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Palais F*luxx

Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre

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Ruhe im Karton

Was Ingeborg Trampe nicht schafft, schafft Corona: Die wilde Frau lässt die Arbeit liegen – und findet das, einen milden Verlauf vorausgesetzt, erstaunlich gut

Wenn das Virus kommt, dann machen wir es uns eben gemütlich
Foto: pexels/pixabay/Virus: Eva Häberle/Montage: Simone Glöckler


Die Zeit steht plötzlich still. Corona-positiv. Ich dachte, es sei nur ein Schnupfen, und nun das. Die Mama muss das dritte Mal in Folge ihren Geburtstag ohne mich feiern. Und ich darf nicht mehr vor die Tür.
Der nächste Tag ist Samstag, eigentlich gehe ich dann morgens zum Markt. Ich bin schon dabei, den Einkaufskorb aus der Ecke zu holen, als es mir wieder einfällt. Ist nix mit Rausgehen. Außerdem hatte ich mir vorgenommen zu fasten.
Die Sonne knallt auf den Balkon. Der Himmel ist wolkenlos. Ich stehe am Geländer und schaue auf meine kleine Straße, rauf und runter. Als würde ich auf eine Theaterbühne blicken. Alno von gegenüber macht um Punkt 12 sein kleines italienisches Bistro auf. Sein Türgitter quietscht wie immer. Die ersten Gäste nehmen auf der Terrasse Platz. Dana bekommt eine Lieferung lauter schöner Dinge für ihren Einrichtungsladen. Die Bewegungsmelder-Glocke beim Schneider bimmelt ohne Unterlass. Menschen mit Einkaufstüten vom Markt und Coffee-to-go-Bechern flanieren durch diesen Frühlingstag. Ich hole mir einen Espresso und setze mich. Während in mir alles ganz ruhig und still wird, sehe ich den anderen beim Leben zu. Ihrer Geschäftigkeit.

Quarantänezeit wird zur Fastenzeit

Sonntags marschiere ich normalerweise mit Freundinnen um die Alster. Es ist herrlichstes Wetter. Da ich ohnehin einen Fuß verletzt habe, bin ich nicht grummelig, dass ich nicht rauskann. Stattdessen lese ich ausführlich in der Sonne Zeitung. Zwischendurch schicke ich WhatsApp-Nachrichten an Freund:innen, dass es mir gut geht. Und schlürfe Fastensuppe. Halte ein Schläfchen. Ein herrlich verbummelter Tag.
Während ich sonst, wenn ich ausgebremst werde, rastlos und ärgerlich in der Wohnung umhertigern würde, bin ich diesmal in völliger Akzeptanz mit meinem Schicksal. Eigentlich bin ich sogar ganz schön Zen-mäßig drauf. Es gibt nichts zu tun, um den aktuellen Zustand zu ändern. Außer abzuwarten. Ich fühle mich entlastet.

Milder Verlauf wird zur Spontan-Kur

Montag früh sitze ich am Schreibtisch. Bin etwas müde, aber sonst fit. Werde bedauert. „Du Arme, Quarantäne – was für ein Mist.“ Mir macht es ja nichts aus, eine Weile keine Leute zu sehen. Binde ich aber niemandem auf die Nase. Dafür lege ich mich nachmittags eine Runde ins Bett und halte Mittagsschlaf – herrlich. Überhaupt schlafe ich in der Quarantäne-Zeit viel und gut. Der Seele scheint die ereignislose Zeit sehr gut zu bekommen.
Die Woche zieht weiter. In aller Ruhe und ich mit ihr. Auch die Symptome haben sich verkrümelt. Selten war ich so gut und entspannt darin, Dinge zu akzeptieren, wie sie sind. Ich arbeite, mache aber – sonst eher untypisch für mich – auch Pausen. Ich möchte diese Entspanntheit nicht verlieren. Diese besondere Woche bewusst erleben.
Ein wenig erinnern mich diese Tage an den ersten Lockdown, wo wir so wenig wie möglich rausgehen sollten. Auch damals fühlte ich mich entlastet. Ich musste keine Ausreden erfinden, um nicht rauszugehen. Ich nahm jeden Morgen an einer virtuellen Meditationsklasse teil und abends sah ich Lou Doillon auf Insta-Live zu, wie sie Musik machte oder mit ihrer Mutter Jane Birkin Gedichte vorlas. Trotz aller Ungewissheit tat mir die Ruhe, dieser plötzliche Stillstand irre gut. Ich war cozy mit mir.

Test negativ – Ruhezufuhr positiv

Donnerstag ist mein Selbsttest negativ. Die Chancen, sich am nächsten Tag freizutesten, stehen gut. Und ich erwische mich dabei, mich zu fragen, ob ich das überhaupt will. Doch das Wetter ist Freitag einfach zu gut. Die Sehnsucht groß, Natur zu sehen, zu riechen, wieder Teil des täglichen Stroms zu sein.
Dennoch hat mir die Woche gutgetan. Während anderen in der Quarantäne-Zeit die Decke auf den Kopf gefallen ist, habe ich die Corona-Zeit wie eine kleine Auszeit erlebt. Innere und äußere Rückzüge können sehr bereichernd sein.
Noch bewahre ich mir die innere Ruhe. Und sollte es mir doch wieder zu hektisch werden, gehe ich eben wieder in Quarantäne.

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