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Palais F*luxx

Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre

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F*luxx Galerie | Susanne Kleiber

Susanne Kleiber
Egal, wie alt die Betrachter*innen sind, sagt Susanne, 40, 50 oder 60 Jahre alt, jede und jeder denkt, „Ach, die ist in meinem Alter!“
Dass sich so viele Menschen von ihren Bildern angesprochen fühlen, mag daran liegen, dass sie erst so richtig in der Kunst angedockt hat, als sie einen Sack von Erfahrungen im Gepäck hatte. Eine Buchbinderlehre zum Beispiel, ein Abitur, bei dessen Abschluss sie 25 Jahre alt war und dann das „erstmal Gucken, hier und da“. Pädagogik, Lehramt an der Hamburger Hochschule für bildende Künste und so. Dann aber kam die Fachoberschule für Kommunikationsdesign und Illustration in Hamburg und mit ihr die Lehrer Friedrich Einhoff für Farbe und Form und Erhard Göttlicher für figürliches Zeichnen. Da haben die Herren mal die Richtige gefördert!


Eine Auswahl


Wann im Arbeitsprozess entsteht der Flow?
Ich vergleiche das Zeichnen nach Modell manchmal mit einem Marathonlauf (den ich nicht mache). Du läufst dich ein, es ist anstrengend und nach einer gewissen Zeit bist Du „im Flow“, weil du nicht mehr darüber nachdenkst, was Du tust. Genau das ist auch das Angestrebte im Zeichenprozess. Der Moment, wenn das Denken sich vom Ergebnis löst und die Hand scheinbar ungesteuert den Stift bewegt.

Manche Künstler*innen sagen, ihre Arbeit sei körperlich sehr anstrengend. Und, tut was weh?
Der Kampf mit den Materialien ist hin und wieder schmerzhaft. Die Spitze des Stifts will das dünne Papier zerstören, die nasse Farbe blutet ins Material ein. Der Kampf mit den Widrigkeiten des Materials kann wehtun und wütend machen. Hier hilft die Erfahrung, dass trotzdem Weitermachen den „Schmerz“ überwindet.

Welches war Dein Aha-Erlebnis in puncto Kunst?
Aha – ich folge am besten meiner Intuition und lasse mir von niemandem reinreden.

Gibt es in Bezug auf Deine Arbeit ein Versäumnis, über das Du Dich ärgerst?
Viele Angebote an Stipendien – Atelier- und Ausstellungsförderung, Auslandsaufenthalte u.ä. richten sich an junge Menschen. Ich war nicht forsch und hartnäckig genug, mich zu bewerben, oder habe nach Ablehnungen schnell den Mut verloren, habe das Prinzip des Scheiterns im übergeordneten Kunstbetrieb nicht verstanden. Das Prinzip des Scheiterns in meiner eigenen Arbeit, habe ich schon früh verstanden und genutzt. Ich habe mich immer als Künstlerin betrachtet, habe mich aber erst spät – inzwischen seit über 30 Jahren – dazu entschlossen, meine Kunst und damit ein Stück von mir zu zeigen. 

Wenn Du nicht künstlerisch arbeiten würdest, würdest Du …
bestimmt nicht in einer Bank arbeiten. Ich habe leider nicht genug Fantasie, mir vorzustellen, was ich anstelle von Kunst machen könnte. Selbst das, was nicht mit meiner jetzigen Arbeit zu tun hat, wäre in irgendeiner Weise künstlerisch oder zumindest kreativ. Ich könnte zum Beispiel auf einen Berg wandern und von oben herunterschauen. Das wäre ähnlich kontemplativ. Aber auch hier würde ich wahrscheinlich versuchen, mich schriftlich oder visuell auszudrücken.

Wenn die Arbeit nicht vorangeht, wenn sich nicht das einstellt, was Du zeigen willst – was machst Du?
Verzweifeln. Erstmal. Dann mich darauf besinnen, dass es vielleicht ein anderer Zeitpunkt sein muss. Und dass ich mich dem gewünschten Thema erst von mehreren und anderen Seiten annähern muss. Das heißt, ich muss eventuell viel Vorarbeit leisten, um in den Fluss zu kommen, den genau diese Aufgabe beansprucht. Die Vorarbeit ist sicherlich Zeichnen, Malen, Grundieren, aber auch Lesen, Recherchieren, manchmal auch Schreiben.

Welche Kunst-Ikone würdest Du gern treffen? Worüber würdest Du mit ihr reden wollen?
Marina Abramović. Ich bewundere ihren Mut, ihre Zielstrebigkeit, ihre Auseinandersetzung mit Empathie und ihr strukturiertes Denken. Ein bestimmtes Thema gibt es nicht, über das ich reden wollen würde. Mich würde interessieren, wie sie ihren Weg durch die Kunst beschreibt und wie sie es selbst empfindet.

Wie viele Zeichnungen fertigst Du in der Woche?
Bei einer zweistündigen Aktzeichen-Session entstehen ungefähr sechs bis sieben kleine Zeichnungen (20 x 28 cm). Bei zwei Sessions in der Woche entstehen also mindestens zehn bis 14 Zeichnungen, skizzenartig oder überarbeitet und ausgearbeitet. Während des ersten Corona-Lockdowns mussten wir alle zuhause bleiben und konnten nicht live zeichnen. Da habe ich angefangen, meine Zeichnungen auf ganze Zeitungsseiten zum Thema „Corona“ zu übertragen und habe so täglich meine eigene „Coronik“ erstellt.

Warum benutzt Du Seiten von „Die Zeit“, warum nicht von einer anderen Zeitung?
Jedes Zeitungspapier ist ein bisschen anders. Manchmal benutze ich auch anderes Papier für Zeichnungen, meine Leinwandbilder oder Papiermaché-Skulpturen. Während der Weltwirtschaftskrise 2008 zum Beispiel habe ich meine eigenen Wertpapiere hergestellt mit Papier von internationalen Finanzzeitungen. 2007 habe ich mir für meine Arbeit „19 Fetische – Heilungsversuche“ das Telefonbuch – ein ziemlich widriges Material – vorgenommen, um damit Leinwände zu collagieren und Plastiken für Assemblagen zu bauen.
„Die Zeit“ gefällt mir wegen der mehrdeutigen und hintersinnigen Überschriften, die zur Assoziation einladen und sich mit den Akten schön umdeuten lassen. Auch formal ist „Die Zeit“ für mich gut geeignet, weil sie nicht so kompress gesetzt ist.

Wenn Du Kultursenatorin wärest, was würdest Du als Erstes veranlassen?
Eine Grundsicherung für Künstler*innen, damit sie nicht abhängig sind von Jobs, die ihre Kreativität bremsen. Geld, das Künstlerinnen nicht mit Kunst verdienen, um zu überleben, oder Stipendien müssen von der Künstlersozialkasse (KSK) als künstlerische Einkommen anerkannt werden. Ich würde dafür sorgen, dass es eine Ausstellungsvergütung gibt und die Möglichkeit von wechselnden Ausstellungen im öffentlichen Raum.


Susanne im Internet, auf Instagram & Twitter

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