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Palais F*luxx

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„Der Schwarm“ – An oder aus?

Faltenfrei und Spaß dabei – die Protagonist*innen von „Der Schwarm“.
Foto: Ray Aucott, unsplash


Man hätte eine Sache bei der 44 Millionen Euro teuren Bestsellerverfilmung besser machen können, meint die Schauspielerin Catherine Bode: zeigen, dass es auch ältere Frauen in der Welt gibt



Kaum ebbt die Berlinale wieder ein wenig ab, kaum ist die Wahrnehmung der Palais-Fluxx-Kampagne „Let‘s change the picture“, die ein neues Erzählbild von Frauen ab 47+ in Film und TV fordert, auf einem (ersten!) fulminanten Höhepunkt, kaum feiert bei der BAFTA-Dankesrede (British Academy Film Awards) die Göttin Cate Blanchett das vergangene Jahr als „das Jahr der Frauen“, kommt ein gewaltiger Bildertsunami auf uns zu: die lang erwartete, international finanzierte Bestseller-Verfilmung von Frank Schätzings Buch „Der Schwarm“.

Ein Werk, das lange als unverfilmbar galt und nun, dank der schnellen Weiterentwicklung von Animationstechnik und dank des Serienbooms auf allen Kanälen, nicht mehr 1008 Seiten lang gelesen werden muss, sondern über TV und Mediathek direkt ins Hirn und Herz von Millionen Menschen gestreamt werden kann. Die 44 Millionen Euro, die dafür ausgegeben wurden, sind öffentlich-rechtlich vom ZDF mitfinanziert, was eine große Sache ist, denn so kann Deutschland als Filmland im Bereich Streaming nach „Babylon Berlin“ und „Deutschland ´83“ weiterhin oben mitspielen.

Eine Welt ohne „alte“ Frauen

Was auch eine große Sache ist, ist die Verantwortung, die damit für die Macher:innen erwächst. Immerhin lernen wir mit allem, was wir uns reinziehen, etwas über unsere Welt. Wir glauben nicht nur der HighEnd-Animation der Orcas, dass sie echt ist, und gruseln uns fürchterlich, wenn sie Whalewatcher snacken, sondern wir glauben auch, bewusst oder unbewusst, dass der Rest irgendwie echt ist oder zumindest sein könnte. Und in der Welt von „Der Schwarm“ ist bei allen Bemühungen um einen möglichst realistischen Look irgendetwas schiefgegangen. Denn schon nach 20 Minuten fällt auf: Es ist eine Welt ohne „alte“ Frauen.

Egal, was Frank Schätzing – inzwischen ein Bilderbuch-alter-weißer-Mann – im Jahr 2004 im Original geschrieben hat: Eine millionenschwere, internationale Serie im Jahre 2023, die fast ausschließlich gut aussehende, sorgsam frisierte Frauen unter 30 zeigt, die sich als Wissenschaftlerinnen mit ihren teilweise 20 Jahre älteren männlichen Kollegen das Bild teilen, ist eine Schande.

Natürlich gibt es inhaltliche Gründe, warum die eine oder andere Figur tatsächlich jung sein muss. Eine Sechzigjährige feiert nicht ihren 30. Geburtstag oder schreibt bestenfalls nicht mehr an ihrer Doktorarbeit. Aber da, wo inzwischen zu Recht und endlich und Gott sei Dank relativ „farbenblind“ besetzt wird, werden Frauenrollen weiterhin völlig gnadenlos nach „Fuckability“ besetzt. Und das vorbei an aller Realität, Aktualität, Anstand und vor allem: Zuschauer:inneninteresse.

Die Technik ist modern, das Drehbuch nicht

Denn wie unfassbar interessant und virtuos eine 47-jährige Cécile de France, wie gnadenlos präzise und wunderschön die 70-jährige Barbara Sukowa sein können, darf man nur in wenigen Szenen des 8-teiligen Monuments bewundern. Und was künstlerisch dabei rauskommt, hat auch der Autor selbst überall verkünden lassen: „Es pilchert mehr als es schwärmt.“

Die Verantwortung für diese Besetzungsentscheidungen trägt dabei nicht die Casterin allein. Sie macht Vorschläge, die bestenfalls angenommen werden. Schon in der Drehbuchfassung hätten wache Produzent:innen und Finanziers lesen können, dass hier etwas nicht mehr zeitgemäß ist. Jede Rolle, egal wie alt im Drehbuch beschrieben, hätte auch anders interpretiert werden können, ohne dem Original zu schaden. Immerhin wurde auch die Technik, die in der Schwarm-Welt benutzt wird, auf den Stand von heute gebracht. Wenn man die Liste der fast 30 beteiligten Produzent:innen bei IMDb (Internet Movie Data Base) sieht, wird einem klar: Auch hier hat wohl ein Schwarm entschieden. Umso wichtiger, dass dieser Schwarm lernt, was heute wirklich Sache ist: dass Frauen, auch die über 40, in allen gesellschaftlichen Rollen und Funktionen existieren. Und das ist sogar wissenschaftlich nachgewiesen.

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