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Palais F*luxx

Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre

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Lasst uns übers Sterben reden!

Ein Herzensmensch gestorben, was ist jetzt zu tun und was tue ich auf keinen Fall?

Plus: Woran erkenne ich eine*n gute*n Bestatter*in?

Gyde Greta Cold weiß: Über Ängste und Trauer ins Gespräch zu kommen, macht nicht nur das Sterben leichter – sondern auch das Leben

Es ist geschehen – das nie Gewollte, aber doch Erwartete: Unsere Mutter oder unser Vater, unser Freund oder unsere Freundin ist gestorben. Gerade haben wir den Anruf aus dem Krankenhaus, dem Hospiz oder dem Pflegeheim erhalten. Meist schießt als erstes die Frage in den Kopf: Weshalb war ich nicht da, als er/sie starb, wieso ausgerechnet jetzt, wo ich nur kurz nach Hause wollte, um etwas zu essen? Eben war ich doch noch bei ihr/ihm. 

Warum sterben die meisten Menschen, wenn gerade niemand bei ihnen ist? 
Sie sterben nicht, weil wir sie nicht umsorgt haben, sondern weil sie leichter gehen können, wenn wir sie nicht mit unserer Liebe ans Leben binden. Sie können ihr Dasein eher loslassen, wenn sie allein mit sich sind. 

Was tun wir nun? Vor allem: ruhig bleiben. Es gibt überhaupt keinen Grund, in Hektik oder Panik zu verfallen. Es gibt keinen Grund zur Eile. Im Gegenteil: Die Zeit bleibt stehen. Die Lebenszeit unseres verstorbenen Menschen ist gestoppt. Und wir erlauben uns, innezuhalten und uns diesem existenziellen Moment hinzugeben. 

Wir haben jetzt viel Zeit. Zeit, um eine Kerze anzuzünden, vielleicht einen Schnaps zu trinken und auch, um uns in aller Ruhe zu unserem toten Menschen zu setzen und ihn zu betrachten. Wir schauen, welchen Gesichtsausdruck er hat, wie er sich anfühlt, wir streicheln ihn. Wir brauchen keine Berührungsängste zu haben – es ist doch derselbe Mensch, den wir eben noch gepflegt oder begleitet haben. Nur ohne Atem. Ohne Bewegung. Ohne Reaktion. Leblos. Je nach Todeszeitpunkt vielleicht kälter und steifer, weil sich die Muskeln verhärten. Unsere Furcht vor Geruch der Verwesung ist jetzt vollkommen unbegründet. Der tritt frühestens 30 bis48 Stunden nach dem Todeszeitpunkt auf. 

Wir sprechen mit dem Menschen, den wir verloren haben, und weinen, weil er nicht mehr antworten kann. Können wir etwas von seiner Seele spüren? Merken wir, dass sie entweicht, wie manche sagen? Möchten wir ihr das Fenster öffnen oder gerade nicht, weil sie beim Körper bleiben soll, zur Vorbereitung auf das nächste Leben, was Buddhisten und Hindus denken? Da wir alle nicht wissen, ob die Seele noch weiter existieren wird, entscheiden wir entsprechend des Glaubens unseres Toten oder nach unserem Gefühl.

Dieses Sein in Stille ist ein wichtiger Teil der Verabschiedung, es ist das Gewahr-Werden dessen, was geschehen ist. Dafür dürfen wir uns viel Zeit schenken. 

Raum für den Abschied
Viele Krankenhäuser, Hospize oder Pflegeheime geben inzwischen die Möglichkeit, sich in Ruhe im selben Zimmer oder in einem separaten Abschiedsraum zu verabschieden. Möglich ist auch, dass wir unseren verstorbenen Menschen später von einer Bestatter*in nach Hause holen lassen, um ihn dort für 36 Stunden aufzubahren. Er kann dann in einen offenen Sarg umgebettet werden. So wie es früher auf dem Dorf üblich war, können nun alle Verwandten, Freunde und Nachbarn kommen, den Toten sehen und sich verabschieden. Unser Mensch gehört ja nicht uns allein, sondern er war Teil einer Gemeinschaft, die auch ein Recht darauf hat, sie oder ihn noch einmal zu sehen. Das kann zu Hause geschehen, in einer kleinen Kapelle oder einem Abschiedsraum beim Bestatter. Wenn es im Sommer sehr heiß ist, kann der verstorbene Mensch auf einem Kühlkissen ruhen.

Ist unser Mensch zu Hause gestorben, sollten wir auf keinen Fall die Feuerwehr anrufen. Wir merken ja, dass er nicht mehr lebt. Es braucht keine Rettung mehr stattzufinden. Denn kommen die Lebensretter, nehmen sie den Verstorbenen mit und bringen ihn in die Pathologie. Das macht nur Sinn, wenn jemand vollkommen unerwartet gestorben ist und wir unbedingt die Ursache des Todes erfahren möchten. Oder jemand nach längerer Zeit tot aufgefunden wurde. 

Stattdessen rufen wir den Hausarzt oder die Hausärztin an, der/die unseren Menschen schon lange Zeit kannte. Aber auch das muss nicht sofort geschehen und kann je nach Nacht- oder Tageszeit erst nach ein paar Stunden passieren. Er/sie wird im Laufe des Tages kommen und den Tod bestätigen. Am Wochenende ist dafür der kassenärztliche  Bereitschaftsdienst zuständig, also ein Notarzt, der bundesweit unter der Telefonnummer 116 117 zu erreichen ist. 

Es ist viel Zeit. Wir müssen nicht hetzen
Was wir jetzt überhaupt nicht machen müssen: schnell einen Bestatter anrufen, damit der verstorbene Mensch sofort abgeholt wird. Nein! Wir stehen nicht unter Zeitdruck. Viele Bestatter suggerieren uns, dass wir sofort handeln müssten – indem sie annoncieren, dass sie rund um die Uhr erreichbar sind! Das ist eine reine Werbemaßnahme, die mit dem real möglichen Prozedere nichts zu tun hat. Denn zunächst muss ein Arzt kommen und den Tod bestätigen. Und der kommt niemals in der Nacht und vermutlich auch nicht sofort am Morgen. 

War der Arzt da, können wir langsam überlegen, welche*n Bestatter*in wir wählen, oder den/die bereits gewählte anrufen. Glücklich können sich nun diejenigen schätzen, die alles, was jetzt folgen muss, bereits geklärt haben und ihren Plan abarbeiten können.

Ist das nicht der Fall, müssen jetzt viele, viele Entscheidungen getroffen werden – und das ausgerechnet in den Tagen, in denen wir als Trauernde sehr angeschlagen, verwirrt und vielleicht auch traumatisiert sind. Und eigentlich so entscheidungsunfähig wie nie. Das ist der Zustand, in dem wir auf einen Bestatter treffen – und der möchte Geld verdienen. Mit der Feststellung des Todes kommt die Kommerzialisierung des Todes ins Spiel.

In Deutschland gilt die Bestattungspflicht – jede/r Tote muss entweder auf einem Friedhof oder in einem Friedwald in der Erde bestattet werden. Bei einer Seebestattung wird die Asche auf dem Meer verstreut. Im Ausland sieht es anders aus. Man darf beispielsweise die Asche aus Deutschland mit nach Spanien nehmen und überall verstreuen, wo man möchte – manche verewigen ihren Menschen auf dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela. Inzwischen sind manche Bestatter*innen offen für vieles und versuchen, die Wünsche der Angehörigen – pst! – über die Grenzen der Gesetze hinaus auszuführen. 

Wollte Mutter verbrannt werden oder lieber in einem Sarg bestattet sein? Möchte Papa auf dem Meer seine Asche ausgestreut wissen, schließlich war er als Kapitän auf allen Weltmeeren zu Hause? Wäre die Freundin mit einem normalen Friedhof zufrieden gewesen oder sollte es doch eher ein Friedwald sein? Dort sorgen wir für Naturschutz, denn der Baum, an dessen Fuß die Urne versenkt wird, darf 100 Jahre lang nicht gefällt werden. 

Wir sollen Entscheidungen treffen, wenn wir es überhaupt nicht können
Um all diese Abwägungen und Entscheidungen nicht zu einem Zeitpunkt fällen zu müssen, an dem wir eigentlich im Dunkeln auf dem Sofa liegen und uns unserer Trauer hingeben möchten, wäre es ideal, wenn wir bereits mit unseren Eltern oder Freunden zusammen überlegt haben, wie das „Danach“ sein soll. Wir legen fest und schreiben es auf. Damit es kein Vertun gibt. 

Machen wir das rechtzeitig, ersparen wir uns und allen Beteiligten viel Kummer und nervenaufreibenden Stress. Ist nichts vorher geklärt und die Familie in einem harmonischen Miteinander und dem verstorbenen Menschen in Liebe zugetan gewesen, werden wahrscheinlich alle sich einigen können und im Nachhinein den Wunsch des geliebten Menschen ableiten und umsetzen können.

Viele Familien oder Paare beschäftigen sich bewusst mit ihrem Tod und schließen mit einem Bestatter einen Vorsorgevertrag ab. Das heißt, sie legen fest, ob sie verbrannt oder in einem Sarg beigesetzt werden möchten. Sie suchen sich eine Grabstätte aus, sie besprechen, wo und wie die Abschiedsfeier sein soll und ob ein*e kirchliche*r oder ein*e weltliche*r Redner*in über ihr Leben sprechen soll. Und sie bezahlen auch bereits alles. Damit die Kinder kein Problem damit haben werden – weder finanziell noch bei den zu fällenden Entscheidungen. Immer beliebter werden anonyme Bestattungen, weil Angehörige in der ganzen Welt verstreut leben und gerade Eltern ihren Kindern keine Belastung mit der Grabstätte zumuten möchten. 

Wollen wir etwas anderes, weil wir etwa auf jeden Fall einen festen Ort für das Grab unserer Eltern wünschen – schauen wir uns die Stornierungsbedingungen des Vorsorgevertrags an und verhandeln neu mit dem Bestatter oder einem anderen. 

Besonders schwierig wird es, wenn nichts festgelegt wurde und es zwischen Geschwistern keinen Kontakt und Ablehnung gibt. Dann muss alles in einem mühsamen Prozess besprochen und entschieden werden, obgleich eigentlich keiner mit dem anderen sprechen möchte. Geschwister geraten in Streit, fügen sich weitere Schmerzen und  Verletzungen zu. Jede Entscheidung gerät zu einem Machtkampf, weil jede/r die Deutungshoheit über die eventuellen Wünsche des Elternteils für sich beansprucht. Manchmal bleibt dann eine Partie der Bestattung fern. Mit einem guten Abschied hat das nichts zu tun und anstatt die eh schon schwierige Trauerarbeit zu leisten, ist man mit alten Hassgefühlen beschäftigt.

Woran erkenne ich eine gute Bestatterin, einen guten Bestatter?
Woran erkenne ich gute Bestatter*innen, denen es wirklich um meine individuellen Vorstellungen und Wünsche der Beisetzung meines geliebten Menschen geht? Und nicht um den möglichst schnellen und umfassenden Vertragsabschluss und das Kassieren für Dinge, die ich eigentlich gar nicht möchte. Viele Bestatter machen ihre Arbeit gut, das ist keine Frage. Aber viele möchten nicht den 08/15-Bestatter, der sein festes, tristes, konventionelles Programm abspult, das noch in weiten Zügen an die Tradition einer konservativ-kirchlichen Bestattung anknüpft. 

Gute Bestatter*innen klären gleich darüber auf, dass der verstorbene Mensch bis zu 36 Stunden aufgebahrt sein darf. Und sie bieten übrigens keine Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft an. Weil sie mit Freiraum arbeiten. Es sind diejenigen, die einen ethischen Auftrag fühlen und denen es wichtig ist, einen verstorbenen Menschen so würdevoll und so individuell, wie sein Leben es war, zu behandeln. Sie möchten, dass die unter Schock stehenden Angehörigen sich nicht unter Druck gesetzt fühlen, sie wirken beruhigend und geben der Familie Zeit und Raum für Überlegungen und die Entscheidungen. Gute Bestatter*innen lassen nicht gleich beim ersten Termin alles unterschreiben, sie geben Entscheidungszeit. Das können ruhig mehrere Tage sein. 

Gute Bestatter*innen beziehen die Zugehörigen mit ein, sie fragen, ob jemand den Körper der Toten waschen oder dabei sein möchte, wenn sie es tun. Da sich die Leichenstarre nach 24 bis 48 Stunden wieder löst, kann man die Verstorbenen etwas säubern, wenn es wirklich notwendig ist und ihr das Lieblingskleid oder ihm den liebsten Anzug anziehen.

Anspruchsvollen Bestatter*innen ist es wichtig, dass die Trauerredner*innen, mit denen sie zusammenarbeiten, mit einem offenen und liebenden Herzen individuelle Reden maßschneidern. Und nicht Reden von der Stange halten, die allgemeingültig auf jeden Menschen passen würden und in denen der verstorbene Mensch lediglich in vier Sätzen erwähnt wird.

Die schönsten Abschiede sind die, bei denen auch Freund*innen und Verwandte sprechen, vielleicht nur ein paar Minuten, in denen sie ihre Beziehung zu dem verstorbenen Menschen darlegen und ihn aus ihrer Wahrnehmung beschreiben. Die meisten von uns wünschen sich lebendige Feiern, die dem Leben gleichen. Feiern, bei denen Freund*innen selbst Musik spielen oder der Heavy Metal-Lieblingssong laut gespielt wird, Gedichte des Toten vorgetragen, Fotos aus seinem Leben oder bei Künstlern deren Kunstwerke gezeigt werden. Und bei denen laut geweint werden darf. Öffentlich und in der Gruppe der Trauernden den Gefühlen Ausdruck zu geben, ist für alle sehr bewegend und bereichernd.

Gute Bestatter*innen interessieren sich für den Menschen, stellen Fragen, leisten begleitende Trauerarbeit, indem sie aufklären und die Zugehörigen wie Erwachsene behandeln, die selbst am allerbesten entscheiden können, welchen Sarg, welche Trauerkarte mit oder ohne Gedicht sie wählen möchten. Wo, an welchem zum Leben des Menschen passenden Ort die Feier sein kann: bei einer Galeristin beispielsweise in ihrer Galerie, bei einem Kneipengänger mit seinen Kumpels in der Stammkneipe, oder im Lieblingscafé. Die leitende Frage ist: Was passt am besten, was entspricht der Person? Was hätte sie oder er toll gefunden? Wo fühlen sich alle wohl? Gute Bestatter*innen folgen keinen eingeschlafenen Konventionen, sondern ermöglichen alles, damit sich in einer schönen Abschiedsfeier das Sein des Menschen und sein buntes Leben so umfassend wie möglich entfalten. Das wäre die authentische Abrundung eines Menschenlebens – die, in der trauernden Gemeinschaft erlebt, lange stützend und verbindend nachwirkt. 

Bei Fragen oder Interesse, etwa diese Aufgaben gemeinsam in einer Gruppe zu machen, meldet Euch gerne bei Gyde Greta Cold, Trauerrednerin und Trauerbegleiterin www.trauerrede-cold.de

Gyde Greta Cold ist als Journalistin bereits ihrem Interesse für Menschen und ihrer Liebe zum Wort nachgegangen. Als Trauerrednerin vereint sie beides, indem sie Abschiedsfeiern verwirklicht und als Trauerbegleiterin Trost spendet.. Gydes Homepage

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