Jeden zweiten Mittwoch stellen wir Euch eine Frau vor, die ihr Leben umgekrempelt hat oder mittendrin ist in der Veränderung
Heute: Franziska Ambacher
Eine echte Rampenfrau ist Franziska Ambacher, die weiß, wie es ist, wenn traute Träume wie Seifenblasen zerplatzen. So ohne Studium und „ordentliche“ Berufsausbildung musste sie sich nicht nur einmal neu erfinden – und hat irgendwann gecheckt, wie viel tatsächlich in ihr steckt … und zwar erstaunlich viel.
Name: Franziska Ambacher
Alter: 53
Beruf: Biografie-Beraterin, Werte- und Businesscoach, Changement-Consultant, Mediatorin
Wohnt in: München
Motto: Das Leben ist wie Zeichnen, nur ohne Radiergummi.
Wie würdest Du Dich selbst vorstellen:
Gründerin von Changeify. „Inspirationsfeuerwerk“, so nennen mich meine Klienten, weil sie sich an ihren beruflichen Wendepunkten fragen, wo die Reise hingehen soll. Impulsgeberin. Sparringspartnerin. Mentorin. Ehefrau. Stiefmutter. Tochter. Rampenfrau. Businessromantikerin. Autorin. Freundin.
Was treibt Dich an?
Die Lust daran, Potenziale zu heben. Niemand kennt sich wirklich. Menschen in der Lebensmitte sitzen in meinem Beratungs- und Coachingzimmer vor mir und wissen nicht, wer sich da eigentlich neu erfinden will. Und wenn ich in meine Biografie zurückblicke, sitzt ihnen eine gegenüber, die es auch nicht wusste. Das will ich ändern. Wir brauchen im Wandel hin zu einer Wissensgesellschaft ein viel stärkeres Bewusstsein für unsere Werte, Stärken und Besonderheiten. Das sind die wahren Qualitäten in der Arbeitswelt, weil sie nicht durch Künstliche Intelligenz ersetzt werden können. Daher mein Credo: Werde, was in Dir steckt. Ich trete jeden Tag für Menschen an, die wissen wollen, was ihre Wurzeln (Werte) sind, welcher Stamm (Stärken) und welche Baumkrone (Entscheidungen) aus ihnen heraus für ihre Zukunft erwachsen.
Musstest Du Dich schon mal neu erfinden? Wenn ja, womit?
Nicht nur einmal. Das scheint ein wiederkehrendes Muster in meinem Leben zu sein. Doch das wirklich allererste Mal ereignete sich mit 18. Ich war gerade in der Ausbildung zur Schreinerin (mein Berufswunsch war die Gemälderestauratorin), als ich einen heftigen Arbeitsunfall erlitt: Ich bekam die linke Hand in die Rahmenpresse. Ergebnis: platt wie ´ne Flunder. Alle Knochen inklusive Handwurzel zertrümmert. Es kostete mich zwei Jahre und meinen ersten Bankkredit (weil die Krankenkasse nur die herkömmlichen Heilmittel bezahlen wollte), bis meine Hand wieder voll einsatzfähig war. Dieser Unfall führte auch dazu, dass ich bis heute Angst vor Maschinen habe. Er bedeutete deshalb leider auch, mich von meinen Berufswunsch verabschieden zu müssen.
Hast Du auch einen Job-Neuanfang erlebt?
Ich wusste nicht mehr ein und aus. Hatte keinen Plan B und auch keine Idee, wo die berufliche Reise nun hingehen sollte. Ich war jung und brauchte viel Geld (der Bankkredit musste zurückgezahlt werden). Also begann meine unaufhaltsame Karriere als Quereinsteigerin. Ohne Berufsausbildung und ohne Studium stieg ich als Schreibdame in einer Münchner Versicherungsgesellschaft ein. Nicht gerade ein Traumjob, doch ein Anfang ward gemacht. Dort arbeitete ich mich hoch bis zur Vorstandsassistentin. Mit dem „Nebeneffekt“, etwas Wesentliches für mich erkannt zu haben: Die Sozialkompetenz ist ausschlaggebend, um beruflich erfolgreich zu sein. Wie sonst hätte mir trotz Quereinstieg ein Karriereschritt nach dem anderen gelingen können? Es kann nicht an meiner Vorqualifikation gelegen haben. Ich hatte keine.
Es lag an meiner Sozialkompetenz.
Gibt es eine Krise, von der Du uns erzählen magst, die Dich weitergebracht hat?
Ein erneuter Wendepunkt in meinem Leben hat mir dazu verholfen, die Antwort auf diese Frage zu finden. Ich wurde mit damals 40 Jahren von meinem langjährigen Arbeitgeber wegen Insolvenz gekündigt. Mit hunderten anderen Mitarbeitenden wurde ich wie eine ausgetretene Zigarettenkippe vor die Türe des Unternehmens gekehrt und war so orientierungslos wie nie zuvor. Dieser Rausschmiss ließ mich zwar wieder bei null beginnen, doch er zeigte mir vor allem, dass ich – nach wie vor als Quereinsteigerin – so gut wie jeden adäquaten Job bekommen kann, weil ich eine ausgeprägte Werteorientierung und damit Sozialkompetenz besitze. Bis zu diesem Zeitpunkt nutzte ich dieses Potenzial noch viel zu wenig. Bei einer Münchner Unternehmensberatung wurde genau das erkannt und gefördert. Ich begann dort eine Inhouse-Ausbildung zum Coach und zur Beraterin und entwickelte mich persönlich wie fachlich weiter, so dass seitdem viele Menschen von meinen Kenntnissen und Erfahrungen zur Persönlichkeitsentwicklung und Wertearbeit für ihre berufliche Reise profitierten.
Was hat Dich zu der gemacht, die Du bist?
Das stete Auf und Ab meiner Biografie. Genau an diesen Wendepunkten lernte ich mir selbst und dem Leben zu vertrauen. Ich übernahm bewusst die Verantwortung, lebte das Leben und wurde nicht gelebt. In der Rückschau erkannte ich, dass mancher Tiefpunkt nur dafür gut war, mir genau diese Kraft zu spiegeln und dabei ins Tun zu kommen.
Was ist Dein Rat an Frauen, die sich in der Mitte des Lebens neu aufstellen wollen/müssen?
Lass‘ Dich auf Neues ein. Wenn in der Lebensmitte die Sinnfrage innerlich immer lauter anklopft, dann lässt uns das oft verstört zurück. Statt aktiv Neues auszuprobieren, neue Erfahrungen zu machen und fremde Erdteile zu bereisen, ziehen wir uns ins Schneckenhaus zurück. Frei nach dem Motto: Der Sturm wird schon vorüberziehen. Doch wenn Du in Deiner sogenannten Midlife-Crisis nicht das Ruder herumreißt, wird Dir das Untätig-geblieben-Sein später gehörig auf die Füße fallen. Dann, wenn Du das Gefühl hast, keine Zeit mehr zu haben, weil später zu spät wird, kannst Du die Uhr nicht zurückdrehen. Deshalb lass‘ Dich auf Neues ein und bereichere Deinen Horizont.
Dein größtes Laster?
So viele UNESCO-Weltkulturerbestätten auf diesem Erdball wie nur möglich zu bereisen. Ich habe eine große Leidenschaft für kulturelle Besonderheiten, herausragende Architektur und verwunschene Landschaften. Die darin liegende Geschichte wie die erzählten Geschichten haben es mir angetan. Ich war beispielsweise beeindruckt von Angkor Wat, aber wohl auch deshalb, weil es fast 50 Grad hatte, als ich durch die majestätische Tempelanlage in Kambodscha streifte. Es gibt eine heimliche Challenge zwischen meiner Sandkastenfreundin Anja (wir sind tatsächlich seit 53 Jahren ein Team) und mir. Anja beherrscht Excel besser als ich, also hat sie die – wie ich sie nenne – „Liste der Unendlichkeit“ erstellt. Dort stehen alle UNESCO-Weltkulturerbestätten aufgeführt – und jedes Jahr kommen neue hinzu – und dahinter in Spalten, welche von uns beiden Abenteurerinnen diesen Ort schon mit den eigenen Füßen betreten hat. Sie ist eine Globetrotterin, doch ich hinke nicht wirklich hinterher. Mein Vorteil ist meine strategische Planung. Denn jede private Reise wird fast manisch nach dem Prinzip des Abarbeitens der Liste geplant.
Was möchtest Du unbedingt in diesem Leben noch mal ausprobieren?
Studentin sein. Weil ich nie eine war. Dabei interessieren mich so viele spannende Studienfächer, dass ich immer wieder darüber nachdenke, für was ich ab meinem 65. Lebensjahr begeistert nochmals die Schulbank drücken möchte.
Vielen Dank!
Das Interview führte Gerlind Hector, die Franziskas Faible für das UNESCO-Welterbe fabelhaft findet. Bei ihren Recherchen hat sie festgestellt, dass auch immaterielles Kulturerbe als schützenswert gilt, darunter das Bayrische. Ohne es zu wissen, lebt Gerlind als „zugroaste” Münchnerin ergo mittendrin im Weltkulturerbe und würde jetzt gern „Goaßlschnalzn” lernen, das Musizieren mit der Peitsche. Unfassbar: Das dürfen nur Männer. Echt jetzt?
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