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Palais F*luxx

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Ich will tanzen!

Befürchtungen auf dem Festival allein zu sein? Recht unbegründet, würden wir sagen
Foto: Aditya Chinchure/unsplash

„Macht doch, was Ihr wollt!“ heißt eine unserer Rubriken. „Tu ich!“ hat sich Ann-Kathrin Witte gedacht und ist auf ein House-Festival mit 4000 Besucher*innen nach Malta gefahren. Allein. Ein Festival-Besuch in drei Akten, eine „MDWIW-Erlebnis-Reportage“ sozusagen


Mein Sofa hatte im März dieses Jahres gewaltige Sitzkuhlen bekommen. Der zweite Pandemiewinter hatte mich zum exzessiven digitalen Dauergast auf allen einschlägigen Onlineforen meiner Musikszene, House, gemacht. Beseelte, glückliche Menschen tanzten zu den Sets fantastischer DJs meiner Musikwelt und ich hockte auf dem Sofa und wippte mit den Füßen.
Seit acht Jahren bin ich House-Musik verfallen, am liebsten höre ich Folamour, DJ Spiller, Joey Negro und DJ Melvo Baptiste.

Meine Sehnsucht nach einer großen, kreativen, begeisterten und schwitzenden Tanzmeute wuchs ins Unermessliche und plötzlich ploppte ein Angebot von Defected und Glitterbox, einem britischen House Label, auf: Festival auf Malta im Oktober! Drei Tage, 50 DJs, Tages- wie Nachtvenues! Große Sehnsucht und sofort Zweifel: ich allein? Die Älteste? Kondition? Organisation? Renne ich einem Jugendbild hinterher und erliege einem verzweifelten Anschlusszwang? Und kann ich allein einen Event genießen, ohne mit meiner Crowd unterwegs zu sein?
Macht doch, was Ihr wollt, denke ich und schwups gebucht! Hilft ja nix, und eine muss es ja machen. Malta – ich komme!


1. Akt: Anreise und Ankommen

Wenn schon allein unterwegs, dann will ich es besonders gut haben! Feine, stressfreie Flugzeiten und vor allem erstmalig ein VIP-Ticket. Hier habe ich kurz gezuckt, wie spießig ist das denn? Aber Fast lane am Eingang und Möglichkeiten, zwischendurch sitzen zu können, noch dazu im VIP-Bereich, erschienen mir zur Erholung ganz hilfreich. Ich darf das!, denke ich, Alterszuschlag ist okay. Und wenn ich schon allein reise, dann will ich auch mitten rein ins Geschehen. Ich entscheide mich für das angebotene Festival-Hotel. Dann ist Frühstück mit Gleichgesinnten inbegriffen und vielleicht ergeben sich nette Kontakte. Ein Pool ist dabei – sehr gut gegen morgendlich geschwollene Beine und Augen.

Als ich im Hotel ankomme, spüre ich sofort die besondere Festivalatmosphäre. Festivals sind cool, weil es alle Zeit der Welt gibt um sich hinzugeben. Nicht nur ein paar Stunden Spaß, sondern eine gemeinsame Reise für ein paar Tage. Die Leute sind einfach alle entspannt, da jeder Alltag ausgeblendet wird. Und das Beste: Musik verbindet!

Schon an der Rezeption ist eines klar: Ich bin die einzige Deutsche! Nur Briten – und die können feiern! House hat seine Wurzeln auch in der queeren Szene und zeichnet sich durch das gelebte Motto aus: In Our House We Are All Equal – All Life Long! Das Publikum stimmt: alt wie jung, allein oder gemeinsam – alle Nationalitäten, alle Orientierungen. Ich freue mich über mein Einzelzimmer, und mit Chip-Armbändern bestückt, die ich wie Trophäen in den nächsten Tagen tragen werde, ist auch mein digitales Onboarding schnell erledigt. Noch ein paar Apps runterladen und ich bin um 16 Uhr bereit, am Tag vor Festivalbeginn eine kleine Runde durchs Hotel zu drehen und es entspannt angehen zu lassen.

Aber von wegen entspanntes Ankommen! Ab 16 Uhr legt ein Star des Festivals im Rahmen einer exklusiven Pre-Party im Hotel auf und ab 18 Uhr gibt es kein Halten mehr! Die ersten auf der Tanzfläche sind eine Gruppe Mittsechziger! „Hey Darling – are you fine?“, fragt mich einer. „Yes, I am!“, antworte ich und lächle glücklich.  
Velda, im Gegensatz zu mir eine erfahrene Alleinfeiernde aus London, gibt mir wertvolle Tipps und ihre Handynummer: „See you tomorrow, love!“ Noch ein paar kurze geteilte Ideen, zu welchen Sets es sich zu gehen lohnt oder auch nicht, und schon fühle ich mich nicht mehr allein.
Um 22 Uhr denke ich kurz: Wo soll das bloß enden? 28 Grad und vier Stunden mittanzen, schon spüre ich meine Füße nicht mehr. Also ab aufs Zimmer, Balkontür offen, Musik kann ich auch noch vom Bett aus hören. Eine Tüte Magnesium Compact und viel Wasser, dann wird das schon!

Sehr geil so´n Festival: Man kann tagsüber anfangen, zu tanzen, oder so lang bis es wieder hell wird. Oder so lang, bis man nicht mehr weiß, ist es noch hell, oder schon wieder? Foto: Michael Benz/unsplash

2. Akt: Festival – muss ich alles schaffen?

Nein! Es hat nix mit schwächerer, altersbedingter Kondition zu tun, wenn ich manches auslasse. Viel geht, aber nicht alles. Mit dieser Haltung bin ich nicht allein.
Mit dem Shuttlebus geht’s am ersten Abend los zum Festivalgelände – und so eine Busfahrt mit feierwütigen House-Fans ist lustig! Hinter mir Jason – Brite aus London. Auch er ist in den Mittvierzigern. 20 Minuten Smalltalk über die Musik und auch er lobt meinen Mut zum Alleinreisen. Das tut immer wieder gut, der Respekt dafür, sich allein auf den Weg gemacht zu haben.

„Have fun, see you!“, sagt er und schon tauche ich in der Menge auf dem Gelände ab. Erste wichtige Frage für mich: Gibt es genug Toiletten? Aufgrund mangelnder Motivation für Beckenbodengymnastik ist das fixe Erreichen eines WCs unabdingbar wichtig für mich geworden und erinnert mich mal wieder an meine ungeliebte Work-Out-Aufgabe diesbezüglich. Aber: Genügend Toiletten da, alles perfekt, sauber und top organisiert. Beim kurzen WC-Schlangestehen lasse ich eine junge Frau, Marie und zarte 21 Jahre alt, vor. Fünf Minuten später gibt sie mir als Dank an der Hauptbühne ein Bier aus. Wie reizend ist das denn? Wir plaudern ein bisschen und grüßen uns noch die nächsten Tage auf den anderen Events.

Mein Kopf will mehr als meine Beine können. Ich streiche schon um 01.30 Uhr die Segel und gönne mir ein Uber zurück ins Hotel. Es war so großartig, und es liegen noch zwei Tage vor mir! Die Fahrten nachts allein zurück ins Hotel, wenn man müde und erfüllt ist, sind meine einsamen Momente. Klar wäre es schön, jemanden dabei zu haben, der einen über die Hotelschwelle trägt und die Füße massiert. Kurze, verträumte Fantasie. Aber das sind nur Gedanken und die gehen auch wieder vorbei. Dann stelle ich mir einen besoffenen, gereizten Schnarchbären vor und alles ist wieder fein. Vielleicht nicht besonders kreativ, aber hilfreich. Und ja – ein Festival-Hotel in der Nacht bedeutet auch, dass der junge, tätowierte Zimmernachbar noch am nächsten Vormittag kotzend über dem Klo hängt. Ein kurzes Klopfen meinerseits: „You are fine? Need a doctor?“, konnte ich mir nicht verkneifen und wurde mit einem netten Kaffee von ihm am nächsten Morgen belohnt. Altersbonus? Egal, wieder reizend!

Die nächsten zwei Tage waren meine Highlights! Tanzen tagsüber in der Sonne ab 12 bis acht Uhr abends. Der Knüller! Das Motto: Lass es glitzern! Sei Du selbst! Großartig! Alles ist erlaubt, auch wenn ich nicht immer alles sehen will! Die Brit-Girls sind der Hammer! Über Geschmack lässt sich streiten, aber das Selbstbewusstsein und ihr Spaß am Styling heben die Idee der Bodypositivity für mich auf eine neue Dimension. Glitzer, Glitter, Haarextensions, knappe Shirts und Röcke der vielen Frauen, egal welchen Alters oder welcher Figur, lassen die Festivalatmosphäre gewaltig knistern. Eine junge Frau, Sophie und Mitte dreißig, bringt es auf den Punkt: Will ich alles sehen? Nein. Aber hey, es ist Party und okay! Wir sind uns einig, dass allein zu reisen besser ist als jemanden mitzunehmen, der nicht mit der Musik vertraut ist und eher zweifelnd unterwegs ist. Ich fahre lieber allein, als Überzeugungsarbeit leisten zu müssen: zu laut, zu eng, zu viel Rauch, zu lautes Hotel, blöde Musik oder die generelle Frage: Muss das sein? Ja, es muss sein. Es ist genau so, wie ich es will! Das ist großartig! Ich kann nur sagen, LADIES: Wer tanzen gehen will, muss sich aufraffen und einlassen! Aber die Belohnung sind tolle Musik und – vor allem – neue Eindrücke. Das Disco-Schläfchen am besten von 17 bis 20 Uhr abhalten, dann entspannt zurechtmachen und einstimmen. Dann geht’s los!

3. Akt: Abgang

Die zwei Tage draußen in der Sonne mit meiner Musik und meinen Leuten waren der Traum! Und jetzt startet die After Party im Hotel. Ich bin noch nicht geduscht, aber egal – in Flips-Flops drehe ich noch eine letzte Runde, die Tanzturnschuhe sind schon in die Ecke geschmissen und so steppe ich noch ein paar Lieder ganz entspannt mit. Die anderen Tanzbären sind auch müde – und glücklich. Scheiß auf Optik – auch die gemeinsame Katerstimmung ist schön. Fast wie damals am Küchentisch der WG – alles easy, entspannt, es ist ok, so zu sein, wie man ist …

Es war mir mit all den Leuten und mit mir ein Fest, hier auf Malta gewesen zu sein. Der Kopf ist leer, die Seele entspannt, die Eindrücke überwältigend und der Alltag ganz weit weg. Schon heute kündigen Defected und Glitterbox an, dass es im nächsten Jahr auf Malta wieder heißen wird: House All Life Long! Das Magnesium gegen die Muskelschmerzen ist jetzt alle, aber das kaufe ich nach. Denn eines ist klar: Im nächsten Jahr bin ich wieder dabei!

Die Ankündigung zu Ann-Kathrins Festival. Sieht gut aus. Macht Lust auf 2023


Meine Festival-Tipps:

1. Such Dir Dein Thema, für das Du Leidenschaft hast, egal ob Kunst, Musik oder anderes!

2. Schmeiß Dich mitten rein!

3. Du bist nicht allein – alle sind Fans!

4. Großartig, dass Du Dich alleine auf den Weg gemacht hast, feiere Dich dafür!

5. Spam alle Deine Freunde ungefragt mit Deinen Eindrücken zu!

6. Trau Dich allein loszugehen und nimm nicht aus Angst jemanden mit, der nicht genauso für Dein Thema brennt!

7. Magnesium Compact gegen Muskelschmerz!

8. Lass es glitzern!

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