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Palais F*luxx

Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre

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Mensch, Mama … du nervst!

Neuer Job Dienstmagd

Im Königinnenreich der Mutter herrscht klassische Gewaltenteilung: Ich hier oben, ihr da unten.

Menschen werden immer älter. Dass sie dann mehr und mehr Hilfe brauchen, ist logisch. Was ich unterschätzt habe, ist, wie umfangreich die Aufgaben werden, die man so nebenbei zu erledigen hat. Als meine Mutter ins Pflegeheim wechselte, dachten meine Schwester und ich wir hätten ein Rundum-sorglos-Paket gebucht, teuer genug ist die Einrichtung. Doch weit gefehlt. Zu Arztterminen etwa müssen meine vor Ort wohnende Schwester oder eine meiner Nichten mit ihr hinfahren, warten und sie wieder zurückbringen. Das Heim hat nicht genug Personal. Ein Tag ist da schnell mal futsch.

Abgesehen von diesen unerwarteten Überraschungen gefällt es meiner Mutter sehr, meine Schwester und mich mit zahlreichen Dienstbotengängen zu betrauen. Sie möchte eine bestimmte Sorte Bonbons oder Obst haben, schon muss meine Schwester los, um im Supermarkt für sie einzukaufen. Die Kontoauszüge werden gebraucht – aber pronto. Wenn meine Schwester nicht umgehend liefert, wird gemeckert. Ich versuche von Hamburg aus den Papierkram à jour zu halten, muss mir aber immer wieder anhören, wieviel mehr angeblich andere Kinder für ihre Eltern im Heim tun.

Es geht also nicht allein um die Unterstützung an sich, sondern ums Kommandieren. Meine Mama hat Gefallen daran, uns als persönliche Dienstmägde durch die Gegend zu scheuchen. Mein Versuch, ihr eine Seniorenassistenz vor Ort schmackhaft zu machen, um meine Schwester zu entlasten, scheiterten krachend. „Ich will keine fremde Person um mich haben. So viel ist es doch gar nicht. Ach, kannst du mir Briefumschläge und Papier besorgen. Und hier sind Schreiben von der Kasse gekommen, die musst du angucken. Und zum Steuerhilfeverein will ich auch noch“, erwiderte sie mit scheinbar unschuldiger Miene.

Jüngst gab es Kuddelmuddel mit Bescheinigungen. Ich rief mehrmals die Rentenversicherung an, doch die Bescheinigungen kamen einfach nicht. „Versuch es doch mal über das Fax“, lautete der fixe Ratschlag der Mama. Fax ist für sie das Synonym fürs Internet, das sie nie gesehen, geschweige denn benutzt hat. Interessanterweise stellte ich fest, dass die üblichen Begrifflichkeiten wie Rentenbescheid nicht auf der Internetseite der Rentenversicherung zu finden sind. Ich kreuzte also auf gut Glück an und hoffte. Weitere zwei Wochen vergingen. Meine Mutter wurde ungeduldig. „Frau Wolf hat neulich auch einen neuen Rentenbescheid angefordert, der war in sieben Tagen da. Du musst da nochmal anrufen“, lautete der Befehl aus Nordhessen. Ich saß mitten in einer Präsentation und unterbrach mal wieder meine Arbeit. Nach einem Einschreiben kam fünf Wochen nach meinem ersten freundlichen, aber letztlich erfolglosen Anruf endlich die lang ersehnte Bescheinigung, die dann noch an verschiedene Stellen weitergeschickt werden musste. Die Frage, ob dies das Heim nicht übernehmen könnte, wurde gleich abgebügelt. „Sie haben kein Personal. Und einen Termin zum Zahnarzt brauche ich auch.“ Helas …

Beim letzten Besuch kamen mir die Mama und eine Zimmernachbarin freudestrahlend mit einer Sektflasche entgegen. Ich war gerade über fünf Stunden mit dem Zug nach Marburg gejuckelt. „Ich werde 99“, strahlte die andere Dame, während ich den Korken rauszog. Ich fragte sie, ob denn keines ihrer Kinder gekommen sei. „Doch, doch“, antwortete sie mit einem gewissen Desinteresse. „Mein Sohn ist da, aber der muss erstmal den Beihilfebogen ausfüllen und meine Papiere ordnen.“ Sprach’s und stieß mit meiner fröhlich kichernden Mama an. Sie zeigte mit dem Finger in Richtung ihres Zimmers. „Husch, husch. Das Bett muss noch gemacht werden und ein großer Umschlag ist gekommen, den musst du dir gleich ansehen. Ich komme später nach.“ Während hinter mir die Gläser vom Anstoßen klirrten, übernahm ich – husch, husch – wieder meinen Nebenjob als Dienstmagd.

Ingeborg Trampe
Die Fachfrau für PR ist durch ihre Arbeit rund um Hamburgs Kunst, Kultur und Genüsslichkeiten immer eine gute Adresse auf die Frage, where to go. Alle 14 Tage beschreibt sie für uns „what to avoid“, was es zu meiden gilt. Ihre Mutter.

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