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Unvertretbar: Gender Pay Gap

Über das offene Geheimnis des Gender Pay Gaps in der deutschen Filmbranche und seine ganz realen (fiesen) Auswirkungen berichtet die Schauspielerin Catherine Bode


Es gehört nach Catherines (ganz rechts) Schilderungen nicht viel Hirn dazu, sich auszumalen, wer von den „Daheim in den Bergen-Darsteller*innen mehr Gage bekommt, als andere. Die Kühe zählen nicht

Macht wird nicht nur durch Gewalt ausgeübt, sondern auch durch das, was unausgesprochen bleibt“ (frei nach Michel Foucault). Offene Geheimnisse sind besonders tückisch. Nicht nur sind sie ein Paradoxon. Sie sind auch besonders lange haltbar und extrem wirkmächtig. Und sie zementieren oft ein eingefahrenes System, das den Starken nützt und die Schwachen schwach hält. Wie zum Beispiel das offene Geheimnis um den bis zu 37% großen Gender Pay Gap in der deutschen Filmindustrie.

Ganz besonders geheim gehalten und schamvoll verschwiegen wird er unter Schauspieler:innen. Denn hier reden wir von einem Gap, der manchmal so groß ist, dass das Wort „Schlucht“ dafür besser passt. Und wer offen über Gagen spricht, riskiert den Ruf, schwierig zu sein. Als Frau kann man sich das nicht leisten, und als Mann ist es vielleicht peinlich, einfach mal ein Drittel mehr als die sogar erfahrenere Kollegin zu verdienen.

Besonders delikat: Viele der ungleichen Gagen werden von den öffentlich-rechtlichen Sendern, und damit von uns allen, gezahlt. Denn für Schauspieler:innen, die bereits vor 2014 für die öffentlich-rechtlichen Sender gearbeitet haben, gilt die vom BFFS (Schauspielgewerkschaft) erstrittene und seitdem gültige, für alle gleiche Einstiegsgage nicht. 1980 war es in der BRD völlig selbstverständlich, dass ein Mann das Vielfache einer Frau verdiente, und so hat sich der damals installierte „kleine Unterschied“ bei ARD und ZDF über all die Jahre zu einer gewaltigen Kluft entwickelt.

Noch ein offenes Geheimnis: Trotz aller Bemühungen von Verbänden, Initiativen oder Einzelkämpferinnen bleiben Frauen ab einem gewissen Alter (40+) im deutschen Film, TV und Streaming unterrepräsentiert. Ihre Geschichten scheinen weiterhin nicht relevant genug, und ein paar Feigenblatt-Ältere-Schauspielerinnen à la Iris Berben halten das Gewissen der Entscheider:innen rein. Auch sind die Sehgewohnheiten der Zuschauenden abgestumpft, ihnen fehlen die „alten“ Frauen gar nicht: Dass ein 60-jähriger Heino Ferch im Film eine 42-Jährige als Ehefrau hat, fällt niemandem auf, der schon Cary Grant und der halb so alten Grace Kelly in „Über den Dächern von Nizza“ zugeschaut hat, ohne dabei komische Gedanken zu haben.

Und somit bleibt der Teufelskreis im Gange: Solange Schauspielerinnen drehen, verdienen sie weniger als ihre männlichen Kollegen, und wenn es dann weniger Drehtage werden, weil die Stoffe über Frauen ab 40 fehlen, schmeißen ihre Agenturen – noch ein offenes Geheimnis – sie einfach raus. Denn die Agenturen leben von den Provisionen, die sie auf die Gagen erheben, bis zu 15% des Brutto. Es ist für sie unter dem Strich also wirtschaftlich rentabler, einen 55-Jährigen zu vertreten, als eine gleichaltrige Frau. Ohne Agentur fehlt es der Frau an Sichtbarkeit in der Branche, und sie dreht noch weniger.  Dass sie bis dahin weniger in die Rentenversicherung gezahlt hat als ein vergleichbarer Kollege, liegt auf der Hand.

Ich selbst bin eine 50-jährige Schauspielerin, seit 25 Jahren für diverse TV-Produktionen tätig, und meine Agentur, mit der ich 15 Jahre lang reibungslos und erfolgreich zusammengearbeitet habe, hat mir gerade ohne Vorwarnung per E-Mail die Zusammenarbeit gekündigt. Begründung: Wegen der herausfordernden Lage in der Branche habe man sich entschieden, mehr jüngere Schauspieler:innen aufzunehmen, und man könne ja nicht „unendlich wachsen“. Immerhin ziemlich offen. Und ich mache kein Geheimnis draus.

 

Catherine Bode ist seit 1999 dabei und hat seither in enorm vielen Film- und Fernsehproduktionen mitgewirkt. Schon vor zwei Jahren hat sie uns auf die Gender-Pay-Problematik angesprochen, jetzt freuen wir uns, ihren Text zu veröffentlichen. Weitere Infos zu ihr hier

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