Schrei vor Glück – nur wenn du kommst
In der vergangenen Woche feierte die Welt den Internationalen Frauentag. Meist werden wir dann daran erinnert, wie groß immer noch der Pay-Gap und der Anteil an unbezahlter weiblicher Care-Arbeit sind und wie wenige Frauen in Führungspositionen sind. Warum spricht aber eigentlich niemand über die vielen Orgasmen, die Frauen durch die Lappen gehen? Na gut, dann tue ich das.
Jüngst veröffentlichte die Fachzeitung „Social Psychological and Personality Science“ eine Studie, nach der 80 Prozent der Frauen in den USA einen Orgasmus vortäuschen. Darunter vor allem viele junge Frauen, die besorgt sind, ihre Typen zu sehr zu verunsichern, wenn sie ehrlich sagen würden, dass das Feuerwerk im Bett ausgeblieben ist. Die Zahlen für europäische Länder und Deutschland dürften ähnlich sein. Die Gründe, beim Orgasmus zu flunkern, sind vielfältig. Es gibt immer noch Frauen, die denken, sie seien selbst schuld, wenn sie nicht kommen. Andere wollen Stress in der Beziehung vermeiden. Noch andere finden es nach anstrengenden Tagen einfacher, ihm Oscar-verdächtig was vorzustöhnen, um die Sache schnell hinter sich zu bringen. Manchmal ist der Orgasmus eben eine Zicke und will nicht wie wir. Warum daraus ein Drama machen? Gerade zur letzten Fraktion gehören eine ganze Menge Frauen.
Männer wissen immer noch nicht, wo die Klit ist
Problematischer ist es natürlich, wenn Frauen glauben, es läge an ihnen und sie müssten ihre Partner*innen schonen. Ich finde nämlich schon, dass Frauen ein Recht auf einen geilen Höhepunkt haben. Und während das Thema zwischen zwei Frauen meist kein großes ist, weil wir natürlich den weiblichen Körper sehr gut kennen, stochert selbst die junge Männergeneration immer noch im Nebel, was weibliche Sexualität angeht. Dass dem so ist, liegt an uns Frauen selbst. Wenn ich ihm nicht zeige, was mir Spaß bringt, wird sich nichts ändern und der Orgasmus rückt in immer weitere Ferne. Denn wer ein paar Mal vorgespielt hat, kommt meist aus der Spirale gar nicht mehr raus. Der Sex wird schal und unbefriedigend. Der Weg aus dem Orgasmus-Fail geht also nur über uns selbst und entsprechende Kommunikation.
Bedürfnisse ansprechen
Als junge Frau habe ich auch ab und an mal geschauspielert. Bis es mir schnell zu blöd wurde und ich die Sache offen angesprochen habe. Ohne Anklage, ohne Drama. Aber wie soll ein Kerl für Glücksschreie sorgen, wenn er etwa einfach immer knapp am heiligen Gral der Klit vorbeirubbelt? Ich würde behaupten, die Mehrheit vieler Männer weiß immer noch nicht, wo der Kitzler sitzt. Es sei denn, eine Frau zeigt es ihnen. Hallo, ich war diese Frau und habe meine Liebhaber mit neuem vielfältigem Wissen ausgestattet, was bestimmt prima für die Frauen nach mir war. Das Ding ist, wir müssen viele sein, die sich trauen, offen über ihre Bedürfnisse zu sprechen und unserem Gegenüber zeigen, was uns guttut. Dann wird der Sex für uns alle besser. Bedürfnisse müssen klar formuliert werden, die meisten Partner*innen finden das auch gut. Gerade Männer haben selbst meist kein Problem damit, klipp und klar zu sagen, was sie von uns gerne hätten. Warum haben wir es also? In dieser Beziehung können wir echt von ihnen lernen.
Und wer einmal anfängt, über Sex zu reden, schafft sich Optionen zu weiteren tollen Erlebnissen, weil es plötzlich auch möglich ist, zum Beispiel über Phantasien zu reden. Über Vorlieben bei Sexfilmen und, und, und. Das Tor zu einem schöneren Sexleben inklusive Orgasmus steht so weit offen.
Mit zunehmendem Alter bin ich übrigens ungeduldiger mit den Herren geworden. Vielleicht, weil ich erst recht das Gefühl habe, keinen tollen Orgasmus versäumen zu wollen. Erst neulich hatte ich einen Mann bei mir, den ich ziemlich zurechtgewiesen habe, um dann festzustellen, dass er das ziemlich geil findet, von mir herumkommandiert zu werden. Aber das ist nochmal eine andere Geschichte …
Suzette Oh ist im besten Alter, um die richtige in Theorie und Praxis erfahrene Sexpertin für uns zu sein. Tatsächlich hört sie außerhalb der gedämmten Wände auf einen anderen Namen, möchte aber auch weiterhin die Bestellung für ihre Schwarzwälderkirschtorte zum Geburtstag aufgeben, ohne dass die Verkäuferin kreischt: „Ich kenn Sie! Sie sind die tolle Sex-Kolumnistin!“
Wer jetzt schnell mehr von ihr lesen möchte, klickt auf die Links. Suzette Oh hat nämlich bereits aussagekräftige Bücher veröffentlicht, als da wären ihr „Pussy Diary“ und ihre erotische Phantasien in Bezug auf das Erben eines Hauses. Bzw. ein Hotel der Lust.
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Illustration: Katharina Gschwendtner