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Palais F*luxx

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In Würde altern – unmöglich

Viele Frauen betonen, würdevoll altern zu wollen. Dies funktioniert aber nicht in einer Gesellschaft, in der eine Frau nicht alt sein soll.

Dieser Text von Christina Focken ist im September in der taz am Wochenende erschienen. Wir danken der Autorin und der taz, ihn veröffentlichen zu dürfen.

Aus dem Buch „Witness to Beauty“ von Sage Sohier „Mum and Laine in red nightgowns“

Es ist wie ein Mantra: In Interviews ­erklären weibliche Prominente immer wieder: Sie möchten „in Würde altern“, Pamela Anderson will es, Halle Berry und Meryl Streep wollen es, so wie es auch Anastacia, Cameron Diaz, Kim Wilde wollen: Alle wollen „in Würde ­altern“.
Wer die Phrase „in Würde altern“ hört, mag ­zuallererst an die Zustände in Pflegeheimen ­denken, an Inkontinenz, Schwerhörigkeit oder an die Furcht vor der Demenz. Klar, alle möchten bis ins hohe Alter selbstständig sein, zu Hause leben, gesund sein oder zumindest angemessen gepflegt werden. Ich auch.
Doch jene Art von Altern meinen die oben erwähnten und weitere Frauen nicht. Sie sprechen davon „das Älterwerden als natürlichen Prozess zu akzeptieren“ (Heike Makatsch). Man solle „nicht gegen sein Alter anspielen“ (Sabine Postel). Oder: „Ich möchte meiner Tochter vorleben, dass es etwas Schönes sein kann, in Würde zu altern“ (Désirée Nosbusch).

Implizit schwingt da mit: Bloß nicht wie Madonna werden. Die Popsängerin, vor einem Monat 62 Jahre geworden, dient immer wieder als Negativbeispiel dafür, wie eine Frau würdelos altere. Sie sei zu muskulös, zu sexy und solle sich einfach mal zur Ruhe setzen, anstatt der Welt ihren Körper zu präsentieren, liest man in Kommentaren.
Als Reaktion auf ein Video, in dem Madonna ihr Gesäß zum sogenannten Twerking in die Kamera hält, beugte sich Good-Morning-Britain-Moderator Piers Morgan mit gespielter Übelkeit über ­einen Mülleimer und erklärte: „Man kann mit 58 nicht so herumtanzen. Macht das weg!“

Diktat der Gesellschaft

Vielleicht könnte man meinen, dass es anmaßend ist, dass ich, mit Ende zwanzig, einen Text über das Altern schreibe. Doch auch ich lächele, wenn ein Mensch mich jünger schätzt. Auch ich stehe manchmal vor dem Spiegel und fahre mit meinem Finger über die feinen Linien auf meiner Stirn, die vor einigen Jahren nicht dort waren. Denn auch ich habe das Diktat einer Gesellschaft verinnerlicht, in der eine Frau nicht alt sein soll.
Altersdiskriminierung wird in unserer Gesellschaft selten thematisiert. Insbesondere im Verhältnis zu deren Verbreitung. Laut einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes von 2017 zu Diskriminierungserfahrungen wurde am häufigsten von Diskriminierung auf Grundlage des Alters berichtet. 9,9 Prozent der Befragten gaben an, dass dies auf Grund eines vermeintlich zu hohen Lebensalters geschah. 44,4 Prozent der Europäer*innen empfinden, laut einer Studie der Universität Kent, Altersdiskriminierung als schwerwiegendes Problem.

Frauen sind von Altersdiskriminierung besonders betroffen. Das zeigt sich unter anderem auf dem Arbeitsmarkt: Laut einer Studie aus den USA erhalten Frauen unter 45 fast doppelt so häufig eine Einladung zum Bewerbungsgespräch wie Frauen, die dieses Alter überschritten haben.
Auch Schauspielerinnen, wie die oben genannten, haben es, bis auf wenige Ausnahmen, im Alter nicht leicht. Ihre Gagen fallen ab Mitte 30, während ihre männlichen Kollegen im Alter von 52 am besten verdienen, schreibt das Magazin fluter.
Auch prominente Männer, wie etwa George Clooney, erklären in Interviews immer mal wieder, dass auch sie in Würde altern wollen. Doch wenn ihre grauen Haare als sexy gepriesen werden, wenn man immer wieder liest, ein Mann sei wie ein guter Wein, der im Alter immer besser werde, dann ist das leicht gesagt.

Bitte nicht zu dick, bitte nicht zu sexy

Auch eine viel jüngere Partnerin ist kein Problem, während Madonna ihre Liebesbeziehungen zu jungen Männern in den Medien verteidigen muss. Ja, auch Männer erleben Altersdiskriminierung, doch es wird deutlich, dass sie Frauen in einer anderen Qualität widerfährt.
Denn im Leben von Frauen überkreuzt sich Altersdiskriminierung mit Sexismus, von dem sie ohnehin betroffen sind. Damit steht das, was sie erleben, im Kontext der unmöglichen Ansprüche an Frauen, welche sich durch jede Altersklasse ziehen: Dick sollten wir auf keinen Fall sein. Zu dünn auch nicht. Geschminkt, ja, aber nicht „zugekleistert“. Zu viel verhüllen sollen wir nicht, zu viel aber auf gar keinen Fall. Zu sexy darf es auch nicht sein, denn damit fordern wir „das Falsche“ heraus, nicht wahr?

Genauso ambivalent verhält es sich mit dem Altern. So schön es klingt, das Älterwerden anzunehmen, so wenig hat es mit der Realität zu tun. Denn wenn eine Frau vermeintlich „in Würde altert“ und sich so zeigt, ist es der Gesellschaft auch nicht genehm.
Als Sarah Jessica Parker auf den Fotos der Met Gala 2018 mit deutlichen Falten zu sehen war, kommentierten Menschen auf Twitter: „Ihre Haut sieht aus wie Baumrinde“ und „sie sieht aus, als wäre sie 89“. Zu diesem Zeitpunkt war Sarah Jessica Parker 53 Jahre alt. Die oben genannte Heike Makatsch machte selbst Werbung für eine Anti-Falten-Creme. Sieht so „das Älterwerden als natürlichen Prozess akzeptieren“ aus? Es fühlt sich verlogen an.
Der Wunsch, würdevoll zu altern, wie es die zitierten Schauspielerinnen verstehen, ist absurd. Denn in dieser Gesellschaft ist der Anspruch an alternde Frauen, sich so jung zu repräsentieren, wie es nur geht. Weil das Altern in unserer Gesellschaft ausschließlich mit einem Pfeil daherkommt, der in die Richtung von Verfall und Verlust zeigt.

An der Fruchtbarkeit wird der Wert der Frau bemessen

Doch das (zumeist optische) „Verjüngen“ hat seine Obergrenze. Wer dies zu offensichtlich tut, so zeigt das Beispiel Madonna, macht sich verdächtig, sich dem Platz in der Gesellschaft entziehen zu wollen, der alternden Frauen zugewiesen wird. Nämlich in der letzten Reihe.
Gestraft wird auch die Alternde, die sich zu sexy repräsentiert. Sie steht unter Verdacht, über den vermeintlichen Mangel, nämlich den der Reproduk­tionsfähigkeit, hinwegzutäuschen. Denn die Fruchtbarkeit ist noch immer etwas, woran der Wert und damit die Würde einer Frau in dieser Gesellschaft hängt.
Hier zeigt sich: In Würde altern funktioniert nicht, wenn wir nicht von jeher mit Würde behandelt werden. Aber genau das ist der Fall. Frauen werden nicht erst im Alter in der letzten Reihe platziert. Wir sitzen von jeher auf den billigen Plätzen der Gesellschaft.
Wie würdevoll sollen wir uns fühlen, wenn unsere Leistungen noch immer ­weniger anerkannt und vergütet werden als die von Männern? Wie würdevoll sollen wir uns fühlen, wenn 39 Prozent der Frauen in Deutschland zweideutige Witze am Arbeitsplatz ertragen müssen? Wie würdevoll sollen wir uns fühlen, wenn alle 72 Stunden in Deutschland ein Femizid geschieht?

Auch wenn die oben zitierten prominenten Frauen gegenüber ihren männlichen Kollegen oftmals benachteiligt sind, so nehmen sie doch eine privilegierte Position in dieser Gesellschaft ein. Sie haben etwa im Alter keine finanziellen Sorgen, wie andere Frauen in Deutschland, welche laut Bertelsmann-Stiftung im Schnitt 711 Euro Rente bekommen (Männer erhalten übrigens 1.148 Euro, Deutschland hat die größte Rentenlücke in der EU). Sie verfügen über ein soziales Netz und entsprechen dem Schönheitsideal.
Vielleicht denken sie deshalb nicht daran, welche Implikationen ihre Aussagen haben, wenn sie in Würde altern als individuelles Projekt repräsentieren, welches allein unserer persönlichen Entscheidung obliegt.
Nichtdestotrotz verschleiern sie damit, dass es sich hier um ein strukturelles Problem handelt. Ein Problem, das nicht erst mit dem Altern beginnt. Denn in einer Gesellschaft, in der Frauen von Anfang an wenig Würde zugestanden wird, wird der Wunsch, würdevoll zu altern nicht nur absurd, sondern unmöglich.

Christina Focken
Momentan macht Christina Focken ihren Master im Fach Global Studies, Thema: Globalisierung und internationale Politik aus einer postkolonialen Perspektive. Ihre Bachelorarbeit hat sie über die südafrikanische Sportlerin Caster Semenya geschrieben, obendrein lernt sie gern Sprachen: u.a. Arabisch und Esperanto. Und als wäre das noch nicht beeindruckend genug, zeichnet sie Akt und gruselt sich hingebungsvoll bei „Aktenzeichen XY ungelöst“.

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