Sylvia Heinleins Wochenjournal über die Stürme im Wasserglas des Alltags.
Diesmal: mit unbezahlter Werbung
So, meine Luder, herzlich willkommen zurück, steigt ein und fahrt mit mir, es gibt alles Mögliche vom Rummel zu berichten. Durch unser aktuelles Erdmännchen-Dasein leuchten ja auch kleine Katastrophen über den Höhlenausgängen auf, wie bunte Lichter.
Neulich bekam ich eine Backpfeife. Ich las beim Frühstück im Bett in der ZEIT einen lässigen Bericht, der Autor erzählte über sein Treffen mit dem extrem coolen Schauspieler Kida Ramadan, der oft Verbrecher spielt, und dessen sehr tollen Freund und Kollegen Frederick Lau, der immer guckt wie ein verzweifelter Hundewelpe, aber ohne Absicht. Ich war so hingerissen von der tieffühlig-entspannten Moritz von Uslar-mäßigen Schreibe, so belebt von diesem Jungs-Treffen überhaupt, dem Slang, der Lust am Leben und so weiter, dass ich noch vor dem Aufstehen einen Leserbrief ins Handy dengelte: „Geiler Text, Dude, sehr im Fluss und schöne Formulierungen. Lesen hat Spaß gemacht. Kollegiale Grüße.“ Die ZEIT-Autoren sind schnell wie Rennpferde, schon am nächsten Morgen war die Antwort da. „Sehr geehrte Frau Heinlein“, las ich, „haben Sie vielen Dank für Ihre nette Zuschrift, freut mich, dass der Text Ihnen gefallen hat! Viele Grüße.“ Da war ich erstmal beleidigt und dachte: Bürschchen, komm Du mir nach Hause, mich siezt man nicht ungefragt! Aber dann habe ich mich besonnen. Der junge Mann schrieb eine lässige Reportage, jawohl, aber in Wirklichkeit ist er vielleicht ein ganz anderer Mensch, introvertiert oder hanseatisch, jedenfalls keiner, der von der Seite her angedudet werden möchte. So etwas sollte ich in meinem Alter wissen. Also, Botschaft verstanden, ich kehre zurück in meinen beigefarbenen Lehnsessel.
Ich bin momentan schlimm dran. Sittenlos und bedürftig
Etwas später war eine Freundin sehr gekränkt über einen Scherz, von dem ich glaubte, dass wir zusammen doll drüber lachen würden. Außerdem schrieb ich etwas über Liebhaber in Corona-Zeiten, unter Pseudonym, in einem außerordentlich seriösen Medium. Es gab gleich einige Kommentare. „Name ist erlogen, die Geschichte mit Sicherheit auch!“, schrieb jemand, und mehrere Personen meinten, ich sei ein ganz moralloses Etwas. Dadurch wurde mir plötzlich bewusst, wie schlimm ich momentan dran bin: sittenlos, eventuell, darüber kann man diskutieren, aber vor allem doch bedürftig. Aus Frust verschickte ich schnell Nachrichten an die beiden Männer, die noch in meiner Vorratskammer lagern. Ich teilte ihnen mit, dass ich Aufmerksamkeit und Süße bräuchte und sie sich mal vom Acker machen könnten. Na fein, dummes Ding, dachte ich sofort danach, das war jetzt ja sehr dienlich.
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In anstrengenden Phasen nehme ich abends ein Spezial-Bad. Wohl das beste, was es zu kaufen gibt. Es heißt „Tiefenentspannung“ und ist von der Firma Kneipp.
Der Pfarrer Sebastian Kneipp wurde vor 200 Jahren am 17. Mai geboren, lernte Pflanzenheilkunde und erkrankte, wie so viele zu seiner Zeit, jung an der damals meist tödlichen Lungentuberkulose. Er heilte sich durch kalte Bäder in der Donau und entwickelte ein ganzheitliches Gesundheitskonzept. Seitdem gibt es bis heute allerlei Gutes unter dem Namen Kneipp zu kaufen.
Auf dem Etikett des Badezusatzes steht: „Verhilft nachweislich zu tiefer Entspannung und innerer Ruhe“, und das ist untertrieben. Tatsächlich beamt die Essenz in eine Art angenehmer Bewusstlosigkeit, ich denke mal, so hat Buddha sich gefühlt, als er mit allen Problemen durch war. Der Badezusatz ist sehr gut, kauft ihn einfach mal.
Alles nahm schließlich ein gutes Ende. Die gekränkte Freundin schrieb mir einen Brief, in dem sie ihr Herz weit öffnete und mich sie verstehen ließ. Eine andere Freundin tröstete mich wegen der blöden Online-Kommentare, und einer der Liebhaber schrieb: „Ich komme nächsten Montag“, und tat das auch. Wie herrlich ist doch der Mai.