Unsere Empfehlungen für alle, die Denken wollen – zusammengestellt von Sohra Nadjibi
Shila Behjat: Söhne großziehen als Feministin
hanser-literaturverlage.de
Die Journalistin und Autorin Shila Behjat schreibt in ihrem persönlichen Essay darüber, wie es ist, als „Jungsmutter“ zukünftige Männer großzuziehen. Und reflektiert ihre inneren Konflikte, dass „er auf keinen Fall so einer werden darf“ (ihre Söhne sind weiß und blond) und ihre Rolle als Mutter und den damit verbundenen Anspruch, „die besseren Männer von morgen zu erziehen“. Behjat denkt intersektional und über alternative Männerrollen nach. Und verhandelt in ihrem „Streitgespräch mit sich selbst“ die Mutterrolle politisch: „Menschen großziehen für eine Zukunft, in der wir alle aufeinander angewiesen sein werden – so könnte der Leitgedanke der feministischen Mutterschaft in diesem Essay lauten, der das Muttersein endlich auf fragend-behutsame Weise weiterdenkt“ (Eva Marburg/ SWR Kultur).
Franziska Setare Koohestani: Hairy Queen
ullstein.de
Warum Körperhaare politisch sind! Darüber schreibt Franziska Setare Koohestani, und nimmt ein Schönheitsideal auseinander in ihrer Kulturgeschichte der Haare. Glatte Haut an Armen und Beinen, lange glatte Haare auf dem Kopf sind eurozentristische und westliche Schönheitsideale, die etwas mit den politischen Verhältnissen zu haben, so Koohestani. Und sie weiß worüber sie spricht: Ihre iranischen Tanten schickten ihr Bleichcreme nach Deutschland, um den Oberlippenbart zu kaschieren. Haarentfernung und Haar-Akzeptanz sind Teil ihrer Geschichte. Die sie erweitert um historische, kulturelle und medizinische Quellen und um so die patriarchalen, rassistischen und kapitalistischen Normen, die unsere Gesellschaft verinnerlicht hat, zu demaskieren.
Alexandra Zykunov: Was wollt ihr denn noch alles?!
ullstein.de
alexandrazykunov.de
Über „Zahlen, Fakten und Absurditäten über unsere ach-so-tolle Gleichberechtigung“ schreibt Alexandra Zykunov und macht sehr deutlich, was noch ungerecht und ungleich abläuft, denn von faktischer Gleichberechtigung sind wir noch weit entfernt. Zeigt auf wo Frauen immer noch strukturell und existenziell benachteiligt sind und werden. Und sie ist ziemlich wütend oder wie über sich selber sagt: „nütend“ (nett & wütend). In ihrem zweiten Buch versammelt sie unbekannte, absurde, reale Zahlen und Studien, die aufzeigen wo Frauen benachteiligt werden und wodurch ihr Leben anstrengender, ärmer und im Zweifelsfall lebensgefährlicher wird. Das mag bisweilen „kleinlich“ wirken und ist es so gar nicht! Beispiel: Frauen haben ein 32 Prozent höheres Risiko zu sterben, wenn sie von einem männlichen Chirurgen operiert werden. Aber rund 77 Prozent aller Chirurgen sind männlich.
Asha Hedayati: Stille Gewalt
rowohlt.de
Eine Analyse häuslicher Gewalt. Asha Hedayati ist Anwältin für Familienrecht schreibt darüber, wie der Staat Frauen allein lässt. Denn die staatlichen Strukturen schützen Frauen nicht ausreichend vor Gewalt, sondern sind selbst Teil eines gewaltvollen Systems. Fast jeden dritten Tag stirbt eine Frau durch die Hand ihres Partners oder Ex-Partners: „Behörden, Polizei aber auch Gerichte reproduzieren misogyne Mythen, welche der Frau die Schuld zuschieben. Ich kenne Familiengerichte, die absolut darin versagen, Partnerschaftsgewalt ernst zu nehmen.“
Marjane Satrapi (Hrsg.): Frau Leben Freiheit
rowohlt.de
Die iranisch-französische Comiczeichnerin und Filmemacherin Marjane Satrapi („Persepolis“) will den Protest der Iraner*innen aus dem Pariser Exil unterstützen. So versammelt sie in ihrer neuen Graphic Novel Arbeiten von Zeichner*innen aus Iran, Europa und Amerika. Ein Jahr, nachdem die junge iranisch-kurdische Studentin Jina Mahsa Amini getötet wurde und dem Beginn der feministischen Revolution, zeigt sie, was wegen der Zensur nicht aus dem Land dringen kann. Künstler*innen, Iran-Expert*innen, Exil-Iraner*innen, Politolog*innen arbeiten zusammen, um die historischen Ereignisse einzuordnen und zu bezeugen. Und erzählen von Aufständen, Widerstand und von den persönlichen Schicksalen der Protestierenden.
Bettina Balàka: Wechselhafte Jahre. Schriftstellerinnen übers Älterwerden
leykamverlag.at
Wie geht älter werden? Die Schriftstellerinnen Marlene Streeruwitz, Barbara Honigmann, Katja Oskamp, Barbara Frischmuth, Katrin Seddig, Linda Stift, Barbara Hundegger, Sabine Scholl, Marianne Gruber, Zdenka Becker, Alida Bremer, Ruth Cerha, Renate Welsh, Ulrike Draesner und Bettina Balàka schreiben darüber. Über Freiheit, Verlust, Freundschaften, Kämpfe und Beziehungen – über das Leben. Und betrachten das „Tabu“ literarisch: „Ein vielstimmiges, ein zugleich schonungsloses und tröstliches Buch über die zwiespältige Erfahrung, Frau und über 50 zu sein“ (ORF Topos).
Christina Clemm: Gegen Frauenhass
hanser-literaturverlage.de
Christina Clemm vertritt Frauen die Gewalt erlebt haben. Und Opfer rassistisch motivierter Gewalt. Die Rechtsanwältin ist wütend, denn in Deutschland wird jeden dritten Tag eine Frau von ihrem (Ex-)Partner umgebracht. Misogynie ist allgegenwärtig. Clemm führt Leser:innen durch die Spirale patriarchaler Gewalt. Solidarität mit den Gewaltopfern, Fallbeispiele, eine deutliche Gesellschaftsanalyse und Vorschläge wie es anders funktionieren könnte, bestimmen ihr aufklärendes Buch! „Dieses Buch ist eine Pflichtlektüre für Männer. Schließlich ist Frauenhass ein Männerthema.“ (Christine Gorny, Radio Bremen 2). Christina Clemms Buch ist nominimiert für den Preis der Leipziger Buchmesse 2024 in der Kategorie Sachbuch/Essayistik.
Susanne Mattthiesen: Lass uns noch mal los
ullstein.de
Im Berlin Kreuzberg der 80er-Jahre ziehen Frauen in dem Wohnprojekt „Die Burg“ zusammen. Jetzt, 40 Jahre später fliegt die Ich-Erzählerin Susanne aus ihrem Job und muss aus finanziellen Gründen ihre Wohnung vermieten und selbt in den Keller ziehen.
Susanne Matthiessen, die durch ihre Sylt-Romane bekannt wurde, ist auf der Such nach einem Fazit, wenn sie Fragen wie die stellt, was von der Frauen-Lesbenbewegung übrig geblieben ist. Und sie bildet auf unterhaltsame Weise für viele Frauen hochrelevante Fragen wie die nach bezahlbarem Wohnraum, Altersarmut und Gemeinschaft im Alter ab.
Emilia Roig (Hrsg.), Alexandra Zykunov (Hrsg.), Silvie Horch (Hrsg.): Unlearn Patriarchy 2
ullstein.de
Der zweite Teil der Anthologie „Unlearn Patriarchy“ klingt genauso vielversprechend wie der erste! Die Herausgeberinnen Emilia Roig, Alexandra Zykunov und Silvie Horch versammeln 13 radikale und ehrliche Essays von wichtigen Autorinnen und Aktivistinnen, die in ihren Texten „hartnäckigen patriarchalischen Prägungen unserer Gesellschaft nachspüren und Möglichkeiten, diese endlich und ganz konkret zu verlernen“ vorstellen. Die Autor:innen – Melina Borčak, Anne Dittmann, Miriam Davoudvandi, Asha Hedayati, Sarah Vecera u.v.a. – schreiben unter anderem über ihren persönlichen Weg in eine diskriminierungsfreie Gesellschaft und inspirieren, diejenigen, „die mit der andauernden Ungleichheit zwischen Frau und Mann, weiß und Schwarz, hetero und queer, arm und reich sowie den zugrunde liegenden Strukturen nicht einverstanden sind“ (ullstein.de).
Mareike Falwickl: Und alle so still
rowohlt.de
ET: 16.4.2024
In ihrem grandiosen Roman „Die Wut die bleibt“ fragt sich eine der Protagonistinnen Lola: „Ich hab mich gefragt, was wäre, wenn alle Frauen sich verweigern würden“. Und genau diese Frage verhandelt Mareike Fallwickl in ihrem neuen Roman „Und alle so still“, der am 16. April erscheinen wird.
„Was wäre, wenn alle Frauen sich verweigern und in einen Care-Streik treten würden?“ Der Verlag schreibt: Ein großer feministischer Gesellschaftsroman über Widerspruchsgeist und Solidarität . An einem Sonntag im Juni gerät die Welt aus dem Takt: Frauen liegen auf der Straße. Reglos, in stillem Protest. […] Es ist der Beginn einer Revolte, bei der Frauen nicht mehr das tun, was sie immer getan haben. Plötzlich steht alles infrage, worauf unser System fußt.