns übers Sterben reden. Jetzt
Das Verschweigen und Verdrängen der Endlichkeit des Lebens strengt sehr an, es verbraucht viel Energie. Verdrängung ist ein ungeheurer Kraftfresser – während das Besprechen Kraft freisetzen kann. Im Unterbewusstsein fährt das Denken an den Tod sowieso immer wie in einem dunklen Tunnel mit. Da wäre es sinnvoller, es ans Tageslicht zu holen und genau zu betrachten.
Um die Ängste unserer Eltern und unsere eigenen zu mindern, hilft nur das mutige und liebevolle Sprechen über das zukünftige Lebensende. Am besten setzen wir uns mit unseren Eltern zusammen, wenn sie noch bei guter Gesundheit und wachem Kopf sind und versuchen über das Thema Endlichkeit zu sprechen. Ja, lasst uns mit unseren Eltern oder unseren Freund*innen übers Sterben reden! Über die vielen psychischen und auch praktischen Aspekte, die der Blick auf das Sterben freilegt. Idealerweise haben wir uns schon für uns allein mit unseren Ängsten und Vorstellungen beschäftigt und können ihnen sagen, was wir uns für uns wünschen. Das nimmt ihnen vielleicht die Hürde und erleichtert ihnen das Aussprechen des bislang Verschwiegenen.
Das Wichtigste dabei ist zu betonen, dass ein Klären, Sortieren und Vorbereiten leichter und freier macht, da den Dingen klar ins Auge gesehen werden kann.
Positive Formulierungen für ein schwieriges Thema
Wir könnten sagen: Mama, Papa, ich freue mich sehr, dass Du so kraftvoll bist und Dein Leben selbst bestimmt leben und es richtig genießen kannst – und ich wünsche mir und Dir, dass es so bis in alle Ewigkeit bleiben wird!!! Und dennoch muss ich manchmal daran denken, wie es wäre, wenn sich Dein Leben verändern würde. Denkst Du auch manchmal daran? Machst Du Dir Gedanken über Dein Lebensende, den Tod? Was denkst Du, könnte danach sein? Hast Du Angst vor dem Tod? Wovor genau fürchtest Du Dich? Vor eventuellen Schmerzen, zusehen zu müssen, wie Dein Körper verfällt? Hast Du Angst, abhängig zu werden? Hilflos? Oder einsam? Was ist Deine schlimmste Vorstellung? Ich kann Dir sagen: Ich bin da für Dich, ich werde in Zukunft und auch wenn es Dir schlecht geht, bei Dir sein und Dich begleiten.
Was können wir schon jetzt vorbereiten, klären, schriftlich aufsetzen? Auf praktischer Seite steht an, die Papiere zu definieren, die uns im Notfall Handlungssicherheit geben: Vollmachten bei Banken, Vorsorgevollmachten sowie die Patientenverfügung, die den Grad medizinischer Lebenserhaltungsmaßnahmen am Lebensende festlegt. Es wäre für Dich und für mich erleichternd zu wissen, dass alles geklärt ist. Denn im Fall des Falles kann schnell gehandelt werden und man muss nicht Zeit mit nervenaufreibenden Vorgängen verlieren.
Was würdest Du anders machen, wenn Du wüsstest, dass Du nur noch ein Jahr leben würdest?
Was möchtest Du erleben oder klären? Kann ich Dir dabei behilflich sein? Gibt es Menschen, denen Du etwas sagen oder schreiben möchtest? Kennst Du die Sammlung der australischen Songwriterin Bronnie Ware, die jahrelang als Palliativschwester arbeitete und die sterbenden Menschen, die sie betreute, fragte, was sie rückblickend bereuten? Die meisten antworteten: Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mein eigenes Leben zu leben. Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet. Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, meine Gefühle auszudrücken. Ich wünschte, ich hätte den Kontakt zu Freunden aufrecht gehalten und mir insgesamt erlaubt, glücklicher zu sein.
Was würdest Du Dir noch wünschen für Deine kommenden Jahre? Noch hast Du Zeit nachzuholen, auszuprobieren und umzusetzen, was Du Dir vielleicht immer schon, bewusst oder heimlich, gewünscht hast! Los, Mama, Papa – sei mutig und mache es. Damit Du an Deinem Lebensende nichts zu bereuen brauchst.
Bei Fragen oder Interesse, etwa diese Aufgaben gemeinsam in einer Gruppe zu machen, meldet Euch gerne bei Gyde Greta Cold, Trauerrednerin und Trauerbegleiterin www.trauerrede-cold.de
Gyde Greta Cold ist als Journalistin bereits ihrem Interesse für Menschen und ihrer Liebe zum Wort nachgegangen. Als Trauerrednerin vereint sie beides, indem sie Abschiedsfeiern verwirklicht und als Trauerbegleiterin Trost spendet. Gydes Homepage
Literatur:
Lisa Freund: „Geborgen im Grenzenlosen – Neue Wege zum Umgang mit dem Sterben“
Bronnie Ware: „5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“
Wenn Du in seelischer Not bist und Hilfe brauchst, wende Dich bitte an eine der folgenden Nummern:
- Telefonseelsorge: 0800/1110111 oder 0800/1110222 telefonseelsorge.de
- Bundesweit tätige Trauerbegleitung findest Du hier: bv-trauerbegleitung.de/angebote-fuer-trauern/hier-finden-sie-unsere-trauerbegleiterinnen/
- Deutschlandweites Info-Telefon Depression 0800 33 44 5 33 (kostenfrei) deutsche-depressionshilfe.de
- Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS): Adressen von helfenden Einrichtungen, Ansprechpartner nach Bundesländern geordnet, Tagungen, Hintergrundinformationen zu Suizidalität www.suizidprophylaxe.de
- Kompetenznetzwerk zur Begleitung von Krise, Tod und Trauer in Zeiten von Corona KontaCt 2020 der Trauerbegleiterin Chris Paul www.chrispaul.de/kontact2020/
- Internetseelsorge.de ist ein Portal zu katholischen Seelsorgeangeboten im Internet www.internetseelsorge.de/