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Palais F*luxx

Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre

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F*luxx Galerie I Katrin Pieczonka

Wir setzen die Idee fort, dass Künstlerinnen unserer F*luxx Galerie andere Künstlerinnen vorschlagen. Dieses Mal folgen wir der Empfehlung von Susanne Mewing und stellen mit großer Freude Katrin Pieczonka vor. Das Sujet der Kielerin Malerin sind Orte, Landschaften und die Erinnerungen daran. Die 52-Jährige arbeitet in Schichten, übermalt, was ihr nicht passt, und vertut sich manchmal dabei. Dann übermalt sie die Stelle eben wieder, bis die Komposition sitzt. Sie ringt um jede Gerade, jede Form, jede Farbe. Wie ein Kaleidoskop öffnen sich die Räume, die Katrin Pieczonka auf- und umschichtet. Das macht das Eintauchen in ihre Werke aufregend und überraschend.

Katrin Pieczonka, Mathildenhöhe, 2023, Acryl auf Leinwand, 190×210 cm

Wie spürst Du, dass Du mit einer Arbeit richtig liegst? 
Es dauert oft Wochen, mitunter sogar Monate, bis ich das Gefühl habe, dass eine Arbeit fertig ist. Ich arbeite lange an meinen Bildern, ich überarbeite und überarbeite sie, und gegen Ende werde ich immer langsamer und mache immer weniger, und dann kommt noch eine Phase, wo ich immer mal wieder draufschaue. Wenn ich dann nichts mehr hinzufügen oder wegnehmen will, dann betrachte ich die Arbeit als fertig. Ob ich damit auch noch richtig liege, weiß ich oft sogar noch viel später.

Manche Künstler*innen sagen, ihre Arbeit sei körperlich anstrengend. Wie ist das bei Dir? 
Ich finde Malen höchstens im Kopf anstrengend. Zum Beispiel wenn ich nicht herausfinde, was ich als Nächstes tun will oder was anders sein müsste; wenn ich nicht weiß, wie es weitergeht, wenn ich nach neuen Wegen suche, um mich selbst zu überraschen oder zu überrumpeln, und das dann nicht funktioniert, wenn ich mich festgefahren habe.

Aber Schmerzen bereitet mir meine Arbeit nicht, eher im Gegenteil. Ich habe mich zum Beispiel schon oft mit schlimmen Rückenschmerzen oder anderen Krankheiten ins Atelier geschleppt. Es passiert immer wieder, dass ich darüber überhaupt nicht mehr nachdenke und es mir nach der Zeit im Atelier viel besser geht als vorher.

Wenn die Arbeit nicht vorangeht, wenn sich nicht das einstellt, was Dir vorschwebt, was machst Du dann?
Ich werde oft ein wenig destruktiv und übermale spontan Stellen, die ich eigentlich schon gut fand. Ich bin dabei ziemlich rigoros und das ist leider riskant. Manchmal hilft das Übermalen und manchmal trauere ich dem Übermalten nach. Was dann noch mehr Übermalen nach sich zieht.

Jetzt verstehe ich auch, was ich an Deinen Arbeiten so markant finde. Dass es unterschiedliche Ebenen gibt, durch die man hindurchschaut. Was bedeutet es für dich, sich den verschiedenen Schichten zu nähern?
Das Vielschichtige ist mir sehr wichtig. Wenn mir eine Arbeit zu einfach von der Hand ginge oder ihr nicht irrsinnig viele Schichten zugrunde liegen würden, würde ich misstrauisch. Ich kann bei anderen Künstler:innen ganz reduzierte Arbeiten wunderbar finden und wahrscheinlich beneide ich sie manchmal darum – aber ich selbst schaffe es nicht, schnelle und lockere Arbeiten zu machen. Es muss immer erst eine Art Kampf oder Auseinandersetzung stattfinden. Es ist ein Dialog und manchmal ein Streitgespräch zwischen mir und dem Bild.

Deine geometrischen Formen in den Bildern – bringen die Ordnung in die Dinge?
Ganz bestimmt. Geometrische Formen, gerade Kanten, die ich mit Klebeband herstelle. Das brauche ich einerseits als Kontrast zu den offeneren Stellen ­­und andererseits, damit meine Arbeit nicht im Chaos versinkt. Ich neige dazu, viel zu viel auf einem Bild anzuhäufen und dann muss ich es wieder aufräumen.

Manche Bilder wirken auf mich wie Landschaften, in die ich abtauchen kann. Man kann in Deinen Bildern auf Entdeckungsreise gehen. Trifft meine Assoziation das Verständnis Deiner Arbeiten? 
Absolut. Es geht immer um Landschaften oder Orte. Ich greife Gesehenes und Gefundenes auf und verarbeite dies in einem längeren Prozess mit vielen Übermalungen, herbeigeführten Zufällen, spontanen Setzungen, viel Schauen und Nachdenken zu einem Bild.

Deine Motive sind abstrakt. Bewegung entsteht durch Linien, Flächen, Farben. Interessant finde ich, dass deine Bilder konkrete Namen haben wie „Mönckeberg“ oder „Mathildenhöhe“. Und jetzt kommt es mir so vor, als würdest Du Orte malen aus der Perspektive eines Kaleidoskops. Kommt das hin?
Ja, die Ortsnamen verweisen auf das, wo ich war und was ich gesehen habe. Daraus nehme ich Aspekte für mein Bild. Das kann ein architektonisches Fragment sein, eine Lampe, ein Berg, eine Farbzusammenstellung, ein Muster. Das mit dem Kaleidoskop stimmt insofern, als dass ich mitunter verschiedene Blickwinkel gleichzeitig aufgreife, sich Formen wiederholen oder Muster verselbstständigen.

Warum hast Du Dich für das abstrakte Malen entschieden?
Das war eher ein Prozess. Während des Studiums habe ich angefangen, mich mit alten Fotos aus meiner Jugend zu beschäftigen. Dann haben mich recht bald Interieurs interessiert, dunkle verwackelte Raumecken auf Partys, Lichtflecken, Schatten und merkwürdig wirkende Stellen missratener Fotos. Im Laufe der Zeit haben sich meine Bilder immer weiter von den Fotos entfernt. Inzwischen sind diese Fotos eher Skizzen, Erinnerungshilfen oder kleine Notizen, die ich unterwegs mache.

Schloss II, 2006, 150 x 180 cm, Acryl auf Leinwand

Gibt es in Bezug auf Deine Arbeit ein Versäumnis, das Du bereust?
Ich bereue es immer und jeden Tag, dass ich nicht annähernd so viel arbeiten kann, wie ich gerne möchte. Und dass ich nicht alle Ausstellungen anschauen kann, die ich gerne sehen würde und nicht auf jeder Ausstellungseröffnung herumspringen kann, auf die ich Lust habe. Ich habe zwei Kinder. Ich bereue diese Entscheidung nicht, aber es ist mir jeden Tag bewusst, dass es, wie erwartet oder befürchtet, eine ständige Zerreißprobe ist zwischen Familie und Kunst. Und eigentlich kommt beides grundsätzlich zu kurz. Das strengt mich an und beschäftigt mich permanent, aber ich muss es aushalten und mich damit arrangieren, weil ich, auch wenn ich es könnte, wahrscheinlich immer wieder genauso entscheiden würde.

Wenn Du keine Künstlerin wärst, was wärst du dann?
Ich wusste nie, was ich werden will. Ich konnte mir mich in keinem Beruf vorstellen. Das war immer mein großes und schwieriges Thema in der Schule und später auch an der Uni, wo ich zuerst Kunstgeschichte studiert habe. Ich habe früher viel mit Theater zu tun gehabt und die Energie geliebt, die da entsteht. Aber ich wusste sicher, dass ich keine Schauspielerin oder Regisseurin sein kann. Erst an der Kunsthochschule habe ich mich hundertprozentig am richtigen Ort gefühlt.

Heute bin ich neben meiner Arbeit als Künstlerin noch in einer kleinen Bücherei tätig, mit einem netten Team, wo jede sich voll einbringen kann. Das ist auch großartig und macht mir Spaß, weil es so sinnvoll ist und ich leider von meiner eigentlichen Arbeit nicht leben kann. Aber ohne die Malerei wäre einfach alles Mist.

Foto: Kaja Grope

Kuratorin unserer Palast-Galerie ist Anette Frisch, sie hat auch das Interview geführt.

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